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"Mäßigung" ist vorbei:
Der Front National im Umbruch

Marine Le Pen bemüht sich um Integrationsfähigkeit nach Rechtsaußen - und bereitet sich auf die Übernahme der Parteispitze vor

Von Bernard Schmid, Paris

Ein schweres Geschäft ist es, das Bemühen, für alle wichtigen Fraktionen und Strömungen anschlussfähig zu bleiben. Oder es zu werden. Diese Erfahrung muss Marine Le Pen, die Anwärterin auf den Chefposten beim französischen rechtsextremen Front National (FN), derzeit machen. Was tut man nicht alles dafür, Anschluss- und Anpassungsfähigkeit zu demonstrieren?

Im Juni dieses Jahres musste die 40jährige so etwa eine "Sonnenwendfeier" bei neuheidnisch orientierten Rechtsradikalen mitmachen. "Reichlich unpassend" habe ihre Anwesenheit dort gewirkt, berichtete freilich ein Augenzeuge später der linksliberalen Tageszeitung Libération. Alle ideologiepolitischen Hobbys, denen so manche "durchgeknallt" wirkende Unterströmung nachgeht, kann man eben auch nicht mögen.

Ursprünglich war Marine Le Pen eher eine Integrationsfigur der extremen Rechten gegenüber der bürgerlichen, konservativ-liberalen Öffentlichkeit. Seitdem ihr unbestreitbares Talent im Umgang mit den Medien im Frühjahr 2002 - in jenem Wahlkampf, in dessen Verlauf ihrem Vater Jean-Marie Le Pen völlig überraschend der Einzug in die Stichwahl zur französischen Präsidentschaft gelungen war - plötzlich "entdeckt" wurde, bestand ihre Rolle hauptsächlich darin, "Mäßigung" und "Modernisierung" zu demonstrieren.

Mal verärgerte sie den katholisch-fundamentalistischen Parteiflügel und seine fanatischen Abtreibungsgegner, indem sie betonte, gegen ein gesetzliches Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen einzutreten. Stattdessen mache sie sich für staatliche Maßnahmen zur "Geburtenförderung" in französischen Familien - echt französischen, also die Immigrantenfamilien nicht mitgezählt - stark. Mal wiederum verscherzte sie es sich mit den militanten Stiefelfaschisten, indem sie in einem Interview mit der Regenbogenzeitschrift VSD (im Februar 2003) befand, in diesem Spektrum habe man "ganz kleine Gehirne und olivgrüne Klamotten." Und die Nationalrevolutionäre innerhalb des, ideologisch heterogenen, rechtsextremen Spektrums mochten ihre ersten außenpolitischen Stellungnahmen mitnichten.

Marine Le Pen schien zunächst eher solche pro-amerikanischen und philosemitischen Haltungen einzunehmen, wie sie in der französischen extremen Rechten noch in den achtziger Jahren dominierten - die jedoch nach 1989 (und dem Ende des Kalten Krieges sowie der "bipolaren Weltordnung") zunehmend zugunsten einer rechtsextremen Radikalopposition gegen den "globalisierten" liberalen Kapitalismus ad acta gelegt wurden. Vom 20. bis 26. Oktober 2003 etwa weilte Marine Le Pen auf Einladung eines Frauenclubs der Republikanischen Partei der USA in New York und Washington. Mehrfach bemühte sie sich (allerdings vergeblich) darum, mit einer Delegation des Europaparlaments nach Israel eingeladen zu werden. Dadurch unterstützte sie de facto - wenn auch implizit - eher jenen Teil der extremen Rechten, der dem konservativ-liberalen Bürgerblock am nächsten steht und potenziell Bündnissen mit ihm offensteht. Dieses Segment ist jedoch innerhalb des Front National geschrumpft, weil gerade die Wähler aus diesem Sektor ihm seit dem vergangenen Jahr tendenziell eher den Rücken gekehrt haben, und von dem Konservativen Nicolas Sarkozy erfolgreich umworben wurden.

Von wegen "moderat"...

