"Heldengedenken":
Nazi-Aktionen zum Volkstrauertag
Weil in den letzten Jahren das
nationalsozialistische Heldengedenken der sogenannten Freien Kräfte und NPD
in der brandenburgischen Ortschaft Halbe mehr und mehr floppte, sahen die
Nazis in diesem Jahr von einer zentralen Veranstaltung ab, und man besann
sich auf mehrere dezentrale Aktionen zum Volkstrauertag.
In Berlin veranstaltete am vergangenen Samstag Abend der örtliche
Landesverband der NPD eine Kundgebung vor dem Deutsch-Russischen Museum im
Ortsteil Karlshorst, wo die Spitze der Wehrmacht am 9. Mai 1945 eine
Kapitulationsurkunde unterzeichnete.
Die
Anreise der rund 160 Kameradinnen und Kameraden gestaltete sich etwas
problematisch, da die Hauptverbindungsstraße zwischen S-Bahnhof und Museum
Karlshorst von über 400 buntgemischten Gegendemonstranten blockiert war, die
mit Trillerpfeifen, "Nazis raus"-Rufen und "Nie wieder
Großdeutschland"-Plakaten auf sich aufmerksam machten. Folglich blieb die
Rechtsextremisten nichts anderes übrig, als durch einen doppelt so weiten
Fußmarsch zum Veranstaltungsort zu gelangen.
Dort angekommen nahm man Aufstellung um ein aus Birkenholzkreuzen
stilisiertes Gräberfeld, einem Rednerpult und einem makaber anmutenden
Ensemble, bestehend aus dem obligatorischen Kranz, einem Stahlhelm und einem
Eisernen Kreuz mit der Inschrift "1938-1945".
In seiner Ansprach beschwor Jörg Hähnel, der für die NPD in der
Berlin-Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung sitzt, die Bereitschaft
der Nationalisten, Arbeit, Geld und gar das eigene Leben, für das größere
Ganze, dass sich Deutschland nennt, zu opfern. Der Berliner
NPD-Landesvorsitzende Eckart Bräuniger sprach in seiner Rede in Bezug auf
den Angriff der Wehrmacht auf die Sowjetunion von einem "Präventivschlag
einer tapferen Armee gegen den Weltbolschewismus". Geschichtsklitternd fügte
er fragend hinzu: "Ist es nicht legitim, statt von einer Kriegsschuld
Deutschlands am 2. Weltkrieg von einem Weltkrieg gegen Deutschland zu
reden?"
Nach Abschluss der NPD-Aufmarsches und der Gegenveranstaltung konnte die
Polizei, die mit rund 400 Beamten im Einsatz war, beruhigt die vorher
installierten Flutlichtanlagen abschalten und vermelden: keine größere
Zwischenfälle.
Redeauszug Jörg Hähnel
[Anhören]
"Kameraden, Landsleute, Schicksalsgenossen,
wir haben den Ort unserer heutigen Kundgebung nicht zufällig gewählt.
(...) Wir wollen nicht mehr demütig mit eingezogenem Kopf unser Leben als
Deutsche fristen, sondern selbstbewusst und stolz in die Zukunft schreiten.
(...)
Wir sind keine Zweckgemeinschaft aus zufällig an einem Ort
zusammentreffenden Menschen. Wir sind ein Volk. Eine über jahrtausende
gewachsene Gemeinschaft gleicher Kultur und gleicher Werte. Wie viele
schlechte Zeiten hat dieses Volk in der Mitte Europas schon erleben müssen?
(...) Wie oft aber hat dieses Volk aus den tiefsten Abgründen doch wieder zu
den lichtesten Höhen gefunden? Angesichts der Erkenntnis dieser
Leidensgröße, sollen wir uns heute damit abfinden, dass die Zeit der
Deutschen vorbei sei? - Nein! Wir wissen, dass wir mit geeinter Kraft auch
aus dieser Niedertracht und Erbärmlichkeit hinauswachsen können. (...)
Wir Nationalisten wissen, dass wir nur Menschen sein können, wenn wir
Wurzeln, Kultur, Werte und Heimat haben. (...) Wir sind bereit, unseren Ruf,
unsere Arbeit, unser Geld, unsere Zeit, ja unser Leben zu opfern, für das
größere Ganze, dass sich Deutschland nennt.
Mag es auch tragisch und hart sein, dass Nationalisten nicht mehr in Hotels
dürfen, dass sie keine Säle und kein Recht mehr bekommen, dass sie als
Aussätzige verboten werden sollen. (...) Uns führt es doch erst wieder vor
Augen, dass wir nicht in einem harmonischen Gemeinwesen, nicht in einer
Demokratie leben, sondern in einem Kampf. All diese Maßnahmen erzwingen es,
dass wir näher zusammenrücken müssen, dass wir das Wort Kameradschaft wieder
lernen, mit Sinn zu erfüllen. (...)
Kameraden, wir befinden uns in einer Endzeit. Der um sich schlagende Riese
stirbt. Er wird trachten, vieles mit sich in den Abgrund zu ziehen. Das
wollen wir ihm verwehren. (...)
Wir ehren heute die, die im Glauben an ihr eigenes Land gefallen sind. Wir
leben, um ihren Taten einen Sinn zu geben. (...) Deutsche findet euch nicht
mit den Ketten ab, die man euch anlegt. (...) Entzündet die Fackel einer
neuen Zeit, die den Völkern dieser Welt das Licht wieder geben soll, dass
sie aus der geistigen und ökonomischen Fremdherrschaft lösen soll. Seit
einig, seit stark. Lernt wieder selber zu denken. Morgen schon kann das neue
Deutschland Wirklichkeit sein."
