Europäische Presseschau:
Gefangenenaustausch in Nahost
Israel und die libanesische Schiitenorganisation Hisbollah haben einen
Gefangenenaustausch ausgehandelt: Die Leichen zweier israelischer Soldaten,
deren Entführung vor zwei Jahren einen Krieg zwischen den beiden Staaten
ausgelöst hatte, wurden gegen die sterblichen Überreste von 200 Libanesen
eingetauscht. Außerdem wurden fünf Hisbollah-Kämpfer, darunter der Terrorist
Samir Kuntar, freigelassen.
Die europäische Presse diskutiert über die
Folgen für die krisengeschüttelte Region.
Tagesanzeiger - Schweiz
Wenn lebende Terroristen gegen tote Soldaten getauscht werden, gehört die
Hisbollah eindeutig zu den Gewinnern, schreibt Der Tagesanzeiger: "Unter dem
Druck von Angehörigen, der Öffentlichkeit und des eigenen Versagens hat die
israelische Regierung von Ehud Olmert diesem Tausch zugestimmt. Viel für
sich herausschlagen kann sie allerdings nicht. Zu offensichtlich gehört vor
allem die andere Seite zu den Profiteuren, die selbst einen gewöhnlichen
Verbrecher als Helden in Empfang nehmen darf. ... Die Regierung Olmert ...
wird über den heutigen Tag hinaus keinen politischen Gewinn verbuchen. Sie
muss sich fragen lassen, weshalb sie sich nicht auf denselben Deal um
Gefangene mit der Hamas einlässt, um [den israelischen Soldaten] Gilad
Shalit freizubekommen. Die Hamas wird sogar versucht sein, den Preis noch
höher zu schrauben. Weil sich beide Seiten auf einem Markt bewegen, auf dem
Häftlinge nicht Subjekte rechtsstaatlicher Verfahren sind, sondern einfach
Handelsware." (16.07.2008)
» zum ganzen Artikel (externer Link, deutsch)
La Razón - Spanien
"Die Terroristen-Organisation Hisbollah hat gestern einen großen
Propaganda-Sieg eingefahren, indem sie einen ihrer blutigsten Anführer gegen
die Leichname von zwei israelischen Soldaten ... eingetauscht hat", bedauert
die spanische Tageszeitung La Razón nach dem Gefangenentausch zwischen
Israel und dem Libanon. "Dieser Propaganda-Sieg ist keine gute Nachricht,
weder für den Frieden im Nahen Osten noch für den leidenden Libanon und auch
nicht für die dort stationierten spanischen Truppen." (17.07.2008)
» zum ganzen Artikel (externer Link, spanisch)
La Repubblica - Italien
Die Tageszeitung La Repubblica sieht im Handel zwischen Israel und der
Hisbollah auch Positives: "Der Jubel der Hisbollah ist gerechtfertigt, mit
ihnen, nicht mit der Regierung des Libanons, hat Israel den
Gefangenenaustausch ausgehandelt. Das ist einerseits ein schlechtes Zeichen,
denn es zeigt die Schwäche des Staates, anderseits ein positives, denn es
zeigt die Bereitschaft zum Dialog. Die diplomatische Wende entschärft die
Gefahr eines neuen Bürgerkriegs und hat Syrien wieder ins Spiel gebracht,
was sich Nicolas Sarkozy zurechnen darf. ... Selbst die westlichen
Regierungszentralen, die darauf beharren, die Schiiten als Terroristen zu
bezeichnen, haben Erleichterung über die Einbeziehung der Hisbollah in die
Regierungsbildung ... geäußert. Eine Stabilisierung, die sogar Israel, das
dafür einen hohen Preis ... bezahlt, nicht missfällt." (17.07.2008)
» weiterführende Informationen
(externer Link, italienisch)
The Independent - Großbritannien
Die Tageszeitung The Independent hofft, dass der Gefangenenaustausch
zwischen Israel und dem Libanon einen neuen Anfang für die Region bedeutet:
"Der makabere Austausch, der gestern an der Grenze zwischen Israel und dem
Libanon stattfand, wurde weithin als das letzte Kapitel des unglücklichen
Krieges vor zwei Jahren dargestellt. Und in vielerlei Hinsicht ist er das.
... Einige könnten in der feierlichen Zeremonie gestern eine Symmetrie
sehen, die nicht unangemessen war. Der Gefangenenaustausch wirkte so
unausgewogen wie der Krieg selbst, der die Leben von 157 Israelis und 1200
Libanesen gekostet hat. ... Jedoch ist eine grobe Aufrechnung der Zahl an
Todesopfern irreführend. Israel hat immer einen außerordentlich hohen Wert
für seine gefangenen Bürger angesetzt, weshalb israelische Gefangene von
ihren Feinden als Verhandlungsmasse so geschätzt werden. ... Der gestrige
Gefangenenaustausch beendet nicht nur ein beklagenswertes Kapitel, sondern
markiert - so hoffen wir - den Beginn von etwas Neuem und Besserem."
(17.07.2008)
» zum ganzen Artikel (externer Link, englisch)
Die Europäische Presseschau wird zusammengestellt
durch EuroTopics für die Bundeszentrale für politische Bildung.
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