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Geschichte boomt im Alltag:
Bringt sie ein Jobwunder für Historiker?

Von Christian Saehrendt

Geschichte boomt im Alltag: Spektakuläre Denkmäler werden gebaut und vielerorts Museen gegründet. Das Fernsehen sendet Doku-Dramen und Unternehmen geben dickleibige Publikationen zur Firmengeschichte in Auftrag. Im Design, in Musik und Mode jagte ein Retro-Trend den nächsten und mancher Musikclub feiert nun schon Oldie-Parties im Stil der 1990er.

Während der akademische Stellenmarkt für Historiker und Historikerinnen immer enger wird, scheint sich 'Geschichte' als  ökonomischer Faktor in den Medien und im Tourismus etabliert zu haben. Finden die frischgebackenen Absolventen der Geschichtswissenschaft hier Berufsperspektiven, die über den Erwartungshorizont der "Generation Praktikum" hinausweisen?

Die kurze Hochkonjunktur der Unternehmensgeschichte

In der 1990er Jahren waren viele deutsche Unternehmen dazu gezwungen, sich eiligst und fachlich korrekt mit ihrer Firmengeschichte zu befassen: Die Debatten um "Raubgold", "Arisierungs"-profite und Zwangsarbeiterbeschäftigung wirkten Wunder, weil Prozesse anhängig waren und es um sehr viel Geld ging. Firmen ordneten ihre Archive und begannen, die eigene Geschichte für Werbung und Vermarktung zu nutzen. Nicht wenige Absolventen der Geschichtswissenschaft sahen hier ihre Chance und machten sich selbständig. Manche, wie Beate Schreiber mit ihrem privaten historischen Forschungsinstitut Facts & Files, erhielten Rechercheaufträge im Rahmen von Immobilien-Restitutionsverfahren. Andere, wie Alexander Schug, Mitinhaber der Vergangenheitsagentur, widmeten sich der Produktion von Jubiläumsschriften.

Der Bereich Archivierung, Recherche und historische Beratung schien ein hoffnungsvolles Arbeitsfeld für Historiker zu werden. Realistisch betrachtet, entstanden hier aber nur wenige Vollzeitarbeitsplätze. Meistens handelte es sich um Kleinstbetriebe, die auf einen Fundus freier Mitarbeiter zurückgreifen, um sich der wechselhaften Auftragslage anpassen zu können. Manch Promovierter mußte schnell die Erfahrung machen, ins Bildschirmproletariat der Scheinselbständigen abzusinken, die für wenige Euro pro Stunde recherchieren und archivieren. Branchenkenner wie Schug, der sich als Promotor eines offensiven "History-Marketings" versteht, zweifeln, daß hier noch bedeutende Wachstumschancen vorhanden sind, weil die großen wirtschaftshistorischen Streitfälle, die die Zeit des Nationalsozialismus betreffen, im Laufe der 1990er Jahre gelöst wurden. Überdies leisten sich nur wenige Unternehmen wie etwa die Deutsche Bank oder Volkswagen eigene historische Institute mit Festangestellten.

Die bunte Welt der Geschichtsmagazine

Verlage und Fernsehsender setzen seit einigen Jahren verstärkt auf Geschichtsmagazine und Dokumentationen. Eine umfangreiche Palette von Geschichtsmagazinen hat sich  herausgebildet, die gemeinsam eine monatliche Auflage von über 250.000 Exemplaren erreichen. Alle buhlen um den gebildeten, vermögenden Leser, verweisen auf den hohen Akademikeranteil unter ihrer Leserschaft, um Werbekunden zu gewinnen. Zeitschriften wie Damals, Geschichte, PM-History oder Geo-Epoche bewegen sich im populärwissenschaftlichen Feld und pflegen eine stark personalisierte und bunt bebilderte Perspektive auf die Geschichte.

Fachberater und Fachjournalisten erstellen die Texte und Literaturhinweise, Fachhistoriker sind nicht unbedingt willkommen, so Klaus Hillingmeier von Geschichte: "Leider fehlt es vielen wissenschaftlichen Autoren an der Fähigkeit, spannend und dramatisch zu schreiben und den Leser in den Text hineinzuziehen. Anders als in Großbritannien werden unsere Historiker ja auf einen knochentrockenen Schreibstil dressiert und zudem sind bei uns die Anmerkungen in der Regel oft wichtiger als gut formulierte Informationen."

