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Dokumentarfilm-Tipp:
Der Spion, der sich verliebte

Ein in Israel gefeierter Film über den deutschen Mossad-Agenten Wolfgang Lotz bricht mit mehreren Tabus...

Von Thorsten Schmitz, Süddeutsche Zeitung v. 29. September 2007

Tel Aviv, im September - Nadav Schirman war verzweifelt. Er wollte einen Film drehen, aber das Projekt schien schon an den Urheberrechten zu scheitern. Ein Freund hatte ihm die zerfledderte Ausgabe einer Autobiographie gegeben und gesagt: "Lies das. Das wird dein erster Film." Der deutsche Jude Wolfgang Lotz beschreibt darin sein Leben als jüdischer James Bond.

Im Buch beschränkt sich Lotz auf die Abenteuer im Dienst des israelischen Auslandgeheimdienstes Mossad Anfang der sechziger Jahre. Wie er als angeblicher Ex-SS-Offizier nach Ägypten zog und auf einer Pferdefarm Kontakte zur High Society Kairos und zu Armee-Offizieren knüpfte. Wie er jene deutschen Wissenschaftler ausspionierte, die damals im Auftrag von Staatspräsident Nasser Vernichtungswaffen konzipierten, von denen sich Israel bedroht fühlte, und wie seine Lüge aufflog und er für drei Jahre ins Gefängnis kam. Dass er seine israelische Ehefrau mit einer Deutschen betrogen hatte und später im Kaufhof am Münchner Marienplatz Angeln verkaufen würde, steht nicht in Lotz" Buch. Das hat Schirman erst später herausgefunden - und das machte ihn noch neugieriger.

Schon am nächsten Tag, nach durchwachter Nacht mit der Lektüre, fasste Schirman den Entschluss, seinen gut bezahlten Job als Produzent für Werbefilme in Tel Aviv aufzugeben. Die folgenden Monate widmete der 36-Jährige nur einem Ziel: Der Suche nach Lotz und der Kontaktaufnahme zum Mossad. Doch kein Geheimdienstler war bereit zu einem Gespräch. Und die Urheberrechte des Buches waren verjährt und auf Lotz zurückübertragen worden. Menschen, die den deutsch-israelischen Spion gekannt haben wollten, erzählten Schirman, Lotz lebe in Los Angeles als glückloser Filmemacher, in Afrika als Ausbilder von Söldnern, in Osteuropa als Waffenhändler. Schirman wusste nicht mehr weiter. Bis zu jenem Tag, der einem Hollywood-Script entstammen könnte.

Eines Tages begleitete Schirman seinen Sohn zu einer Schwimmstunde. Er schaute ihm beim Kraulen zu, als ihn ein älterer Mann am Beckenrand ansprach. Was sein Job sei, wollte der Mann wissen. "Filmemacher", antwortete Schirman. Was für Filme, hakte der Fremde nach. Schirman fasste die Geschichte von Lotz zusammen und sagte, er wisse nicht weiter, weil er weder Lotz ausfindig machen noch Mossad-Mitarbeiter zum Sprechen bewegen könne. "Vielleicht kann ich dir helfen", sagte der Mann und bat um Schirmans Telefonnummer. Zwei Wochen später klingelte Schirmans Handy. Die Nummer des Anrufers war nicht zu erkennen.

"Nadav?" - "Ja." - "Der Mann, nach dem du suchst, hat einen Sohn, Oded Gur-Arie. Hier ist seine Nummer."

Schirman rief den einzigen Sohn von Lotz an. Oded Gur-Arie lebt in den USA. Sie verabredeten sich zu einem Treffen in Israel. So entstand in Dutzenden, stundenlangen Gesprächen mit Gur-Arie, durch Interviews und Recherchen in Ägypten, Israel, Deutschland und in den USA das Drehbuch für Schirmans ersten Dokumentarfilm, "Der Champagnerspion". Die deutsch-israelische Koproduktion, die in Israel mit Preisen überhäuft wurde, befindet sich auf einem Siegeszug um die Welt. Auf Festivals in Los Angeles, Seattle, London, Kopenhagen werden zusätzliche Vorstellungen eingeschoben. Am heutigen Samstag hat "Der Champagnerspion" auf dem Filmfest in Hamburg Deutschlandpremiere.

Der Film bricht zwei Tabus. Zum einen mit der Bitte von Lotz an seinen Sohn. Als Oded zwölf Jahre alt war, wurde er vom Vater zum Schweigen verdammt: "Ich arbeite für den Mossad. Du darfst mit niemandem darüber sprechen. Mein Leben hängt davon ab." Jahrzehntelang hielt sich Oded an das Gelübde. Auch weil er sich schämte, "was er meiner Mutter angetan hat". Der Vater hatte die deutsche Waltraud Neumann geheiratet. Von der verbotenen Liebe wussten weder Oded noch seine Mutter - aber Lotz" Führungsoffiziere im Mossad. Erst als Lotz aus ägyptischer Haft freigelassen wurde, konfrontierte man Sohn und Mutter mit der brutalen Wahrheit. Im Film erzählt ein Mossad-Agent, wie er Oded über den Ehebruch des Vaters in Kenntnis setzte: "Ich musste dem Jungen sagen, dass sein Vater mit einer anderen Frau verheiratet ist. Oded war wie versteinert." Seine Mutter Rivka hatte sich für den Empfang auf dem Flughafen ein teures Kleid gekauft. Doch der Mossad-Agent beschied, sie brauche sich nicht hübsch zu machen: "Kommen Sie nicht zum Flughafen. Ihr Mann kehrt nicht zu Ihnen zurück."

