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Deutsche Kultur und deutsches Geistesleben, deutsche Wissenschaft und
deutsches Denken. Was ist das eigentlich? Oder was wäre es, ohne Mitgestalter
wie Freud, Einstein, Kafka. Marx, Luxemburg, Lasalle. Eisner. Ballin, Ehrlich,
Steiner, Heine, Mendelsohn, Buber, Reich, Adler, Perls, Strauß, Weil, Goll,
Granach, Tauber, Liebermann, Haber, Rosenthal, Döblin, Tucholsky, Zweig,
Zuckmeyer....
Und trotzdem, wer weiß heute, dass der Freistaat Bayern von Kurt Eisner,
einem jüdischen unabhängigen Sozialdemokraten ausgerufen wurde. Oder dass zur
gleichen Zeit der jüdische Reeder Albert Ballin Selbstmord beging, da ihn die
Trauer um Deutschlands Niederlage im Ersten Weltkrieg übermannte.
So tief war die Identifikation vieler Juden mit ihrem deutschen Vaterland,
dass Deutschlands Wohl und Wehe ihr eigenes war. Und heute? Heute kann sich kaum
mehr jemand vorstellen, dass Jude und Deutschsein einmal eines sein konnte.
"Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin, ein Märchen
aus uralten Zeiten, das geht mir nicht aus dem Sinn", so beginnt Heinrich Heines
Loreley, eines der schönsten und bekanntesten deutschen Lieder. Da Heines Werke
von den Nazis verboten wurde, das Lied aber unverzichtbar war, schrieben sie in
die Fibeln: Verfasser unbekannt, deutsches Liedgut.
Heines Bücher warfen sie in die Flammen und bald bewahrheitete sich, was er
hundert Jahre zuvor geschrieben hatte: "Wo man Bücher verbrennt, verbrennt man
am Ende auch Menschen"
Von Heine, dessen "Deutschland - ein Wintermärchen" mit der Zeile beginnt:
"Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht"...,
stammt noch eine andere, nicht weniger düstere Prophezeiung: "Das Christentum -
und das ist sein schönstes Verdienst - hat jene brutale, germanische Kampflust
einigermaßen besänftigt, konnte sie jedoch nicht zerstören, und wenn einst der
zähmende Talisman, das Kreuz, zerbricht, dann rasselt wieder empor die Wildheit
der alten Kämpfer, die unsinnige Berserkerwut, worin die nordischen Dichter
soviel singen und sagen... Es wird ein Stück aufgeführt werden in Deutschland,
wogegen die Französische Revolution nur wie eine harmlose Idylle erscheinen
möchte."
Und doch: "Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf
gebracht. Ich kann nicht mehr die Augen schließen und meine heißen Tränen
fließen".
Später kam Freud in einer anderen Analyse zu ganz ähnlichem Schlussfolgerung:
Die tieferen Wurzeln des Judenhasses wirken, seiner meinung nach aus dem
"Unbewussten der Völker". Er erkannte, dass gerade jene Völker, die erst später,
und oft unter Zwang, zum Christentum bekehrt worden waren, umso anfälliger für
den Juden hass waren.
"Man könnte sagen", so Freud, "sie sind alle ,schlecht getauft'". Unter der
dünnen Tünche von Christentum sind sie geblieben, was ihre Ahnen waren, die
einem barbarischen Götzendienst huldigten. Sie haben den Groll gegen die neue,
ihnen aufgedrängte Religion nicht überwunden, aber sie haben sie auf die Quelle
verschoben, von der das Christentum zu ihnen kam."
1) In Heines: Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland (1834)
2) In Sigmund Freuds: "Der Mann Moses und die monotheistische Religion"
Die genaue Beobachtung und Analyse der Welt und der Gesellschaft in der sie
lebten war überlebenswichtig und vielleicht erklären sich damit viele der
herausragenden Erkenntnisse und Leistungen, die heute Teil der deutschen Kultur
und Geisteswelt sind, die auch in der Welt maßgeblich zu Ruhm und Ansehen der
deutschen Wissenschaft beitragen, viele Jahre nachdem die Träger der
deutsch-jüdischen Kultur ermordet oder vertrieben, entwurzelt und verstummt
sind.