Auch auf dem Zeitschriftenmarkt scheint das Wachstum an seine Grenzen gestoßen zu sein, so Sascha Priester, promovierter Historiker bei PM-History:  "Zwar werden die Anbieter schubweise mehr und dann auch mal wieder weniger, aber der Markt zum Thema 'Geschichte' ist kein rasant wachsender - eher gleicht er einer Torte, deren Stücke immer mehr und deshalb natürlich im kleiner werden." Geschichtsmedien haben eine schmale ökonomische Basis. Ihr Anzeigenmarkt ist begrenzt, denn bei Marketing-Agenturen gelten historisch Interessierte eigenartigerweise als unattraktive Zielgruppe – offenbar hält man sie dort für strickjackentragende, weltfremde Grübler.

Geschichts-TV im Aufwind

Als Erfolgsmodelle für das Geschichts-Fernsehen gelten weithin die Serien des ZDF, vor allem die berüchtigte "Hitler"-Reihe. Chefredakteur Guido Knopp behauptet, mit seiner Erzähltechnik "junge" Zuschauergruppen – Menschen unter 50 – erreicht zu haben und internationaler Trendsetter zu sein. Tatsächlich wurden die ZDF-Produktionen in zahlreiche Länder verkauft. Zwanzig Sendeplätze hat das ZDF der Zeitgeschichte jährlich zur Hauptsendezeit reserviert. Man setzt auf die Emotionalisierung des Zuschauers durch erzählerische Elemente, nachgespielte Szenen, Spannungsmusik und den ausufernden Einsatz von Bildmaterial und Zeitzeugen.

Angeregt durch den Erfolg dieser Serie, haben einige Fernsehsender mit historisierenden Spielfilmen nachgelegt, wobei die ZDF-Produktion "Dresden" der bislang teuerste und aufwendigste Film war. Der Zweiteiler erzielte die höchste, je für einen deutschen Spielfilm gemessene Quote, was das Thema 'Geschichte' für die Werbewirtschaft interessant macht. Produktionsfirmen, die den Sendern permanent neue Exposes zu historischen Themen anbieten, sind davon überzeugt, daß 'Geschichte' ein Programm-Dauerbrenner bleiben wird. Florian Hartung, Leiter der Dokumentarabteilung von Pro GmbH, eine 1980 von Alfred Biolek gegründeten Firma, die hauptsächlich für das ZDF arbeitet, glaubt, daß auch abseits des großen Themas 'Zweiter Weltkrieg' noch interessante Ereignisse aus der Zeitgeschichte fernsehgerecht aufzubereiten seien.

Wenn sich ein historisches Ereignis nähert, erhalten die Sender nicht selten Mehrfachangebote. So berichtet Reinhard Griebner, Leiter des Bereichs Dokumentationen beim Fernsehen des regionalen Senders RBB, er habe fast ein Dutzend Angebote erhalten, als das Jubiläum des Berliner Kaufhauses KDW anstand. Auch in diesem Bereich sind zahlreiche Freiberufler und Scheinselbständige anzutreffen, die im Dickicht kleiner und mittlerer Produktionsfirmen agieren. Profunde historische Kenntnisse sind hier hilfreich, doch Eigenschaften wie schnelle Auffassungsgabe und Recherchetechnik, Kommunikationsstärke und die Fähigkeit zur hemmungslosen Selbstvermarktung sind noch wichtiger. Eine honorige Fachberatertätigkeit kommt bei großen Produktionen eher etablierten Historikern zu, bei "Dresden" war es der Militärhistoriker Rolf-Dieter Müller.

