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Der Gipfel der Heuchelei:
Deutsche Spitzenpolitiker lehren Prag das 1x1 von Menschenrecht und Mitgefühl

Grosse Eintracht und Empörung herrscht bei den Vertretern von CSU, CDU, FDP und SPD was die Äußerungen des Prager Regierungschefs Milos Zeman anbelangt. Zeman hatte die Präsenz von Vertretern der Sudetendeutschen Landsmannschaft im Verwaltungsrat des deutsch-tschechischen Forums kritisiert. Der Sozialdemokrat Zeman wies im Rahmen seiner Kritik darauf hin, dass ja auch Prag keine Extremisten in diesen Rat entsandt habe: "Die Sudetenduetsche Landsmannschaft gehört entschieden nicht zu den Organisationen, die die deutsch-tschechische Deklaration unterstützt haben. Ähnlich, wie auf unserer Seite dorthin weder die Kommunisten noch die Republikaner gehören, sehe ich keinen Grund, warum auf der deutschen Seite dort die Landsmannschaft sein sollte."

Die CSU sieht nun das Verhältnis Deutschlands zu Tschechien als "schwer belastet". Führende CSU-Politiker nannten Zemans Bemerkung "skandalös". Parteichef Theo Waigel sagte in Nürnberg: "Die Tschechen schaden sich selbst in hohem Maße, auch was ihren Beitritt zur Europäischen Union angeht." Während einer Wahlkampftour in Franken sagte er: "Die Tschechen müssen wissen, dass wir uns und die Sudetendeutschen so nicht behandeln lassen." Für die gesamte Bundesregierung liege hier ein "schwerwiegend inakzeptables Verhalten" vor. Mit solchen Leuten wie der Grünen-Vertriebenenpolitikerin Antje Vollmer alleine werde Zeman keine anständige Zusammenarbeit gewährleisten können.

Das Verhältnis zwischen Deutschland und Tschechien habe sich in den vergangenen sechs Jahren "deutlich verschlechtert": "Mit Vaclav Havel waren wir Anfang der Neunziger schon viel weiter. Der Mut, mit dem Havel auf die Deutschen zugegangen ist, ist leider von den jetzigen Leuten dort in der Regierung nicht aufgenommen worden." Anders als die Slowaken, Ungarn, Rumänen und Balten hätten die Tschechen Schwierigkeiten, sich vom Unrecht der Vertreibung zu distanzieren: "Prag muß wissen, dass es mit einem derartigen Konfrontationskurs nie und nimmer Erfolg haben wird." Waigel unterstellt Zeman auch innenpolitische Gründe für seine Entgleisungen. Es gäbe wohl in Prag so manchen ungelösten Konflikt.

Auch Entwicklungshilfeminister Carl-Dieter Spranger (CSU, für die die 'Tschechei' anscheinend unter der Sparte 'Entwicklungsland' geführt wird?) sagte: "Da die Tschechen das noch nicht aus der Welt geräumt haben, sehen wir die Beziehungen als massiv belastet an, auch in Bezug auf den EU-Beitritt unserer Nachbarn." Spranger bezichtigte Zeman ein 'schäbiger Agitator' zu sein. Die Sudetendeutschen seien zu Hunderttausenden massakriert worden und müßten sich nicht auch noch als Rechtsradikale beschimpfen lassen: "Die Tschechen haben auch in Hinsicht auf die UN-Menschenrechts-Charta internationale Verpflichtungen zu erfüllen. Auch deshalb muß Zeman diese Äußerung zurücknehmen."

Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach (CDU), welche vor wenigen Wochen die Leiden der Tschechen als kaum erwähnenswert bezeichnet hatte, warf Zeman "unglaubliche Menschenverachtung für die geschundenen Sudetendeutschen" vor. Mit einer solchen Haltung disqualifiziere der Prager Regierungschef sich und sein Land für die angestrebte Mitgliedschaft in der EU.

Auch Bayerns SPD-Vorsitzende Renate Schmidt, die zugleich stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende ist, wollte da nicht zurückstehen und forderte Zeman zur Korrektur seiner Haltung und zu einer Entschuldigung bei den Vertriebenen auf. Sie halte es für absolut unzulässig, führende Vertreter der Sudetendeutschen Landsmannschaft mit Rechts- oder Linksradikalen gleichzusetzen.

Für die FDP hat Außenminister Klaus Kinkel die Äußerungen Zemans im Gespräch mit seinem tschechischen Kollegen Jan Kavan zurückgewiesen.

