Gegen
den Vorsitzenden der Rechtspartei Schweizer Demokraten (SD), der sich
mit einem wütenden Boykott-Aufruf an die Schweizer gewandt hatte, wurde
allerdings inzwischen Strafanzeige wegen Rassismus erstattet. Er hatte
gefordert, «sämtliche amerikanischen und jüdischen Waren, Restaurants
und Ferienangebote solange zu boykottieren, bis diese gemeinen und
völlig unberechtigten Angriffe und Klagen gegen die Schweiz» aufhörten.
Israels Botschafter in der Schweiz, Jizhak
Mayer, protestierte gegen den Aufruf. Er fühle sich an den deutschen
Nazi-Ruf «Kauft nicht bei Juden» erinnert, sagte Mayer.
Begonnen hatte die Boykott-Diskussion Anfang
Juni, als New York einen Stufenplan mit Sanktionen ankündigte, für den
Fall, daß sich die Schweizer Großbanken und der Jüdische Weltkongreß
nicht bis Anfang September auf einen Vergleich zur Entschädigung von
Holocaust- Überlebenden einigen.
Der Plan reicht von einem Rückzug aus
Tagesgeld-Anlagen bis zu einem möglichen totalen Boykott von Schweizer
Produkten im kommenden Jahr. Sollten weitere US-Bundesstaaten dem Plan
von New Yorks Finanzchef Alan Hevesi folgen, droht ein Handels- und
Wirtschaftskrieg zwischen der Schweiz und den USA. Die Regierung in
Washington hat sich bereits für nicht zuständig erklärt - die Sanktionen
seien allein Sache der Bundesstaaten, lautet die Begründung.
Die drei Großbanken prüfen daher inzwischen
rechtliche Schritte gegen die Boykott-Staaten. Der Schweizer Bundesrat
denkt über eine Klage bei der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf
nach. Und das Volk redet offen von einem Handelsboykott auf
Verbraucherebene.
Doch obwohl die Wogen immer höher schlagen,
rufen die meisten Schweizer Politiker und Unternehmer zur Besonnenheit
auf. Alfred Defago, Schweizer Botschafter in den USA warnt vor
antisemitischen Boykott-Aufrufen und auch der Chef der Großbank UBS,
Mathis Cabiallavetta rät von Überreaktionen ab.
Bisher haben die Sanktionen noch keine
praktischen Auswirkungen gehabt. Trotz der anhaltenden Diskussionen über
die nachrichtenlosen Konten von Holocaust-Überlebenden in der Schweiz
stiegen die Schweizer Exporte in die USA in den ersten fünf Monaten
dieses Jahres um gut 17 Prozent auf 4,6 Milliarden Franken. Ihr Anteil
an den gesamten Exporten der Schweiz beträgt gut zehn Prozent.