Behörden sehen wachsende Gefahr:
Rechtsextreme unterwandern die Bundeswehr
- NPD klagt für Mitglieder den Dienst an der Waffe ein / Die Partei
will notfalls auch Karlsruhe anrufen
- Baden-Württembergs Verfassungsschutz beschuldigt Generäle, enge
Kontakte zu Radikalen zu unterhalten
ub. Bonn (Eigener Bericht) – Die Bundeswehr ist verstärkt
das Ziel rechtsextremistischer Unterwanderungsversuche. Die radikale
Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) will bis zum
Bundesverfassungsgericht gehen, um die Aufnahme einiger ihrer von der
Bundeswehr abgelehnter Jungfunktionäre in die Streitkräfte zu erzwingen.
Zwei kürzlich pensionierten Generälen ist vom Verfassungsschutz vorgeworfen
worden, enge Beziehungen zur rechten Szene gepflegt zu haben. Zu einem
Fernsehbericht darüber erklärte am Sonntag das Verteidigungsministerium in
Bonn, die öffentliche Diskussion helfe der Bundeswehr, weil dabei deutlich
werde, wie entschlossen gegen Versuche der Unterwanderung durch
Rechtsextremisten vorgegangen werde.
In den ARD-Tagesthemen war am Samstag dargestellt
worden, wie Rechtsextreme systematisch die Bundeswehr unterwandern. In
der Sendung wurde berichtet, daß sich Rechtsradikale bewußt bei der
Bundeswehr meldeten, um an der Waffe ausgebildet zu werden. Abgewiesene
Jungfunktionäre der NPD wollen klagen. Seit Dezember ist die Klage eines
Augsburger NPD-Mitglieds gegen seine Entlassgung aus dem Grundwehrdienst
anhängig. Sieben weitere Klagen sollen geplant sein.
Ein Funktionär der Jugendorganisation der NPD sagte im
ARD-Bericht: „Wir gehen den Weg durch die Gerichte. Wir versuchen mit
aller Gewalt – notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht –
durchzusetzen, daß niemand wegen seiner politischen Gesinnung, niemand
wegen seiner politischen Überzeugung aus dem Bundeswehrdienst
ferngehalten werden kann.“ Die NPD strebe einen politischen Prozeß an,
hieß es in der ARD-Sendung. Mit dem gezielten Hineindrängen von
Rechtsextremisten in die deutschen Streitkräfte und der damit
verbundenen militärischen Ausbildung könnte laut dem
baden-württembergischen Verfassungsschutz die Gefahr
rechtsterroristischer Anschläge steigen.
„Hochexplosive Mischung“
Ein Verfassungsschützer berichtete in der
Sendung von zwei inzwischen pensionierten Generälen, die enge Kontakte
zur rechtsextremistischen Szene unterhalten hätten. Sie sollen bei
Veranstaltungen rechtsextremistischer Kulturveranstaltungen aufgetreten
beziehungsweise für die der rechtsextremistischen Szene nahestehenden
Zeitung Junge Freiheit gearbeitet haben. Gleichzeitig sammeln sich nach
neuesten Erkenntnissen des Staats- und Verfassungsschutzes zunehmend
auch Gewaltbereite aus verbotenen Vereinigungen unter dem Dach der
legalen NPD. Sollten sie bei der Bundeswehr eine Ausbildung an der Waffe
enthalten, wäre das nach Ansicht von Verfassungsschützern eine
„hochexplosive Mischung“.
Das Verteidigungsministerium reagierte auf die
Erkenntnisse mit einer ungewöhnlichen Erklärung. „Wir begrüßen
es ausdrücklich, daß diese Diskussion öffentlich geführt wird“,
hieß es. Dabei werde nämlich deutlich, wie klar und entschlossen die
Bundeswehr gegen mögliche Versuche rechtsradikaler Unterwanderung
vorgehe. Darüber hinaus werde durch eine breite öffentliche Diskussion
auch die Unterstützung der Gesellschaft für die Bemühungen der
Streitkräfte deutlich. Die Bundeswehr tue alles, um rechtsextremes und
fremdenfeindliches Gedankengut aus den Streitkräften herauszuhalten,
wird betont. Dies gelte insbesondere bei offenkundigen Versuchen rechter
Parteien, die Bundeswehr für ihre Propagandazwecke auszunutzen.
Beispielsweise sei dies bei den NPD-Jungfunktionären, die abgelehnt
worden seien, der Fall gewesen. Bei der Abwehr extremer Kräfte nutze die
Bundeswehr alle ihr zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mittel.
Die NPD wird nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes
besonders in Ostdeutschland zum Sammelbecken für Jungnazis. Nach den
zahlreichen Verboten rechtsextremer Vereinigungen diene die Partei „als
Schutzschild“ vor den Zugriffen des Staates, zitierte das
Nachrichtenmagazin Der Spiegel einen Verfassungsschützer. Erstmals
bekomme die unter Rechtsextremisten eher als altbacken eingeschätzte
Partei wieder Zulauf von Mitgliedern insbesondere im Alter zwischen 18
und 25 Jahren. Allein in Sachsen zähle die NPD bereits mehr als tausend
Mitglieder.
Anfang des Jahres registrierten die Ämter
für Verfassungsschutz laut Spiegel bundesweit 7500 Neonazis, die sich
für Anschläge auf Asylheime oder jüdische Einrichtungen aussprachen.
Ende 1994 waren es 5400.
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