Auf Gedenkveranstaltungen wird gerne von der deutsch-jüdischen Symbiose
gesprochen. Dass es diese nie gab, dass es vielmehr ein deutsch-jüdisches
Selbstgespräch war, schrieb einmal Gerhard-Gershom Sholem, der an der
Hebräischen Universität zu Jerusalem dem Studium der Kabalah zu akademischer
Ehre verhalf.
War es nur ein Selbstgespräch? Haben die Deutschen in ihrer nichtjüdischen
Mehrheit garnichts verstanden. Gab es den Dialog nicht, um den sich Martin
Buber, ein Kollege Sholems, auch nach der Schoah so bemühte.
Wenn man heute die deutsche Gedenkkultur betrachtet, muss man Sholem
bestätigen. Es wird gedacht, pflichtbewusst und gründlich. Pünktlich zu den
vorgeschriebenen Daten. Am 28. Januar, am 9. November, vorausgesetzt man hat
nicht wichtigere Termine wahrzunehmen.
Man gedenkt, denn in Anbetracht eines Berges von Millionen verkrümmter
Leichen gehört sich das schon aus Anstand. Und anständig ist man in Deutschland,
selbst beim Aufstand.
Aber Trauer stellt sich selten ein. Auch nicht Sehnsucht. Mit dem Schmerz um
das Verlorengegangene sind die Juden alleine, denn nur sie wissen was war, bevor
die Toten tot waren und was zu denken möglich war bevor die Zurückgekommenen
verstummten.
Man kennt sieht in Deutschland nur noch die toten Juden, man respektiert sie
und pflegt ihre Gräber und da die meisten garkeine haben baut man in zentralker
Citylage ein Mahnmal und ist stolz auf dessen Größe, dabei st es anbetracht des
Elends wie nichts.
Von diesem Gedenkkult, bei sich meist die Deutschen, heute oft die
nichtjüdischen Deutschen gennatt, feiern diese sich gerne selbst. Sie bleiben
auch gerne unter sich, wenn es darum geht die Prozedur zu besprechen. Zelebriert
wird der Anstand, der deutsche Anstand und die Juden brauchts dazu eigentlich
nicht, denn die sind als Opfer doch eh anständig. Ihre Teilnahme am staatlich
ausgerufenen Aufstand der Anständigen wäre also reinste Geldverschwendung.
Und wenn die Steelen an der Kranzabwurfstelle am Brandenburgertor auf Wunsch
der jüdischen Beiräte im Gedenkstättengremium lieber nicht durch einen Lack aus
DeGuSSA-Produktion gegen die Besudelung mit Hassparolen imprägniert werden soll,
dann überstimmt man die Pro-Forma Juden nicht etwas, sondern beschließt einfach
ohne Abstimmung, denn Überstimmen will man die liebe Minderheit eben doch nicht,
das kann man der haushohen Mehrheit dann doch nicht zumuten. So viel
Feinfühligkeit ist dann doch möglich, denn es geht um die Befindlichkeiten der
Leitkulturellen, und das sind nunmal die Nichtjuden, und so werden sogar die
"Zehn Gebote", die Mosche Rabenu am Sinaj direkt vom Kadosch Barukh hu bekam zu
den christlichen zehn Geboten weswegen man bei Wertedebatten im
Bundesfamilienministrium auch gut und gerne auf nicht-christliche Beteiligung
verzichten kann und auch lästige Proteste des Zentralrats der Juden in
Deutschland, souverän abwimmeln kann.
Solche Beispiele könnten noch en masse aufgezählt werden und die meisten der
nicht-jüdischen Mitbürger würden gar nicht verstehen, wovon überhaupt die Rede
ist. Wird nicht genug gedacht? Gibt es nicht genug Gedenkfeiern? Wird nicht
ausreichend über den Holocaust berichtet? Wird das Thema Nationalsozialismus im
Unterreicht nicht ausführlich behandelt?
