Christen für Israel:
Kein reiner LiebesdienstEvangelikale Christen werben für
Israel und um Juden
Als sich im November letzten Jahres in Berlin
evangelikale Christen aus ganz Deutschland zum Kongress "Gemeinde und
Israel" trafen, lautete ihr Leitgedanke: "Israel: Zumutung oder Auftrag
für uns?".
Unter den vier Persönlichkeiten, die sich mit Grußworten an die
Teilnehmer wandten, war neben Pastor Wolfhard Margies ("Gemeinde auf dem
Weg"), Harald Eckert ("Israel heute - Christen auf der Seite Israels")
und Dieter Keucher ("Geistliche Gemeinde-Erneuerung in der EKD") auch
Charlotte Knobloch, die Präsidentin des Zentralrats der Juden in
Deutschland sowie der Israelitischen Kultusgemeinde München und
Oberbayern: eine ungewöhnliche Allianz und ein falsches Signal. Bei dem
Kongress wurde ganz offiziell eine Schabbatfeier messianischer Juden
gefeiert, und einige Seiten nach Knoblochs Grußwort liest man im
Teilnehmerheft gleich mehrere Beiträge über die messianischen Gemeinden
in Israel.
Inzwischen wirbt die Christliche Medienwerkstatt CMW
(Motto: "Fernsehen als Segen für Sein Volk...") für ein Filmprojekt, das
in Folge des Berliner Gemeindekongresses entsteht. Der Spielfilm
"Adrianes Kampf um Israel" erzählt die dramatische Geschichte der
Mittdreißigerin Adriane, die im Strudel von Medienmacht, Politik,
Religion, Fanatismus und Gefühlen "per Zufall" den besagten
Israel-Kongress in Berlin besucht und dort überraschend die Lösung einer
sehr kniffeligen, persönlichen Lebensfrage erhält. "Ein Film, der viele
Millionen Zuschauer in Deutschland Israel mit wirklich anderen (Seinen)
Augen sehen lassen wird." Die Produzenten betreiben seit März den
Internet-Fernseh-Spartenkanal rtcr.TV ("Remember the Christian Roots!"),
denn: "Alle Christen haben etwas zu sagen: Sie sind beauftragt, Menschen
das Evangelium zu vermitteln. Und wir Christen in der CMW haben
sozusagen noch einen ‚Spezialauftrag' von Gott dazu bekommen: Bringe
Mein Volk deinem Volk nahe!" Die Medienprofis von rtcr.TV verstehen sich
als Netzwerkzusammenschluss, um global erarbeitete, fundierte und
wahrhaftige Informationen über das heutige und das biblische Israel zu
bündeln und zu verbreiten: "Wir teilen ein gemeinsames Ziel: Deutschland
mit dem kompromisslosen Wort des Glaubens zu erreichen und so eine neue
Sicht im Bezug auf Sein auserwähltes Volk, die Juden und Israel, wachsen
zu lassen". Im Beirat befindet sich unter anderen Hartmut Steen,
Vorsitzender der Evangelischen Allianz in Braunschweig, also einer
kirchlichen Gruppierung, die auch die wachsenden messianischen Gemeinden
in Berlin unterstützt, etwa "Beit Sar Schalom".
Anlässlich des "Israel-Sonntags", den die
evangelischen Landeskirchen am 12. August begehen, fordert der
Evangeliumsdienst für Israel (EDI) nun, dass die Kirchen das Evangelium
auch unter Juden verkünden sollen. Dass Jesus Christus Israels
verheißener Messias sei, dürfe nicht verschwiegen werden, heißt es in
einer vom Oberkirchenrat allen württembergischen Pfarrämtern zugesandten
EDI-Broschüre. Die Nachrichtenagentur idea berichtet dazu: "Außer der
EDI-Broschüre verschickte der Oberkirchenrat auch Materialien der Aktion
Sühnezeichen, der Arbeitsgruppe ‚Wege zum Verständnis des Judentums' und
des Liebeswerks Zedakah. Die Gemeinden können entscheiden, ob sie eine
dieser vier Organisationen mit der Kollekte des Israel-Sonntags
unterstützen wollen. Der EDI ist Mitglied in der Württembergischen
Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Weltmission und
Kooperationspartner des Evangelischen Missionswerks in
Südwestdeutschland. Nach Schätzungen des jüdisch-messianischen
Missionswerks ,Beit Sar Shalom' (Berlin) leben in Deutschland mindestens
5.000 Juden, die an Jesus Christus als den Messias glauben."
Die jüdischen Gemeindevorstände und Rabbiner in
Deutschland sehen sich seit Jahren von evangelikalen Missionsdiensten
herausgefordert, die insbesondere russischsprachige jüdische Zuwanderer für
den Glauben an Jesus gewinnen wollen; zuletzt haben die deutschen
Chabad-Vertreter bei ihrem Treffen in Dresden diskutiert, wie dieser
Missionstätigkeit zu begegnen sei. Das Internationale Missionswerk "Juden
für Jesus", die "Arbeitsgemeinschaft für das messianische Zeugnis in Israel"
und die messianische Wohltätigkeitsorganisation "Vision für Israel" waren
aber auch unter den offiziellen Ausstellern des Berliner Israel-Kongresses,
an die sich Charlotte Knobloch mit ihrem Grußwort wandte.
Die Zentralratspräsidentin war mehr als schlecht beraten, als sie das
jüdisch-messianische Missionswerk auf diese Weise in Deutschland hoffähig
machte; mit Blick auf die zunehmende Medienpräsenz evangelikaler Kreise, die
dazu beitragen wollen, dass "Millionen Menschen mehr über Judentum und
Israel erfahren können", muss man sich zudem fragen, wer hierzulande denn
die Deutungshoheit in Sachen Judentum übernimmt. Vielleicht war es doch kein
so schlechter Gedanke, als Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrats,
Anfang dieses Jahres für das Zweite Deutsche Fernsehen ein
öffentlichkeitswirksames "Wort zum Schabbat" anregte.
"Jüdische Zeitung", August 2007
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