Im Adrenalin-Rausch

Der zweite Tabubruch in Schirmans Film sind Mossad-Agenten, die reden und nicht schweigen. Schirman, der zurzeit in Deutschland lebt und für die Münchner Produktionsfirma Collina das Drehbuch für einen Kinofilm über den Champagnerspion schreibt, sagt: "Der Mann im Schwimmbad hat mir alle Türen geöffnet." Das Misstrauen sei anfangs groß gewesen: "Ihr ganzes Leben lang haben sie Kameras gemieden und die Öffentlichkeit gescheut. Ein Auftritt vor der Kamera kam für viele erst mal nicht in Frage." Doch mit der Zeit konnte Schirman die Mossad-Männer davon überzeugen, dass er keine Geheimnisse verraten, sondern über den Gefühlshaushalt von Spionen berichten wollte.

Die Gespräche mit den Mossad-Männern seien sehr intensiv gewesen: "Man fühlt sich wie in einer Röntgenmaschine, wenn man mit ihnen redet. Sie durchbohren dich mit ihrem Blick." Manche Agenten seien "regelrecht erleichtert" gewesen, reden zu können. Viele hätten jahrzehntelang ein schlechtes Gewissen mit sich herumgetragen, Lotz" Ehefrau Rivka in Israel all die Jahre nichts von dessen zweiter Gattin erzählt zu haben. In seinem Film üben die Agenten sogar offen Kritik. Es sei "ein großer Fehler" gewesen, sagt Avrum Schalom, einst Chef des Inlandsgeheimdienstes Schin Beit, dass der Mossad Lotz" Doppelleben tatenlos zugeschaut habe. Zudem sei Lotz mit drei Missionen beauftragt gewesen, "die sich allesamt in die Quere gekommen sind". Er habe mit der Pferdefarm eine Basis errichten, Informationen sammeln und Anschläge auf die deutschen Raketentechniker verüben sollen. "Aber man mischt diese drei Missionen nicht", sagt Schalom. "Wenn dein Auftrag lautet, Briefbomben zu versenden, dann gehst du nach Kairo, schickst die Briefe ab und verlässt mit dem nächsten Flugzeug Ägypten in Richtung Italien!"

Jacob Nachmias, der Lotz regelmäßig in Paris zur Übergabe von Berichten getroffen hatte, sagt, Lotz habe die Grenze zwischen gespielter und echter Identität überschritten: "Wir haben einen Kardinalfehler begangen und Lotz erlaubt, zwei Leben zu leben. Er liebte eine Frau, seine Beziehung mit der Deutschen war keine Schauspielerei mehr." Lotz selbst erklärte in einer israelischen Talkshow nach seiner Freilassung: "Wenn du 24 Stunden lang die Identität einer anderen Person annehmen musst, wirst du irgendwann diese Person in deinen Gedanken und Träumen." Und wenn nicht, so der Spion, "dann bist du für diesen Beruf ungeeignet." Nach seiner Rückkehr aus Ägypten ließ sich Lotz von den Medien feiern. Geld verdiente er damit nicht. 1977 ging er nach München, wo er im Kaufhof arbeitete und an dem geregelten Neun-Stunden-Tag in der Anglerabteilung zugrunde ging. Er wurde entlassen. 1993 starb Lotz in München, begraben wurde er in Israel.

Der Film von Schirman wurde kurz nach seiner Premiere in Israel auf einer geschlossenen Veranstaltung rund 300 Mossad-Mitgliedern und deren Angehörigen gezeigt. Es kam zu einer Diskussion, an der auch ein Mossad-Psychologe teilnahm. Er sagte: "Die Realität für Kämpfer, die von ihren Auslandsmissionen zurückkehren, ist hart. Im Ausland leben sie in einem Adrenalin-Rausch und wie Könige, die unbegrenzt Geld ausgeben können. Zurück in Israel müssen sie plötzlich in Zwei-Zimmer-Wohnungen Windeln wechseln." Seit dem tiefen Fall von Wolfgang Lotz werden Mossad-Agenten bei ihrer Rückkehr nach Israel von Psychologen betreut. Und ihre Ehefrauen müssen vor der Mission eine Erklärung unterschreiben, dass sie mit allen Konsequenzen einverstanden sind. Bis dahin hatten Mossad-Agenten ihren Familien nur vage mitgeteilt, es gebe eine "gute Gelegenheit für Geschäfte", die die eigene finanzielle Situation verbesserten. Heute soll die Gattin in alles eingeweiht und einverstanden sein. Man will vermeiden, dass Ehefrauen den Mossad verklagen, wenn ihre Männer zur Tarnung andere Frauen heiraten - und dann wie Lotz bei ihnen bleiben.

Lotz" israelische Ehefrau verbitterte nach der Rückkehr ihres Mannes. Sie hat nie wieder mit ihm geredet. Und auch nie wieder geheiratet.

Von Thorsten Schmitz, Süddeutsche Zeitung v. 29.9.2007
Mit freundlicher Genehmigung der Süddeutschen Zeitung und der DIZ München GmbH

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