Auf die Antwort: Nehmen wir mal an, es wäre genug, was wäre dann? Was haben
die Juden mit dem Nationalsozialismus zu tun? Ist der Holocaust eine jüdische
Errungenschaft? Was ist es, das die Toten so verfügbar macht, während man die
Lebenden so scheut. Selbst die Toten, als sie noch lebten.
Es ist keine Trauer, es ist eine Pflichtübung. Und vor lauter
Pflichtbewusstsein wird jedes Gefühl unterdrückt. Was nicht von Herzen kommt,
wird nicht herzlich erwidert und so müssen sich die Juden den Vorwurf des
Undanks gefallen lassen. Bis zu Zvi Rex, einem israelischen Psychoanalytiker,
der schrieb, die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen, ist es dann
nicht mehr weit.
Auf er anderen Seite steht aber ein ganz anderes Phänomen. Wie groß muss die
Liebe zu Deutschland gewesen sein, die Sehnsucht nach Heimat, der Traum von
Geborgenheit, vom Dazugehören, dass man sich so täuschen konnte.
Wie konnte ein Mann wie Sigmund Freud, der fast sein ganzes Leben der Analyse
des Unbewussten, der Erforschung der Abgründe der Seele des Menschen, der
Gefühle der Massen und des Einzelnen widmete, so blind sein, um nicht zu
erkennen, was sich um ihn herum zusammenbraute. Noch dazu, da er in Wien saß und
zu den Schrecken im Nachbarland doch immerhin eine kritische Distanz waren
konnte. Wie konnte er, der die Mechanismen der Verdrängung beschrieb, so lange
warten?
War es der unbedingte Wunsch nach Akzeptanz und Zugehörigkeit, als ein Teil
des Ganzen, also als ein Teil jener Kultur, zu der man so enthusiastisch und
großzügig beigetragen hatte? War die Angst vor Zurückweisung und Enttäuschung so
groß, dass selbst Freud lieber verdrängte anstatt zu begreifen, welcher Hass
sich hier Bahn brach.
Der Reeder Albert Ballin versuchte vor dem Ersten Weltkrieg
vergeblich, durch seine Kontakte das Wettrüsten zu verhindern und einen
deutsch-englischen Ausgleich zu erreichen. Hierzu führte er unter anderem
Gespräche mit dem deutschen Kaiser und dem englischen Bankier Sir Ernest Cassel.
Aufgrund der deutschen Flottenpolitik scheiterten seine Bemühungen und seine
Befürchtungen bewahrheiteten sich. Während des Krieges versuchte er, seine
Kontakte zu nutzen, um die USA vom Eintritt in den Krieg abzuhalten und Wilhelm
II. zum Verzicht auf den uneingeschränkten U-Boot-Krieg zu bewegen. Beides
scheiterte.
Auf Wunsch der Obersten Heeresleitung sollte er am Ende des Krieges als integre
Person mit England die Friedensgespräche führen, was er tat. Während der Wirren
des Kriegsendes 1918, als das Ausmaß von Deutschlands Niederlage offensichtlich
wurde und sein Kaiser abgedankt hatte, sah er sein Lebenswerk zerstört. Er
setzte seinem Leben am 9.11.1918 mit Gift ein Ende.
In Hamburg wurde ein 1923 errichtetes Kontorhaus nach ihm benannt. Seit 1938
heißt dieses jedoch Meßberghof. Ballin war als Namensträger wegen seiner
jüdischen Abstammung unter NS-Herrschaft nicht länger geduldet. Der ehemalige
Eigentümer, ein Unternehmen der Deutschen Bank, erklärte 1997 zwar auf Drängen
seine Absicht, dem Gebäude seinen alten Namen wiederzugeben, doch ist dies
bislang, über zehn Jahre später, noch immer nicht geschehen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Ballin
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