Libor Roucek, Sprecher der Prager Regierung, meinte Zeman sehe keinen Grund, sich zu entschuldigen. Er habe die Sudetendeutsche Landsmannschaft mit tschechischen Extremisten zwar verglichen, aber nicht gleichgesetzt. Am Sonntagmittag sagte Zeman im privaten TV-Sender Nova, er habe lediglich darauf hinweisen wollen, dass beide Gruppierungen die tschechisch-deutsche Aussöhnungserklärung von 1997 nicht unterstützt hätten.

Der Vorsitzende des tschechischen Senats Peter Pithart meinte, die Aussagen des Ministerpräsidenten Milos Zeman, enthielten durchaus eine gewisse Logik enthalten, er selber hätte aber in ähnlicher Situation nicht so gesprochen. "Ich denke, daß der Herr Premierminister dies nicht sagen sollte, einfach deshalb, weil es auch ein paar Sozialdemokraten in der Sudentendeutschen Landsmannschaft gibt." Laut Pithart sind die deutschen Sozialdemokraten Menschen, die immer schon Antifaschisten waren. Man könne ihnen keine anrüchige Kumpanei vorwerfen.

Zeman entgegnete, dass weder in Tschechien noch in Deutschland mit den Veranstaltungen der Landsmannschaft ausgerechnet ein sozialdemokratischer Geist zu assoziieren wäre. Es sei allgemein bekannt, daß gerade der Vorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft Franz Neugebauer immer wieder öffentlich verlange, die Tschechische Republik müsse die Benes Dekrete widerrufen. "Ich sage genauso öffentlich, daß wir dieses Verlangen für absolut unannehmbar betrachten", so Zeman. (Die Benes Dekrete hatten nach der Befreiung der CSR einem grossen Teil der NS-Befürworter unter den Sudentendeutschen für die Zerrüttung der ersten Republik und ihre schließliche Zerschlagung durch den Einmarsch deutscher Truppen verantwortlich gemacht - und des Landes verwiesen. Von ca. 3.200.000 Sudetendeutschen fanden im Zuge der sogenannten 'wilden Vertreibung' schätzungsweise 150.000 Sudetendeutsche einen gewaltsamen Tod).

Die CSU und die Landsmannschaft hatten jahrelang verhindert, dass überhaupt Gespräche geführt wurden. Nach einem jahrelangen Streit, in dem die deutsche Seite Zahlungen an tschechische Naziopfer immer wieder verweigerte bzw. von Entschädigungen Prags für die Sudetendeutschen abhängig gemacht hatte, einigte man sich schliesslich auf einen 'deutsch-tschechischen Zukunftsfond'. In diesen zahlt nun jeder tschechische Bürger 4.00DM ein, jeder deutsche Bürger wird mit 1.50DM belastet. Die meisten tschechischen Opfer des deutschen Terrors (welche niemals irgendeine Form von Ausgleichszahlung aus Deutschland erhalten haben) sind inzwischen verstorben. Ihre Ansprüche sind damit endgültig erloschen. Die Forderungen der Landsmannschaft sind nicht an geschädigte Personen gebunden, sondern werden als einen Anspruch der Sudetendeutschen insgesamt auf ehemalige Ansiedlungsgebiete verstanden.

Inoffizielle Stellungnahmen zu den deutschen Drohungen fielen z.T. noch deutlicher aus. Viele Tschechen sind entsetzt über die scharfe und erpresserische Weise in der ihre Republik von Deutschland aus zur Ordnung gerufen wird. Äußerst befremdet sind viele von der völligen Ignoranz in der Frage nach Ursache und Wirkung und dem Leid des tschechischen (und hier sind mit Tschechen auch immer und selbstverständlich die jüdischen Tschechen mitgemeint) Volkes.

Dass Herr Waigel Tschechien kritisiert, weil es sich nicht so umgänglich zeigt wie Ungarn, Rumänien, Litauen und die Slovakei, ruft nur ein bitteres Lachen hervor - waren doch alle genannten Staaten Verbündete von Nazi-Deutschland, deren Bevölkerung sich in Massen als willige Helfer der Deutschen missbrauchen liess. Dass diese nun im anscheinend deutschen Europa auf deutsche Unterstützung hoffen dürfen, während die damals einzige Demokratie der Region, sich heute von Deutschland über Menschenrechte belehren lassen muss, ist sehr traurig. Es sei blanker Hohn, dass ausgerechnet deutsche Politiker sich aufführen, als hätte allein Deutschland zu bestimmen, wer nach Europa gehöre und wer nicht. Man kann nur hoffen, dass Staaten wie Dänemark, Holland, Grossbritannien oder Frankreich in dieser Sache einmal ein klärendes Wort sprechen.

haGalil onLine - 08-1998

Jüdisches Europa

 
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