Solcher Adel verpflichtet. Wohl deshalb würdigte das
Blatt in der jüngsten Ausgabe den Israel-Besuch des österreichischen
Kanzlers mit einer einschlägig humorvollen Karikatur. Sie zeigt den
Regierungschef an der Klagemauer in Jerusalem, wie er großzügig
Banknotenbündel in die Ritzen zwischen die Steinquader stopft –
üblicherweise deponieren hier fromme Juden auf kleinen Zetteln ihre
Bitten und Anliegen an den Ewigen.
Mit Antisemitismus möchte Andreas Mölzer, der
Chefredakteur der rechten Wochenzeitung, dennoch nicht in Verbindung
gebracht werden. Wortreich weist er alle Verdachtsmomente weit von sich.
Allerdings, so schränkt er ein, könne man schon „gräßlich unanständige
Publikationen finden“, denen er im Laufe seiner bewegten Karriere die
Kraft seiner Worte geliehen habe. 'Zur Zeit', verspricht Mölzer, werde
sich jedoch nicht in diese Ahnenreihe eingliedern. Vielmehr will das
Blatt mit moderner Anmutung zu einer „Re-Intellektualisierung“ des
rechten Lagers beitragen.
Antiklerikal bis trotz-katholisch
Auf dem von hemmungslosen Boulvardezeitungen
beherrschten Markt ist dem 46jährigen Publizisten mit seiner
Grundsatzpostille ein kleines Medienmirakel gelungen: Seit Oktober
vergangenen Jahres redigiert er ein Wochenblatt, dem es gelingt, in
bunter Mischung alle Strömungen radikalkonservativer und
rechtsrebellischer Polemik auf insgesamt 24 Seiten zu vereinen.
Antiklerikale Nationale und trotz-katholische Moralapostel wettern da
beispielsweise Seit’ an Seit’ gegen Gott und die Welt, vornehmlich
jedoch gegen den Zeitgeist und die „Gesinnungsdiktatur der political
correctness“. Die Themen sind pointiert gesetzt, der Ton der meisten
Artikel ist überraschend unverkrampft und in der Regel frei von
sektiererischen Untertönen und labyrinthischen Verschwörungstheorien. In
der Regel prangern die Autoren nur ihre eigene Bedeutungslosigkeit an.
Bewußt, sagt Mölzer, sei seine Neugründung ein
„Nischenmedium“, denn nur rechts von der Mitte finde sich noch eine
journalistische Lücke: „Dort gibt es sonst nur Winkelblätter und
Obskuranten.“ Er hofft, sein „reines A-Schicht-Publikum“ werde eines
Tages den „Diskurs nach rechts erweitern“. Derzeit werde rund ein
Viertel der 25 000 Exemplare der Druckauflage verkauft. Ziel ist es, 60
000 Leser zu finden, „die auch ein Hirn haben“.
Die Liste der Mitarbeiter – unter
ihnen auch der langjährige Österreich-Korrespondent der FAZ, Andreas
Graf Razumovsky, und der Osteuropa-Berichterstatter der Welt,
Carl-Gustav Ströhm – füllt problemlos einige Seiten im jährlich
aktualisierten Handbuch des Rechtsextremismus. Kein Wunder, daß dem
Herausgeber dieses Nachschlagewerkes, dem „Dokumentationsarchiv des
Österreichischen Wiederstandes“, in Zur Zeit nachgesagt wird, sein
„Tugendterror ist ärger als Metternichs Zensur“. Allerdings gesteht
selbst Chefredakteur Mölzer ein, der eine oder andere seiner Jungs habe
„irgendwann mit 16 schon einmal ein Pickerl für den Rudolf Hess
geklebt“.
