Er sagt, daß extrem rechtsgerichtete, patriotische
und faschistische Gruppen zur Zeit des von den Nazis proklamierten
«Dritten Reiches» in der Schweiz blühten. Ihr Gedankengut «durchsetzte
alle Aspekte des täglichen Lebens» in einem Ausmaß, daß die Mehrheit der
Schweizer Bevölkerung es nicht mehr als ungewöhnlich oder falsch ansah.
Der Bericht beziffert die Zahl der rechtsradikalen
Gruppen Anfang der 40er Jahre auf wenigstens drei Dutzend. Etliche von
ihnen hätten das Alpenland mit regionalen und lokalen
Unterorganisationen überzogen. Ihnen gehörten auch intelligente, gut
ausgebildete Menschen an, unter ihnen hohe Offiziere und Professoren.
Nach den Worten von Schom wiesen hohe Schweizer Beamte jüdische
Flüchtlinge, die den Nazis im benachbarten Deutschland zu entkommen
versuchten, in enger Zusammenarbeit mit den Schweizer Extremisten
zurück.
Die Schweiz habe die Abweisung von Juden nach
Motiven aus den eigenen Reihen betrieben - und keineswegs nur auf Druck
der deutschen Nazis, erklärte Rabbi Marvin Hier vor Journalisten in New
York. Er gehört zu den Gründungsmitgliedern des Wiesenthal-Zentrums.
Mehrere Dokumente deckten geheime Absprachen zwischen dem Schweizer
Justizminister Eduard von Steiger und der Vereinigung des Schweizer
Vaterlandes über das Abweisen von Juden auf, erklärte Hier. Steiger war
von 1941 bis 1951 Justizminister und wurde später Präsident des Landes.
Andere Dokumente, auf die Schom bei seinen Nachforschungen stieß,
enthüllen Anweisungen der Schweizer Polizei an ihre Grenzbeamtne, keine
Juden in das Land zu lassen.
Der Schweizer Präsident und Außenminister Flavio
Cotti wies den Bericht am Mittwoch zurück. Hier werde bewußt versucht,
die Schweiz pauschal als nazifreundlich hinzustellen. Der Bericht
beleidige die schweizerische Kriegsgeneration, deren Haltung und deren
Leistungen für die Unabhängigkeit der Schweiz bekannt seien. Er
diffamiere die heutigen Behörden. Die Darstellung sei unhaltbar und
perfid. «Wir weisen sie in aller Form zurück», sagte Cotti.
Der Leiter der Task Force, der die
Öffentlichkeitsarbeit der Regierung bei der Vergangenheitsbewältigung
koordiniert, bezeichnete die Vorwürfe als «absurd und falsch». Kein
seriöser Historiker könne bestreiten, dass die grosse Mehrheit der
Schweizer während des Zweiten Weltkriegs «eindeutige Demokraten und
Antifaschisten» waren, sagte Thomas Borer. Die Schweiz sei während des
Krieges «die einzige Oase der Demokratie, der Redefreiheit und der
Toleranz auf dem Kontinent» gewesen. Borer erinnerte auch daran, dass
die von den Achsenmächten umgebene Schweiz während des Krieges mehr
Flüchtlinge aufgenommen habe als jeder andere Staat, darunter auch
zahlreiche Jüdinnen und Juden.