Der prominente Rechtsanwalt und Vorsitzende
der FFDJF, Serge Klarsfeld, rief zu einer Demonstration vor der
syrischen Botschaft auf. Da die Staatsvisite ausgerechnet auf den 56.
Jahrestag der Großrazzia gegen die Juden im von den Deutschen besetzten
Paris zusammenfiel, fand der Aufruf der Organisation der Söhne und
Töchter deportierter Juden Frankreichs (FFDJF) besonderen Widerhall.
Brunner gehört zu den meistgesuchten
Kriegsverbrechern der Welt. Er hat sich als einstige rechte Hand von
Adolf Eichmann, des Organisators der Massenmorde an sechs Millionen
Juden, der Deportation und Ermordung von mindestens 130 000 Juden aus
mehreren Ländern Europas schuldig gemacht. Von Juni 1943 bis August 1944
war er in Frankreich im Einsatz. Er leitete vor allem das Lager Drancy,
Zwischenstation auf der Reise in den Tod. Zweimal - 1954 und 1956 - ist
er in Frankreich in Abwesenheit bereits zum Tode verurteilt worden.
Assad bestritt jede Kenntnis zum Fall
Brunner. In einem Fernsehinterview erklärte er den Franzosen: «Der Mann
ist Ausländer, wenn er in Damaskus wäre, so wüßte ich es».
Klarsfeld nimmt an, daß Brunner in der syrischen Hauptstadt unter
persönlicher Protektion Assads lebt. Klarsfeld will einen neuen Prozeß
gegen Brunner erreichen, der nächstes Jahr beginnen soll. Es geht dabei
um die Deportation von 200 Kindern ins Vernichtungslager Auschwitz am
Tag nach dem Attentat auf Hitler im Juli 1944. Zum Dementi des syrischen
Staatschefs meinte er am Donnerstag in der französischen Zeitung
«Liberation»: «Wenn Assad ein Problem stört, dann tut er so, als
existiere es nicht.»
Inzwischen hat Präsident Hafis el Assad, vom
französischen Präsidenten Jacques Chirac noch einmal auf den Fall
angesprochen, zugesagt auf französische Rechtshilfe-Ersuchen im Fall des
deutschen Nazi-Kriegsverbrechers zu raeagieren. Der syrische Staatschef
habe Chirac heute (Freitag 17-07) eine Prüfung der seit langem
gestellten Anträge zugesagt.
Syrien hat die Anwesenheit Brunners offiziell
immer bestritten. Für Berichte, er habe sich später nach Argentinien
oder Brasilien geflüchtet, gab es ebensowenig eine Bestätigung wie für
Informationen, Brunner der inzwischen 86 Jahre sein müßte, sei
gestorben. Im Februar 1996 setzten die deutsche Staatsanwaltschaft in
Köln und Frankfurt am Main eine Belohnung von einer halben Million Mark
für die Ergreifung Brunners aus. Oberstaatsanwalt Wolfgang Weber aus
Köln erwartet allerdings nicht mehr, daß dem NS-Kriegsverbrecher der
Prozeß gemacht werden kann. «Wir gehen davon aus, daß Brunner nicht mehr
am Leben ist», sagte er am Donnerstag. Klarsfeld, dessen Vater unter
Brunner verhaftet wurde, mag dies jedoch nicht glauben.
Klarsfelds Organisation protestierte nicht
nur wegen Brunner. Es gabe eine weitere Demonstration vor dem Palais der
Ehrenlegion, weil diese dem kürzlich verurteilten französischen
Nazi-Kollaborateur Maurice Papon bislang nicht den Orden aberkannt hat.
Klarsfeld, dessen Ehefrau Beate Klarsfeld,
den damaligen deutschen Kanzler Kiesinger, wegen seiner Haltung zu den
Nazi-Verbrechen, öffentlich geohrfeigt hatte, sprach auf
einer Veranstaltung zum Gedenken an die Opfer der Razzia vor 56 Jahren.
Am 16./17. Juli 1942 waren auf Anordnung des Vichy-Regimes etwa 13 000
Juden in der Winter-Radrennbahn von Paris («Vel d'Hiv») zur Deportation
zusammengetrieben worden. Vor drei Jahren hatte Chirac erstmals eine
Mitverantwortung des französischen Staates für dieses schreckliche
Geschehen anerkannt.