Perspektiven der Religionspolitologie
Wer Religion verkennt, erkennt Politik nicht
Der Religionspolitologe Prof. Dr. Claus-Ekkehard Bärsch ist
heute abend Studiogast in Nizza Thobis "Jüdischer Kultursendung" bei Radio
Lora.
Das Duisburger Institut für Religionspolitologie e.V.
untersucht Probleme des Zusammenhangs von Religion und Politik. Denn in der
Politik wirken Überzeugungen, Wissen, Fiktionen, Meinungen und eben auch
Formen und Variationen des Glaubens. Deshalb lautet der Grundsatz des
Instituts: "Wer Religion verkennt, erkennt Politik nicht."
In dem noch neuen Forschungsansatz der Religionspolitologie
geht es einerseits um die Erforschung politischer Aussagen, Symbole und
Interpretationen in Religionen und Theologien. Andererseits werden religiöse
und kryptoreligöse Muster und Deutungen in politischer Theorie und Praxis in
den Blick genommen.
Die Religionspolitologie ist eine
neue Teildisziplin der Politischen Wissenschaften. Lange galt das Verhältnis
zwischen Politik und Religion als historisch und wissenschaftlich erledigt.
Säkularisierung und Laizismus schienen dieses für das Verständnis von
politischer Realität zentrale Verhältnis aus dem Blickwinkel gerückt zu
haben. Nun scheint die Religion wieder in verschiedenen Hinsichten in das
Bewusstsein von Politik einzubrechen. Die in letzter Zeit häufig
konstatierte Renaissance der Religionen, die insbesondere in Verbindung mit
Krieg und Terror Beachtung fand, ist ein Phänomen, das nicht zuletzt
aufgrund der langen Marginalisierung in den Politischen Wissenschaften noch
viele ungeklärte Probleme anzeigt.
In
dem
Sammelband werden Prozesse untersucht, die den wechselseitigen
Einfluß im Verhältnis von Politik und Religion ausweisen und reflektieren.
Von Prof. Bärsch findet sich auch ein
reigionspolitologischer Beitrag in "Die
Konstruktion der Nation gegen die Juden". Die
Phänomene von Nationalismus und Antisemitismus sind zwar in zahlreichen
Untersuchungen erforscht worden, die meisten Untersuchungen geben aber nur
mangelhafte Erklärungen für deren Verbindung.
Als Begleitphänomen des modernen Nationalismus erscheint der Antisemitismus
als ein mysteriöser Schatten der politischen Moderne. Die antijüdischen
Differenzkonstruktionen können aber letztlich nicht ohne die
Identitätskonstruktion der jeweiligen Nation verstanden werden. Dies gilt um
so mehr, als die Feindseligkeit gegenüber Juden nicht mehr nur durch den
Gegensatz Christentum / Judentum inspiriert wird, sondern durch das
politische Kollektiv, durch die Nation, die nunmehr ihrem 'Wesen' nach von
den Juden verschieden sein sollte.
Um die Ein- und Ausgrenzungsprozesse der nationalen Gesellschaften erklären
zu können, müssen die jeweiligen Vorstellungen von der Nation rekonstruiert
werden, auf deren Grundlage die Juden als anders, mithin als Feinde
definiert werden. In diesem Band werden Ideen und Formationen der Nation
erörtert, die den modernen Antisemitismus bedingen und hervorgebracht haben.
Der Zusammenhang von spezifischen Konstruktionen der Nation und den
Phänomenen der Judenfeindschaft wird hier aus historischer,
sozialwissenschaftlicher, politologischer und psychologischer Perspektive
diskutiert.
Die Autoren aus Israel, Großbritannien, den USA, Frankreich, den
Niederlanden und Deutschland konzentrieren sich zwar auf die antijüdischen
Tendenzen in der deutschen Nationalbewegung und im deutschen Nationalismus,
beziehen jedoch in vergleichender Perspektive auch andere Nationalbewegungen
mit ein. Insbesondere werden durch den interdisziplinären Ansatz des Bandes
neue Interpretationen und Aspekte in die Diskussion über den Antisemitismus
eingeführt.
