Ein neues Buch von Professor
Meyer Schub in Wilna wurde in Auftrag gegeben, eine wissenschaftliche
Konferenz sollte der Würde des Ereignisses gerecht werden. Insgesamt
sechs Sifrei Torah sollten Synagogen in Litauen während der Ereignisse
rund um den Todestag des Gaon übergeben werden. Diese lagerten in
litauischen Beständen. Einige Fragmente wurden in den letzten Jahren
entdeckt, diese wurden bestattet.
Während der Verhandlungen mit den litauischen
Behörden konnten einige Aspekte des blanken Unverständnisses von dieser
Seite beobachtet werden. So wurden die SifreiTORAH den jüdischen
Gemeinden "verpachtet". Offiziell bleiben sie im Besitz der litauischen
Behörden...
Etwa drei Monate vor den Ereignissen zeichneten sich
ungeheuerliche Spannungen zwischen verschiedenen jüdischen
Organisationen ab. Der Leiter des Wiesenthal Center in Israel Efraim
Zuroff rief zum Boykott der Veranstaltungen auf. Litauen würde
Kriegsverbrecher nicht verfolgen und benütze das Erbe des Gaon um sich
vorteilhaft der Welt zu präsentieren, um NATO-Erweiterung und
EU-Beitritt zu erreichen.
Tatsächlich hatte der israelische
Unterrichtsminister sowie die Oberrabbiner ihre Teilnahme abgesagt.
Organisationen wie BNAI BRITH , Anti Defamation League oder American
Jewish Comittee hatten eine durchaus differenziertere Sicht der
Vorgangsweise.
Einige Zitate in litauischen Medien und Leserbriefe
sowie Gespräche des Autors in der letzten Woche mit Journalisten und
anderen Meinungsbildnern erwecken den Eindruck, in der
postkommunistischen Gesellschaft wäre noch viel Unheilvolles in Pandoras
Büchse.
In der litauischen Gesellschaft ist die Lehre des
GAON fast unbekannt. Die Ereignisse scheinen wie eine schlechte Kopie
des langjährigen österreichischen Bemühens um Imageverbesserung.
Nach einer Rede, in der der israelische Botschafter
Verbrechen von Litauern in der Nazizeit ansprach, wollten einige
Abgeordnete ihn des Landes verweisen.
Der negative Höhepunkt für viele der angereisten
jüdischen Gäste, unter ihnen SHEAAR YESHUV COHEN , Oberrabbiner von
Haifa (dessen Rücktritt die Association of Lithuanian Jews in Israel
fordert) war die Enthüllung einer Büste des GAON von Wilna, die erstens
aussieht wie eine schlechte Mischung aus Karl Marx und Stalin, und
zweitens die religiösen Gefühle verletzt.
Immanuel Singer, einziger jüdischer Abgeordneter und
Mitglied der "HEIMATUNION des Vytautas Landsbergis bezeichnete den Tag
der Enthüllung als den schwersten seines Lebens.
Es könnten ihm noch einige solche Tage bevorstehen.
Parallel dazu fand in NIDA an der Kurischen Nehrung
eine wissenschaftliche Konferenz statt, an der neben litauischen
Wissenschaftlern Kollegen aus den USA, Israel und Großbritannien
teilnahmen. Neben Dina Porat von der Universität in Tel Aviv nahm auch
einer der rennmiertesten Forscher über den Holocaust, Jonathan Steinberg
vom Trinity College in Cambridge an der Tagung teil.
Eine junge deutsche Publizistin hielt einen Vortrag
über eine Begebenheit, bei der laut litauischen Angaben Juden für den
Mord an Litauern verantwortlich waren. Ruth Kibelka betonte zwar, die
Behauptungen entbehrten jeder Grundlage, es blieb jedoch ein schaler
Nachgeschmack.
Im Zentrum zur Erforschung des Genozides am
litauischen Volk sind 12.000 Namen von KGB-Mitarbeitern verzeichnet.
Bisher wurden drei Namen von Personen veröffentlicht, die jüdischer
Abstammung sein könnten. Warum wohl?
Anfang Dezember sandten sieben Parteien aus dem
teilweise krausen rechten politischen Lager ein Brief an das israelische
Parlament, in welchem Israel ersucht wurde. "JÜDISCHE MÖRDER AM
LITAUISCHEN VOLK" als "Geste des guten Willens" auszuliefern.
Dem Vortrag von Dina Porat in Nida über die
Vernichtung der Juden in Litauen folgte ein Vortrag einer Überlebenden
aus Kovno, Irena Veisaite, die heute Präsidentin der Soros-Stiftung in
Litauen (Open Society Fund) Thema: Rettung von Juden durch Litauer...
Den Vogel schoß jedoch für viele der "Hofjude"
Immanuel Singer ab. Der für die konservative Koalition tätige
Abgeordnete ließ zwar seinen Diskussionsbeitrag am Ende der Konferenz
von der staatlichen Nachrichtenagentur wortreich ankündigen, ward jedoch
nach der Eröffnung und einer kurzen Begrüßung durch den Kulturminister
nicht mehr gesehen.
Vielleicht würden wir ehrlicher sein, wenn wir
fortan das Ganze als das begreifen, was es größtenteils eben ist: Als
FARCE nämlich.
Prof. Dov Levin von der Hebrew University, der sich
aus akademischen Gründen weigerte an der Konferenz in Nida teilzunehmen
(Seiner Meinung nach wurde im Programm Geschichtsrelativierung zwischen
NAZI-und Sovjetsystem versucht) bezeichnete die Ereignisse des Herbstes
in Litauen als "zynischen politischen Trick der Regierung Litauens, ihr
nationales Pantheon zu erweitern".
Der Versuch der Behörden in Litauen scheint eher
entschlafen geglaubte Geister geweckt zu haben und hat der Welt
vorgeführt, wie schwierig der Umgang mit der Vergangenheit im Baltikum
ist.
Zu Entwicklungen im Baltikum: SLW /
Baltic NewsWatch