SS-Malloth:
Der Mann muss vor Gericht gestellt werden
Die Zeiten, als Anton Malloth noch der »schöne Toni« war, sind längst
vorbei. Mittlerweile ist er 85 und lebt in einem Altenheim in Pullach,
München. In der Tasche hat er einen deutschen Paß, und die Heimkosten werden
vom Sozialamt gezahlt.
Das ist praktisch, so kann er die Einnahmen aus der Vermietung eines
Mehrfamilienhauses in Meran anderweitig verwenden. Sich z.B. dankbar zeigen
gegenüber der »Stillen Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte e.V.«, die
sich, vertreten durch Frau Gudrun Burwitz, so rührend um ihn kümmert. Frau
Burwitz ist die Tochter des Reichsführers SS Heinrich Himmler. Und die
»Stille Hilfe« kümmert sich um NS-Verbrecher. Solche wie Anton Malloth.
Damals, als er noch der »schöne Toni« und
SS-Oberscharführer im Gestapo-Gefängnis »Kleine Festung Theresienstadt«
in der Nähe von Prag war, galt Malloth als einer der grausamsten und
gefürchtetsten Aufseher. Zahlreiche Häftlinge wurden von ihm gefoltert
und zu Tode gequält. Nach Kriegsende, am 24. September 1948, wurde er
dafür vom I.Senat des Außerordentlichen Volksgerichts in Litomerice
(CSR) zum Tode verurteilt. Aber da hatte er sich längst abgesetzt,
Richtung Westen.
Vierzig Jahre lebte Malloth unbehelligt in Meran.
Verstecken mußte er sich nicht, obwohl er auf der Fahndungsliste
der UN-Kommission für Kriegsverbrechen (UNWCC) stand. Selbst
als er in der Via Petrarca 30 ein Haus baute, fiel niemandem seine
Anwesenheit auf. Als die tschechische Regierung 1971 einen
Auslieferungsantrag stellte, bekam sie zur Anwort, gegen Anton
Malloth bestehe ein ständiges Einreiseverbot für Italien. Ob der
Gesuchte sich vielleicht dennoch im Lande aufhielt, wurde nicht geprüft.
Erst 1988 wies die italienische Regierung Malloth aus - und ließ ihn,
wegen drohender Verhaftung in Österreich, per Flugzeug nach München
bringen. Hier lebt er seitdem, ebenso unbehelligt wie vorher, in
besagtem Altenheim in Pullach. Eine Auslieferung an Tschechien? Kommt
für die Behörden nicht in Frage, schließlich besitzt Malloth einen
deutschen Paß.
Wie kommt der Mann an
den Paß?
Geboren wurde Malloth 1912 in Innsbruck als
Österreicher. Aufgewachsen ist er in Schenna bei Meran, Südtirol. 1918
wurde der Erstkläßler zusammen mit Südtirol italienisch. Als Hitler 1938
Österreich »anschloß«, hätte er gern auch Südtirol »heim ins Reich«
geholt. Um Ärger mit dem verbündeten Diktator Mussolini zu vermeiden,
begnügte er sich jedoch damit, daß die Südtiroler ihre
Staatsangehörigkeit wählen konnten. Malloth »optierte« für Deutschland
und meldete sich zur SS. Nach der »Ausbildung« in Innsbruck kam er nach
Prag. 1949 widerrief er die Option und erlangte dadurch wieder die
italienische Staatsbürgerschaft. 1956 wurde ihm diese wegen seiner
Nazi-Vergangenheit allerdings wieder abgesprochen. Anstandslos erhielt
Malloth daraufhin vom westdeutschen Generalkonsulat in Mailand einen
Heimatschein, später einen westdeutschen Paß, der mehrmals verlängert
wurde. Nach Malloths Ausweisung aus Italien akzeptierte das KVR
München (Kreisverwaltungsreferat) den verurteilten und international
gesuchten Verbrecher ohne weiteres als deutschen Staatsbürger mit allen
entsprechenden Rechten - inklusive Schutz vor Auslieferung. Malloths
Widerruf von 1949 sei völkerrechtlich unerheblich gewesen, hieß es. Er
habe seine deutsche Staatsangehörigkeit dadurch nicht verloren.