Neben Beiträgen von George L. Mosse und Peter Pulzer, die einen allgemeinen
Überblick entwerfen, und Cornelius Castoriadis, der einen grundlegenden
Aufsatz über den Haß vorlegt, schreiben vierzehn Autoren zu verschiedenen
Aspekten dieses aktuellen und wichtigen Themas, unter ihnen auch der
Religionspolitologe Prof. Dr. Claus-Ekkehard Bärsch.
In "Die
politische Religion des Nationalsozialismus" untersucht Bärsch die
unmittelbaren Aussagen repräsentativer Nationalsozialisten im Hinblick auf
die ihrer Überzeugung nach wesentlichen Inhalte ihrer Weltanschauung? Wie
haben sie Mensch, Gesellschaft, Welt und Geschichte wahrgenommen? Mit
welchen Kriterien und Kategorien sind die Texte von Dietrich Eckart, Joseph
Goebbels, Alfred Rosenberg und Adolf Hitler zu analysieren?
Mit Hilfe dieser angelegten Fragen gelingt es dem Religionspolitologen, die
repräsentative nationalsozialistische Weltanschauung in ihren zentralen
Gehalten transparent zu machen.
Neben der von Michael Ley und Julius H. Schoeps bereits
1997 herausgegebenen Aufsatzsammlung zur politischen Religion des
Nationalsozialismus bildet das Werk von Claus-Ekkehard Bärsch den
aktuellsten Beitrag zu dieser Diskussion. Der Autor versteht seinen Ansatz
insofern als revolutionär, als daß er in einer bisher nie dagewesenen
Intensität religionspolitologische Kategorien bei der Erfassung und
Auswertung der NS-Quellen anwendet. Im Zentrum seiner Untersuchungen stehen
dabei die wichtigsten Schriften der Personen, welche die Ideologie des
Nationalsozialismus entscheidend prägten: Adolf Hitler, Joseph Goebbels,
Dietrich Eckart und Alfred Rosenberg. Doch der Autor geht noch weiter. Er
wendet seinen Blick ebenso auf die politische Theologie Hegels wie auf den
religiös motivierten Antisemitismus des Mittelalters, um die Wurzeln des
ideologischen Selbstverständnisses der NSDAP herauszuarbeiten. Ausgehend von
der Gedankenwelt der NS-Protagonisten versucht Bärsch, die Auswirkungen der
zur Schau getragenen Überzeugungen auf "das Volk" und den Stellenwert der
politischen Religiosität für die Funktion des NS-Staates zu ermitteln.
Leider gelingt es dem Autor kaum, den Leser zur Thematik hinzuführen. Er
verlangt vielmehr breitere Vorkenntnisse in der politischen Soziologie, was
das Werk zwar für weitergehende Forschungen in diesem Bereich empfiehlt, für
einen Einstieg aber wenig geeignet erscheinen lässt. Die Entschuldigung des
Autors, daß er weder dem Leser, noch sich selbst die "mühsame Lektüre"
ersparen konnte, wirkt eher befremdlich. Das Literaturverzeichnis ist sehr
empfehlenswert.
Heute im Jüdischen Kulturmagazin:
Linker
Antisemitismus und Nahostkonflikt
Unter dem Motto "jewish topics and literature" geht es um
Brumliks gerade erschiene "Kritik
des Zionismus". Hier stellt er, sechzig Jahre nach der Gründung des
Staates Israel und vierzig Jahre nach der Eroberung und Besiedlung des
Westjordanlandes, die Frage nach den faktischen, moralischen und kulturellen
Bedingungen, unter denen das jüdische Volk sich "zu einer modernen Nation
mit einem modernen Nationalstaat" bildete...
Am Freitag, dem 28. September 2007, 19:00 Uhr: Jüdische
Kultursendung +++ Radio LORA 92,4 +++ Kabelfrequenz 96,75 +++ Radio LORA
München ist das politisch- und parteienunabhängige Münchner Wortradio +++
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um Muenchen nur mo.-fr. zw. 17 und 24 Uhr, ist aber hier 24 Stunden im
Internet hoerbar +++ die stuendliche Wiederholung des neuesten Lora-Magazins
startet werktags um 19 Uhr, ab Samstag 19 Uhr sind nochmal alle 5 Magazine
der Woche hintereinander zu hoeren!
Kultur bei Radio Lora - das ist gnadenlos subjektiv und
offen.
Die jüdische Kultursendung wird von Nizza Thobi moderiert.
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