"Gemäßigt" war gestern: Heute muss Marine Le Pen sich darum bemühen, an alle Strömungen innerhalb des rechtsextremen Konglomerats zu appellieren und ihre Positionen einzubeziehen. Jüngst wurde bekannt, dass zu ihrer Unterstützung ein neuer Fanclub unter dem Namen "Association Energie Bleu Marine" (ungefähr: Vereinigung himmelblaue Energie) gegründet worden ist. Den Vorsitz hat seit Anfang Oktober ein gewisser Robert Ottaviani inne, der bislang eher als Chef einer aus offenen Neonazis bestehenden Rockgruppe bekannt geworden war. Als Sänger der Band namens Ultime Assaut (Letzter Sturm) in den neunziger Jahren war Ottaviani im Neonazimilieu prominent, war aber zugleich Mitglied der Parteijugendorganisation FNJ (Nationale Front der Jugend). Später hatte er zeitweise der 1999 vom FN abgespaltenen Partei Bruno Mégrets, dem Mouvement National Républicain (MNR, Nationale und republikanische Bewegung), angehört. Nun hat er zur Hauptpartei der extremen Rechten, dem Front National, zurückgefunden. Aus diesem Anlass wurden Videos publik, auf denen Ottavianis frühere Band mit Filmaufnahmen der LVF (Legion der französischen Freiwilligen gegen den Bolschewismus), die ab 1941 an der Seite der SS an der Ostfront kämpfte, für sich warb.

Allen Teilen der extremen Rechten muss eben etwas geboten werden. Besonders seitdem es für Marine Le Pen allmählich nun wirklich ernst damit wird, ihren Aufstieg an die Spitze der Partei vorzubereiten. Denn ihr Vater, Jean-Marie Le Pen, der den FN seit seiner Gründung im Oktober 1972 bislang ununterbrochen als "Präsident" anführte, hat Anfang September d.J. erstmals explizit seinen Rückzug aus der aktiven Politik angekündigt.

All dies bedeutet freilich nicht, dass alle Brücken zur bürgerlichen Rechten total abgebrochen seien, auch wenn eine offizielle Allianz mit konservativen und liberalen Kräften momentan schwer denkbar erscheint - abgesehen wohl von der Hypothese einer gravierenden Zuspitzung der wirtschaftlichen Krisenphänomene. Am 4. September dieses Jahres, so berichtete es das rechte Wochenmagazin Valeurs actuelles, nahmen Jean-Marie Le Pen und Marine Le Pen im Pariser Invalidendom an der Beerdigung des früheren konservativen Politikers Alain Griotteray teil. Er war lange Zeit der wärmste Befürworter von Bündnissen mit dem FN in den Reihen des liberal-konservativen Parteienbündnisses UDF. Anlässlich der Beerdingungsfeier unterhielt Jean-Marie Le Pen sich "lange und ausführlich", so der Artikel des rechten Wochenmagazins, mit dem früheren Wirtschaftsminister Alain Madelin. Und dessen langjähriger Kumpan Gérard Longuet, früher Regionalpräsident in Lothringen und heute Senator, also Mitglied des parlamentarischen Oberhauses in Paris, sagte zu Marine Le Pen folgende Worte: "Bitte bestell’ Deinem Vater, dass ich ihn sehr mag." Longuet ist Vizepräsident des wirtschaftsliberalen Hardlinerflügels der Regierungspartei UMP, genannt "Les Réformateurs".

Nähere Aussichten

Marine Le Pen wird, in näherer oder fernerer Zukunft, von ihrem Vater eine in der Krise steckende rechtsextreme Partei übernehmen. Aufgrund schlechter Wahlergebnisse im vergangenen Jahr steht es um die Finanzen des FN momentan sehr schlecht: Die Höhe der staatlichen Parteienfinanzierung richtet sich an den jeweils letzten Resultaten einer politischen Partei bei einer Parlamentswahl aus. Vorübergehend war der Front National in diesem Jahr sogar aufgrund seiner Überschuldung unfähig, seinen laufenden Ausgaben und Verpflichtungen nachzukommen. Dies führte zu einer Entlassungswelle unter den verbliebenen Hauptamtlichen, die jedoch den treffenden Anlass bot, um mit in Ungnade gefallenen Beschäftigten - seien es politische Gegner der wahrscheinlichen künftigen "Chefin" oder auch persönlichen Widersachern, wie Marine Le Pens Ex-Ehemann Eric Iorio - abzurechnen und sie ohne Umstände zu feuern. Innerparteiliche Kritiker bemängeln gar eine Säuberungswelle…

