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In Eli Laschs neuesten Buch (wir berichteten) erfahren wir viel über Leben und Stimmung in Deutschland, während der letzten Jahre vor der Schoah, als auch über die Atmosphäre in der Einwanderer aus Deutschland, kurz vor der Gründung des Staates Israel, lebten. Wir bringen in lockerer Folge Ausschnitte aus dem Buch: "Das Wunder von Gaza - Vom Flüchtling zum Arzt der Flüchtlinge".

Papa bleibt deutsch:
Familienleben auf der Flucht

Teil 3 aus dem Ersten Kapitel: "Der Flüchtling"

Was unser Familienleben anbelangt, so sahen wir meinen Vater während der Woche meist nur, wenn wir etwas verbrochen hatten. Dann wurden wir zum "gestrengen Richter" gerufen, wovor ich, im Gegensatz zu meinem Bruder und obwohl er mich nie geschlagen hatte, furchtbare Angst hatte, denn ich hatte ihn nie als einen gütigen, liebenden Vater erlebt.

Für mich war er immer nur eine Autoritätsfigur, die immer drohte wie ein zürnender Gott, aber seine Drohungen nie wahr machte, sondern mich immer in der Schwebe ließ, in Ungewissheit und mit vielen Schuldgefühlen. Als ein Erwachsener, der selbst oft sein Domizil gewechselt und viel mit Flüchtlingen aller Art gearbeitet hat, sehe ich heute natürlich alles anders, als das Kind, das ich damals war. Heute kann ich gut verstehen, wie schwer es meinem Vater gefallen sein muss, sich der neuen Umgebung und dem neuen Klima anzupassen, in denen er sich aus reiner Notwendigkeit befand. Dazu kam noch, dass er, trotz aller Vorbereitungen, fast sein ganzes Vermögen auf dem Wege nach Palästina verloren hatte, und dass auch seine neue Existenz nicht ganz so sicher war, wie er es erhofft hatte. Bevor er Deutschland verließ, hatte er nämlich sein ganzes Geld in Maschinenteile für die neue Fabrik, für die er nach Palästina ging, angelegt, und diese Teile kamen niemals an.

Alle Nachforschungen blieben fruchtlos oder ergaben zynische Antworten, wie zum Beispiel: "Wenn sie uns nicht glauben wollen, können Sie ja zurückkommen und selbst (im KZ) danach suchen."

Das wenige Bargeld, das er mitgebracht hatte, wurde ihm während der ersten Nacht in Palästina aus dem Hotelzimmer gestohlen. Kurz nach seiner Ankunft wurde er dann auch noch schwer krank und hatte Angst, dass er deshalb seinen Posten verlieren und sich, wie so viele deutsche Juden, die er um sich herum sah, in einen Flüchtling und Habenichts verwandeln würde.

Als ob das alles noch nicht genug gewesen wäre, brach einige Tage vor unserer Ankunft der erste große arabische Aufstand in Palästina aus, von dem berüchtigten Großmufti aus Jerusalem ausgerufen und vom nationalsozialistischen Deutschland unter der Parole "Tötet alle Juden und Ungläubigen" unterstützt und finanziert. Der Aufstand war neben einem Kampf gegen die britische Völkerbundsmacht, ein dezidiert antisemitischer Aufstand, so diente das Hakenkreuz als Erkennungssymbol und auch der deutsche Gruß spielte eine Rolle.

Das erste Opfer dieses Aufstands, der damals euphemistisch "Unruhen" genannt wurde, war ausgerechnet der Vetter meines Vaters, mit dessen Hilfe er fest gerechnet hatte. Jetzt hatte er noch dazu die Witwe am Halse.

Das war die Atmosphäre, der mein Vater jeden Tag ausgesetzt war. Sein Weg zur Arbeit führte genau durch arabische Stadtviertel und auch die Arbeiter in der neuen Fabrik waren zum großen Teil Araber.

Das war die Welt, in der er sich plötzlich befand: Eine Welt, in der die Angst, die Unsicherheit und der Hass herrschten. All das wurde ihm tagtäglich hautnah zu Bewusstsein gebracht, denn so ganz als "Sahib" fühlte er sich doch nicht, und gegen eine arabische Kugel war er bestimmt nicht gefeit. Es ist es deshalb auch kein Wunder, dass er damals weder die Kraft noch die Geduld hatte, sich mit uns und unseren "kleinen" Problemen zu befassen. Außerdem war er, was man heute einen "workaholic" oder Arbeitssüchtigen nennt, jemand, dem die Arbeit und Pflicht weitaus wichtiger sind als die Familie. Er war eben ein Deutscher, und das war eine Einstellung, die damals sehr typisch für deutsche Männer war. Seine englischen Vorgesetzten hatten nie zuvor erlebt, dass jemand in einem tropischen Land so arbeitete. Sie verbrachten lieber ihre Zeit im Club und auf dem Golfplatz. Als mein Vater einmal einen neuen englischen Mitarbeiter einstellen wollte, stand in dessen Bewertung "Er spielt ausgezeichnet Golf." - Das war, worauf es ankam, und diese Einstellung hat mein Vater nie verstanden.