Kein hinreichender
Tatverdacht
Während Malloth nach wie vor auf der
Kriegsverbrecherliste der UNO zur Fahndung ausgeschrieben ist, stellte
die »Zentralstelle für die Bearbeitung von
nationalsozialistischen Massenverbrechen bei der Staatsanwaltschaft
Dortmund« das Ermittlungsverfahren, das hier seit 1970 anhängig
ist, bereits mehrmals ein: »Kein hinreichender Tatverdacht«. Es ist
dieselbe Stelle, die es in den 60er Jahren nicht schaffte, belastendes
Material gegen den Massenmörder Priebke aus dem Italienischen ins
Deutsche übersetzen zu lassen, und ebenfalls die Ermittlungen
einstellte.
Das skandalöse Verhalten der Dortmunder
Staatsanwaltschaft im Fall Malloth wird ausführlich in dem Buch »Haus
Deutschland oder Die Geschichte eines ungesühnten Mordes« von
Peter Finkelgruen beschrieben. Finkelgruen, dessen Großvater in
Theresienstadt von Malloth erschlagen wurde, recherchierte selbst und
lieferte der Zentralstelle Material. Das war offensichtlich unerwünscht.
Schließlich mußte das Verfahren aber doch wiederaufgenommen werden. Mit
der Auswertung von Dokumenten aus Archiven in Prag und der Gedenkstätte
Theresienstadt haben es die Dortmunder Staatsanwälte jedoch nicht eilig.
Alles brauche seine Zeit, sagt Oberstaatsanwalt Klaus Schacht; vieles
müsse erst einmal übersetzt werden ...
Kürzlich startete die Grünen-Abgeordnete Annelie
Buntenbach im Bundestag eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung wegen
Malloth. Und im Münchner Landtag wartet Sophie Rieger, ebenfalls Bündnis
90/Die Grünen, auf eine Antwort der bayerischen Staatsregierung. Rieger:
»Da erhält ein rechtskräftig verurteilter Kriegsverbrecher die
deutsche Staatsangehörigkeit, die er 1949 aus Angst vor Verfolgung
abgelegt hat, und verbringt auf Staatskosten einen ruhigen Lebensabend.
Und die bayerischen Behörden, die die Hintergründe des Falles kennen,
sehen zu und schweigen.«
Versöhnung mit
NS-Verbrechern?
In der tschechischen Presse fanden die Anfragen von
Frau Rieger und Frau Buntenbach erhebliche Aufmerksamkeit. Innenminister
Jan Ruml und Senatsvorsitzender Petr Pithart, dessen Vater Häftling in
Theresienstadt war, forderten, Malloth vor Gericht zu stellen und -
unabhängig von der Haftfähigkeit des 85jährigen - seine Schuld
festzustellen.
Vielen Tschechen, die sich schon im
Zusammenhang mit der deutsch-tschechischen Erklärung fragten, was man in
Bonn und München meint, wenn man »Versöhnung« sagt, gibt der »Fall
Malloth« erneut zu denken: Was haben wir von einer deutschen Politik zu
erwarten, die von uns unerhörte Zugeständnisse verlangt, aber selbst
nicht bereit ist, eindeutig gegen die Verbrechen der Nazis Stellung zu
beziehen - weder gegen das Münchner Diktat von 1938 und die
anschließende Annexion der tschechischen Grenzgebiete (»Sudetenland«)
durch Hitler-Deutschland, noch gegen die Verbrechen derer, die nach der
Eroberung der »Rest-Tschechei« das Land mit Mord und Terror überzogen?!
Und was denken Sie?
MAXIM - Setkání - Gesellschaft für
tschechisch-deutsche Begegnung - VVN-Bund der Antifaschisten München -
Antifaschistische Nachrichten |