Jörg Hähnel: Die politische Karriere des
gelernte Landschaftsgärtner Jörg Hähnel (geb. 1975) begann in seiner
Heimatstadt Frankfurt/Oder, wo er 1998 einen Sitz für die NPD in der
Stadtverordnetenversammlung inne hatte. Seit seinem Umzug nach Berlin im
Jahr 2001 übernahm er verschiedene Ämter und Funktionen beim Berliner
Landesverband und beim Bundesverband der NPD. Derzeit sitzt Hähnel für die
NPD in der Berlin-Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung. Neben seiner
politischen Tätigkeit tritt er auf diversen rechten Veranstaltungen als
"nationaler Liedermacher" auf. Wegen einschlägiger Gewalttätigkeiten und
anderer Delikte kam Jörg Hähnel mehrere Male in Kontakt mit Polizei und
Justiz. Hähnel ist derzeit mit der NPD-Funktionärin Stella Palau liiert, mit
der er eine Tochter hat.
Redeauszug Eckart Bräuniger
[Anhören]
"Kameraden,
wir stehen hier an einem historisch bedeutsamen Ort. Das Gebäude hinter uns
wurde in den Jahren 1936 bis '38 errichtet und diente zunächst als
Offizierskasino der 'Pionierschule 1' unserer deutschen Wehrmacht. (...) In
der Nacht vom 8. zu 9. Mai '45 unterschrieben in diesem Gebäude,
Generalfeldmarschall [Wilhelm] Keitel, Generaladmiral [Hans-Georg] von
Friedeburg und Generaloberst [Hans-Jürgen] Stumpff die bedingungslose
Kapitulation unserer deutschen Wehrmacht. (...)
Wir (...) haben selbst Respekt vor den Gräbern unserer ehemaligen
Kriegsgegner und würden nicht auf die Idee kommen, etwa das Denkmal in der
Schönholzer Heide anzutasten oder das im Treptower Park, obwohl dort, der
Marmor aus der Reichskanzlei verbaut worden ist.
Aber wir erkennen auch, dass deutsche Gefallene zu Toten unterster Klasse
degradiert werden. Wir sehen hier deutlich die Umsetzung einer einseitigen
Gedenkkultur, die Helden zu Verbrechern erklärt und beispielsweise
Deserteure zu Helden stilisiert. (...)
Dieses Land wird nach meiner Auffassung durch Sondergesetze regiert, die der
Umsetzung einer verordneten Gesinnungsdiktatur dienen sollen. Und nun sollen
dies Gesetze auch noch ausgeweitet werden. In Zukunft soll es nicht mehr
möglich sein, die Alleinschuld Deutschlands am Ausbruch des 2. Weltkrieges
anzuzweifeln. Wie aber möchte man künftig vermitteln, dass am 3. September
1939 Frankreich, Großbritannien und die Commonwealth-Staaten Australien,
Indien, Neuseeland, Südafrika und Kanada dem Deutschen Reich den Krieg
erklärten und nicht umgedreht. (...)
Für mich ist (...) der deutsche Vorstoß nach Osten nicht der feige Überfall
auf eine friedliebende Sowjetunion, sondern der Präventivschlag einer
tapferen Armee gegen den Weltbolschewismus. (...)
Ist es (...) nicht legitim, statt von einer Kriegsschuld Deutschlands am 2.
Weltkrieg von einem Weltkrieg gegen Deutschland zu reden? Einem Weltkrieg,
der unserem Volk unvorstellbares abverlangt hat und zu einem Heldentum ohne
Beispiel führte.
Und nicht nur die Soldaten an der Front wurden zu Opfern. (...) So wurden
allein auf unser Berlin bei insgesamt 310 Luftangriffen (...) während fast
70.000 Tonnen Bomben abgeworfen. (...) Einer der hierfür mitverantwortlichen
war der Kommandeur der eingangs erwähnten 5. bolschewistischen Stoßarmee,
Generaloberst Nikolaj Bersarin, der spätere Stadtkommandant von Berlin.
(...) Im Jahre 2003 verlieh ihm (...) der rote Senat unter Leitung eines
Homosexuellen wieder die Ehrenbürgerschaft unserer Stadt, angeblich auch
deshalb, weil er sich um den Aufbau Berlins verdient gemacht hätte. (...)
Wir fordern die Gleichbehandlung aller Toten dieses großen Krieges und die
Würdigung der eigenen Vergangenheit."
Eckart Bräuniger: Der 1971 in Berlin geborene Eckart Bräuniger war
Mitglied der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP), die 1995
aufgrund ihrer Wesensverwandtschaft mit der NDSAP verbotenen wurde. Im April
2004 wurde er zusammen mit weiteren Mitgliedern der rechtsextremistischen
"Kameradschaft Nordland" in einem Waldgebiet in Brandenburg bei einer
Wehrsportübung festgenommen. Seit November 2005 ist Bräuniger
Landesvorsitzender der Berliner NPD und Mitglied des Parteivorstandes. Im
Herbst 2006 wurde er in die Bezirksverordnetenversammlung Berlin
Treptow-Köpenick gewählt.
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