Solchen Jugendsünden mißt der neue Paradepublizist
der Rechten jedoch nur geringe Bedeutung bei. Sie sind ihm selbst nicht
gänzlich fremd. Der Arbeitersohn aus der steirischen Industriestadt
Leoben hatte in Graz Geschichte studiert und war über eine
Korpsverbindung zum völkisch-nationalen Flügel der FPÖ gelangt, die
gerade in der einstigen „Stadt der Volkserhebung“ (NS-Ehrentitel für
Graz) zu einem kurzfristigen Höhenflug angesetzt hatte. Historiker
Mölzer landete bei der deutschnationalen Studentenschrift Aula, einer
Art Zentralorgan volkstreuer Gesinnung, und wanderte bald weiter zum
Parteiblatt der Kärtner FPÖ, wo sich gerade ein weiteres freiheitliches
Talent die ersten Sporen verdiente. Jörg Haider und Andreas Mölzer
fungierten fortan als politisches Gespann. Auf dem Höhepunkt der
Zusammenarbeit war der Provokateur aus Leidenschaft Leiter der
Parteiakademie und Chefideologe der FPÖ und widmete seinem Parteiführer
eine biographische Eloge unter dem Titel Der Eisbrecher. Berühmt wurde
er in diesen Jahren mit seiner Warnung vor einer „Umvolkung“ der Heimat.
Allerdings wurde Mölzers fundamentalistisches
Formulierungsgeschick immer mehr zur Hypothek für den um Respektabilität
bemühten Populisten Haider. Bei einer der zyklischen Parteisäuberungen
landete deshalb der Vordenker im Abseits. Heute erteilt seine
Beraterfirma dem ehemaligen Freund lediglich gelegentlich strategische
Ratschläge.
Der Rausschmiß erwies sich jedoch als unverhoffter
Glücksfall, durch den es dem Gefolgsmann gelang, sich zu emanzipieren.
Mölzers kritische Kommentare über den Verrat der alten Prinzipien fanden
nun ein weit breiteres Echo, als es seiner freiheitliche Kampfpolemik je
vergönnt gewesen war. Selbst von liberalen Medien wurde er eingeladen,
gegen die opportunistische Stimmenfängerei seines alten Kumpanen vom
Leder zu ziehen – und er tat es mit einer spöttischer Unverfrorenheit,
die ihm niemand zugetraut hätte. Mölzer wilderte fortan als
journalistischer Desperado durch den Blätterwald, instinktsicher stets
darauf bedacht, irgend jemanden vor den Kopf zu stoßen.
„Spießertum wandert“
Der mißlungene Versuch, eine Österreich-Ausgabe der
Berliner Jungen Freiheit in der Alpenrepublik zu verankern, führte
schließlich zur Gründung der eigenen Wochenzeitung, an der das deutsche
Mutterblatt noch zu zehn Prozent beteiligt ist (der Rest der Anteile
wird hauptsächlich von rechtsorientierten Verlegern gehalten, dem Grazer
Stocker-Verlag etwa). Mölzer möchte offen sein „für alles, was nicht
links ist“, und versteht sein Journal als spiegelverkehrtes Pendent zu
alternativen Publikationen wie beispielsweise der Wiener Stadtzeitung
Falter. „Jeder bedient seine Sekte“, sagt er: „Das Spießertum wandert.
Heute versammelt es sich um die Religionslehrer, die das
Kirchenvolksbegehren unterschreiben.“
Das sind entschieden nicht die Leser, die er
mobilisieren möchte. Mölzer ist angetreten, für ewige Werte zu streiten
– und dazu zählt, merkwürdig genug für einen Mann des nationalen Lagers,
auch das Glaubensdogma katholischer Traditionalisten. „Alles zerstören,
was heilig ist“, zeterte unlängst eine Schlagzeile zur österreichischen
Kirchenkrise. Daher drohe „neues Heidentum“. Ganz darf man Andreas
Mölzer allerdings nicht trauen, daß er tatsächlich auch stets über den
Augenblick hinaus meint, was er griffig zu formulieren weiß. Sein
Anachronismus hat Methode. „Man muß sich gelegentlich den Luxus
leisten“, schmunzelt er, „einen verlorenen Posten zu verteidigen.“
JOACHIM RIEDL
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