Diese Frage beschäftigte den Vorsitzenden der
Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Dr. Andreas Nachama, den Vorstandssprecher
der Israelitischen Synagogen-Gemeinde Adass Jisroel, Dr. Mario
Offenberg, und den verantwortlichen Abteilungsleiter des Sender Freies
Berlin, Richard Schneider. Sie waren zusammengekommen zu einer
Podiumsdiskussion im Literaturhaus Berlin.
Das zahlreich erschienene Publikum erhielt vor der
Diskussion noch einmal Gelegenheit, die bereits viermal ausgestrahlte
Produktion zu begutachten. Spontaner Eindruck: Hier wird mit der
Tradition und den Erfolgen eines namhaften jüdischen
Familienunternehmens der zwanziger Jahre für eine Hotelkette geworben
(Aschinger AG), die schon früh die Nazis hofierte, zu den Betreibern und
Profiteuren der »Arisierung« genannten Enteignung jüdischen Eigentums
durch die Nazis gehörte und jetzt mit dem Namen seiner Opfer hausiert.
Ein Film, der eine »Chronik« genannte Geschichte darzustellen vorgibt,
in deren seichtem Dahindümpeln zum Neuen, Besseren, Größeren im Stil
bekannter Fernsehserien die geschichtlichen Einschnitte - Enteignung,
Vertreibung, Mord und Zwangsarbeit - wenn schon nicht gänzlich
verschwiegen werden, so doch in der Harmlosigkeit des ewig
Kontinuierlichen untergehen.
»Entsetzliche Harmlosigkeit also, oder doch bewußte
Verharmlosung?« stellt Peter Moses Krause von der Internationalen Liga
für Menschenrechte als Moderator auf dem Podium die Eingangsfrage. Der
Film stelle eine Normalität vor, dass es ihm eine Gänsehaut bereite.
Dies allerdings passe in das Klima einer Stadt, die um den Anschein von
Normalität sich alle Mühe gäbe. An Richard Schneider vom SFB gerichtet
dann die Frage nach einer »Verschwörung des Verschweigens«. »Gibt
es beim SFB ein Gebot der Ausgewogenheit, der Verharmlosung des Dritten
Reiches?« Alle Vorwürfe weit von sich weisend, bejaht der:
Gerade er sei in seinen Beiträgen immer um eine objektive Darstellung
des NS und der »deutsch-jüdischen Vergangenheit« bemüht gewesen.
Fehlende Parteilichkeit zugunsten der Opfer des Faschismus ist denn auch
ein Vorwurf aus dem Publikum, den sich Schneider anhören muß.
Offenberg bemängelt das Fehlen jeglichen
Gefühls gegenüber den Opfern, und dass klar gesagt wird, dass es sich
bei den »Arisierungen« um Verbrechen handelt, und bei der jüdischen
Emigration aus Deutschland um Vertreibung. Ein Fritz Teppich, Bruder der
um ihr Erbe betrogenen Mela Kempinski, der nach der Niederschlagung des
Faschismus in Deutschland aus der Emigration zurückkam, ohne gerufen
worden zu sein, sei dem SFB allem Anschein nach zu unbequem für seine
deutsch-jüdische Verständigung.
Den umstrittenen Film hält der jüdische
Gemeindevertreter für das Ergebnis einer Kette nicht näher bezeichneter
unglücklicher Zufälle. Dr. Andreas Nachama betont, dass es nie
Bemühungen gegeben hätte, »Arisierungen« rückgängig zu machen, sondern
allenfalls Ausgleichszahlungen gegeben hat. In einer auf Eigentum
beruhenden Gesellschaft ja immerhin nicht ganz unbedeutend, so Nachama.
Für Juden, und da sei Kempinski ein Beispiel unter vielen, sei es oft
unerträglich zu sehen, wie mit ihrem und dem Namen ermordeter
Angehöriger immer noch ganz andere Werbung machten. Da sei es dann ganz
folgerichtig, dass Überlebende von den einschlägigen Unternehmen als
Störenfriede wahrgenommen würden. Dazu passe, dass niemand den in der
Emigration lebenden Juden gesagt habe, »kommt zurück«. Den Film
hält er vom Ansatz her für ungeeignet, eine Verschwörung sehe er dabei
allerdings keineswegs am Werk, vielmehr sei er Ausdruck dieser
Gesellschaft und ihres Makels im Umgang mit den eigenen Verbrechen.
Warum überhaupt noch Beiträge zu solch brisanten
Themen wie Kempinski bringen, die einem niemand dankt, für die man im
Gegenteil noch Prügel beziehe, wehklagt Herr Schneider vom SFB und
beschwört mit den Worten, »vielleicht gibt es da eine jüdische
Überempfindlichkeit«, den Eklat herauf. Egal, wie er es gemeint habe,
ihm müsse klar sein, dass derartige Äußerungen verletzten, gibt
Offenberg zu bedenken, während Nachama droht, den Saal zu verlassen. Ein
Gast gibt seiner Verwunderung Ausdruck, dass Schneider nicht die Chance
nutze, das Bild vom SFB, den dieser schlecht gemachte und inhaltlich
falsche Film hinterlassen habe, zu korrigieren.
Fritz Teppich, Initiator der Veranstaltung,
erläuterte, dass bereits 1987 der SFB in einem Beitrag über Kempinski
die Arisierung gänzlich »vergessen« hatte. Darauf aufmerksam gemacht,
bedauerte der damalige Intendant von Lojewsky das Versäumnis, bat jedoch
um Verständnis dafür, dass man zum gleichen Thema nicht noch einmal
einen Beitrag bringen könne. Nachdem Teppich von dem Plan für einen
neuen Film über Kempinski erfahren habe, habe er sich mit der
Regisseurin Heinze, mit Schneider und dem SFB-Intendanten Schättle in
Verbindung gesetzt, die Geschichte der Arisierung anhand der verfügbaren
Unterlagen dargelegt und mit ihr einen eigenen Beitrag, der in den Film
eingearbeitet werden sollte, minutiös abgesprochen. Die Aufnahmen wurden
gemacht, fanden jedoch keinerlei Verwendung. Dies zeuge weniger
von einer Verschwörung als von einer Linie, die sich durch die
Geschichte der Kempinski-Arisierer Aschinger AG bis zur heutigen
sogenannten Kempinski AG ziehe. Eine Linie des Verschleierns und
Verschweigens, so Teppich.