Als Kind hatte ich von all dem natürlich keine Ahnung, denn, als ein typischer deutscher Familienvater, war mein Vater nicht bereit seine Sorgen mit uns zu teilen, oder, was auch typisch für die damalige Generation war, uns Gefühle zu offenbaren, das hätte er als Schwäche angesehen. Auch dessen war sich der kleine acht oder neunjährige Eli nicht bewusst. Das Einzige, was er empfand, war, dass für ihn der Vater immer nur da war, wenn er etwas "verbrochen" hatte, und niemals, wenn er ihn brauchte. Auch heute kann ich mich nicht daran erinnern, je ein gutes Wort oder ein Zeichen von Liebe, Zärtlichkeit oder selbst Anerkennung von ihm bekommen zu haben.

Der große, erwachsene Eli, der später vielen neuen Einwanderern geholfen hat, kann natürlich verstehen, dass die Welt in der der kleine Eli damals lebte und in die er versuchte sich zu integrieren, für seinen Vater vollkommen fremd war. Da er, sein Vater, auch kein Hebräisch sprach, war sie für ihn auch unverständlich und in gewisser Weise sogar feindlich, denn sie unterminierte seine väterliche Autorität. Dazu kam noch, dass die Helden der Kinder des neu entstehenden Israel der jüdischen Arbeiterbewegung angehörten, die den Jüdischen Staat im Staat" aufbauten, in einer Region, die die Engländer als ihre Kolonie betrachteten. Es ist natürlich ironisch, dass die Helden seines Sohnes ausgerechnet die bedrohlichsten Gegner seiner angloarabischen Arbeitgeber waren und dadurch auch die seinen.

Seine Art, seine Autorität dem kleinen Eli gegenüber aufrecht zu erhalten und ihn auf den Weg zurückzuführen, den er für den einzig richtigen hielt, war wieder typisch für die damalige deutsche Generation und bestand aus Strenge, Tadel, Kritik und Vorwürfen. Außerdem tat er alles, um das, was dem kleinen Eli damals wichtig war, auf eine sehr ironische Art und Weise in den Dreck zu ziehen. So musste sich der kleine Eli jedes Wochenende anhören, wie er, der Vater, den er als die "höchste Instanz" ansah und nach dessen Liebe und Anerkennung er sich über alles sehnte, alle "Missetaten" der jüdischen Arbeiterbewegung beschimpfte, und alles, was mit der jüdischen Kultur oder Religion zusammenhing, verspottete.

Ironisch und kalt sein - das verstand Elis Vater aufs Beste, das war seine Waffe, und es war das, wovor der kleine Eli am meisten Angst hatte. Wenn der Vater doch einmal stolz auf ihn war, bekamen andere und nicht Eli es zu hören. Kinder mussten gehorchen lernen und durften unter keinen Umständen eine eigene Meinung haben. Wenn Sie zufällig doch eine hatten, wurde diese gewöhnlich spöttisch abgetan, insbesondere wenn sie vom Judentum oder von Israel beeinflusst war.

Dass sein Sohn eine eigene Meinung haben könnte, war für ihn undenkbar; und noch heute höre ich die Worte meines Vaters: "Du willst wohl ein Großer in ISRAEL werden, ha?" So war er erzogen worden (Kinder darf man sehen, aber nicht hören) und so wollte er seine Kinder erziehen. Einen anderen Weg kannte er nicht. Das war seine und vielleicht überhaupt die damalige deutsche Art Kinder zu erziehen.

Wir lebten aber nicht mehr in Deutschland, sondern in einem Land, in dem Kinder anders behandelt und so zu freien Menschen wurden. Ich hingegen entwickelte nur Angst und Schuldgefühle. Am schlimmsten waren für mich die jüdischen Feiertage wie Pessach und Neujahr, die auch in den Familien der nicht-religiösen Mehrheit gefeiert wurden, der meine Klassenkameraden angehörten. Meine Eltern, und insbesondere mein Vater, (anerkannten nur die deutschen (christlichen) Feiertage, Weihnachten und Ostern, und die konnten wir natürlich nicht mehr feiern. Andere Feiertage kannten sie nicht, denn von der jüdischen Tradition und den besonderen Sitten und Gebräuchen der jüdischen Feiertage hatten sich schon ihre Eltern bzw. Großeltern gelöst.

Das einzige Fest, das bei uns doch noch gefeiert wurde, war Chanukka, und auch das in einer Art, die man am besten als "Weihnukka" bezeichnen kann: ein Weihnachtsfest, bei dem der Baum durch einen Leuchter ersetzt wurde. Dazu sangen wir ein Lied, dessen Melodie eine Mischung aus einem protestantischen Choral und einem deutschen Soldatengesang aus dem 15. Jahrhundert war - und wir bekamen Geschenke. Die anderen Feiertage waren nur durch eine etwas bessere Mahlzeit gekennzeichnet...

>> Fortsetzung folgt...

In Eli Laschs neuesten Buch (wir berichteten) erfahren wir viel über Leben und Stimmung in Deutschland, während der letzten Jahre vor der Schoah, als auch über die Atmosphäre in der Einwanderer aus Deutschland, kurz vor der Gründung des Staates Israel, lebten. Wir bringen in lockerer Folge Ausschnitte aus dem Buch: "Das Wunder von Gaza - Vom Flüchtling zum Arzt der Flüchtlinge".

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hagalil.com 14-12-2007

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