Derzeit ist die rechtsextreme Partei noch finanziell klamm. Erst im Oktober 2008 führte die Parteispitze eine "finanzielle Solidaritäts"kampagne durch, um Mitglieder, Anhänger und Sympathisanten anzupumpen. In absehbarer Zeit wird sich die finanzielle Lage jedoch wieder erheblich aufbessern, da der FN dabei ist, seinen früheren Parteisitz im Pariser Nobelvorort Saint-Cloud - der bei schrumpfendem Personal ohnehin zu groß geworden ist - zu verkaufen. An ihm ist eine chinesische Universität aus Schanghai als mutmaßliche Käuferin interessiert. Schon im Frühsommer 2008 zog der FN in kleinere Räumlichkeiten in der; weniger noblen, Vorstadt Nanterre um. Auch wenn dort relativ massive Gegendemonstrationen gegen seine Ankunft stattfanden, kam ihm der Umzug zupass, konnte er doch dadurch erhebliche Ausgaben sparen.

Auch auf politischer Ebene dürfte sich der Front National, trotz schwerer innerparteilicher Krise, künftig "erholen". Diese Krise hängt mit offenen strategischen Fragen -- Annäherung an konservative Kräfte oder sozialdemagogisch unterfütterte "Fundamentalopposition"?, reine Orientierung auf weiße Mittelklassen oder (implizite) Bündnisse auch mit Rassisten und Antisemiten in "ethnischen Minderheiten"? – zusammen, sowie mit der (zumindest offiziell) noch ungelösten Nachfolgeproblematik. Darauf wird es so schnell freilich keine "definitive" Antwort geben. Aber, ein wichtiger Faktor für den FN!, die beiden wichtigsten unter seinen "Spaltprodukten" (also von ihm abgespalteten Gruppierungen) stehen ihrerseits inzwischen am Abgrund. Und scheinen mittelfristig sogar in ihrer Existenz bedroht.

Denn der MNR unter dem früheren Chefideologen Jean-Marie Le Pens, Bruno Mégret, hat erst im September 08 einen Großteil der bisherigen Parteiführung wegen "Verrats" abgesetzt. Eine Mehrheit unter den vormaligen Führungsmitgliedern war in Verhandlungen mit der Umgebung Marine Le Pens über eine (Wieder-)Annäherung an die frühere "Mutterpartei" verwickelt. Auf die Dauer dürfte die Mégret-Partei sich spalten: Ein Teil wird, mit der von Ex-Generalsekretär Nicolas Bay angeführten Plattform Convergences nationales (Konvergierende nationale Kräfte), an die Seite Marine Le Pens rücken. Ein anderer Flügel wird immer näher mit der stiefelfaschistischen, außerparlamentarischen Aktivistengruppe des Bloc identitaire zusammenarbeiten.

Auch die Sammelbewegung NDP ("Neue Rechte der kleinen Leute"), die erst am 1. Juni dieses Jahres gegründet worden war, hat sich an der Spitze bereits wieder gespalten. Aufgrund gravierender ideologischer Divergenzen schloss sie ihren bisherigen Generalsekretär Jean-François Touzé, der den Positionen der US-Republikaner oder ihnen ähnlichen Standpunkten anhängt, im September aus. Derzeit sieht es so aus, als friste sie vorläufig ein Schattendasein ähnlich dem der Sammelbewegung, die 1990/91 aus der damaligen Krise der deutschen "Republikaner" (REPs) hervorging und ehemalige REPs sowie frühere NPD-Kader zusammenführte. Es handelte sich um die "Deutsche Liga für Volk und Heimat", die eine neue Sammlung hätte einläuten sollen. Sie kam jedoch nie über ein Splittergruppendasein hinaus – jedenfalls außerhalb Kölns, wo ihre Ortsgruppe Jahre später in der (inzwischen prominenten) "Bürgerbewegung Pro Köln" aufging. Auch Letztere ist eher ein Looserverein, aber dies ist ein anderes Kapitel...

"Dissidenten" beim Front National:
Konkurrierende rechtsextreme Listen in allen Regionen?

Ein ziemliches Chaos hat bei der selbsternannten "Partei der Ordnung" Einzug gehalten. Während die politischen Parteien allmählich mit der Vorbereitung der kommenden Europaparlamentswahlen im Juni 2009 beginnen, ist der rechtsextreme Front National nicht wirklich "in Marschordnung" aufgestellt.

hagalil.com 17-11-2008

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