Tourismus und historische Events

Die Veranstaltungskalender der Geschichtszeitschriften offenbaren zahllose Ritterturniere, Gauklermärkte und historische Stadtfeste. Hier beginnt das lukrative Feld des Tourismus. Die eingangs erwähnte Welle von Museumsgründungen und umfangreiche Restaurieren historischer Bausubstanz zeigen, daß 'Geschichte' ein wichtiger Aspekt touristischer Konzepte bleiben wird. Sollte die Musealisierung des Alltags in Deutschland weiter voranschreiten, könnte man versucht sein, wie etwa in den amerikanischen Touristenattraktionen Historic St. Mary's City oder Fredericksburg, "lebende Geschichtsbilder" an historischen Orten zu inszenieren. Im Rahmen beschäftigungsintensiver Konzepte wäre es dann möglich, die Heidelberger Altstadt, Schloß Neuschwanstein oder Rothenburg ob der Tauber mit kostümierten Statisten zu besiedeln – sicherlich zur Freude asiatischer und amerikanischer Touristen, die perfekte Inszenierungen lieben. Und ein Bachelor oder Magisterabschluß wäre da sicher kein Einstellungshindernis.

Aber noch ist es nicht soweit. Historische Fachkenntnis ist für leitende Positionen in der Tourismusbranche und beim Städtemarketing leider nicht unbedingt gefragt. Sinnvoller ist es, die Historikerkompetenz in Nischenunternehmen einzubringen: Thematische und historische Stadtführungen, ungewöhnliche und exklusive Besichtigungen bietet z. B. die Eventagentur Zeitreisen für Gruppen und Firmenfeiern. Inga Jacob organisiert mit ihrer Agentur Eventaganza stilgerechte Parties im Look der 1920er oder 1950er Jahre. In ihren "Salon Edelstahl", der die Stimmung des Jahres 1926 originalgetreu durch Grammophonmusik, Garderobe und Tanzkünste zu kopieren sucht, gelangt man nur durch persönliche Bewerbung.

Fazit: Kann man mit 'Geschichte' Geld verdienen?

Viele der geschilderten Unternehmen können nur auf einem geschichtsträchtigen Pflaster wie in Berlin gedeihen, wo viele Touristen zu erwarten sind. In anderen Orten ist der Markt für 'Geschichte' noch viel kleiner und reicht oft nicht einmal für einen Anbieter. Bleibt die abschließende Frage: Läßt sich abseits von Universität und Schule mit 'Geschichte' Geld verdienen? Unmöglich ist es nicht: Mit einem Höchstmaß an Unternehmerelan und der Fähigkeit, Marktlücken zu finden, läßt sich im Bereich eines qualitativen Tourismus und in der "Zulieferindustrie" für Geschichtsmedien durchaus eine Existenz aufbauen. Zukunft hat Geschichte jedenfalls: Der demographische Wandel läßt erwarten, daß das Ende der großen Geschichtsseligkeit nicht abzusehen ist. Ältere Menschen blicken gerne zurück: Das Langzeitgedächtnis funktioniert auch noch im Alter tadellos, während das Kurzzeitgedächtnis rascher schwindet. Und die älteren Jahrgänge werden in Zukunft noch deutlicher die Mehrheit der Kunden und Konsumenten stellen.

Zusammenfassung der Lehrveranstaltungen von Dr. Christian Saehrendt "Histotainment: Geschichte als Unterhaltungsfaktor in Medien und Tourismus", Übung mit Exkursionen (Sommersemester 2006 und Wintersemester 2006/2007)

Roter Wedding, Rosa und Karl:
Geschichtstourismus auf den Spuren des Kommunismus in Berlin
Berlin war als klassische Industriemetropole des 20. Jahrhunderts eine derjenigen europäischen Städte, die von der radikalen Arbeiterbewegung am stärksten geprägt wurde. Wer heute nach den Spuren dieser turbulenten Zeit sucht, nach baulichen Überresten, Denkmälern oder Museen, wird hauptsächlich im Osten fündig...

Ein wachsender Geschichtstourismus auf den Spuren des Nationalsozialismus:
Die Stadt als Freilichtmuseum
Berlin verfügt über eine Vielzahl von authentischen Stätten der nationalsozialistischen Geschichte. Obwohl Berlin nie Hochburg des Nationalsozialismus war, sorgte seine Hauptstadtfunktion für eine beispiellose Zusammenballung von Kultarchitektur, Funktionsbauten und politischen Entscheidungszentren des "Dritten Reiches." Diese Objekte sind zum großen Teil im Krieg zerstört worden. Was sich erhalten hat, wurde teils museal aufbereitet, teils neuen Nutzungen ausgesetzt...

Ein letzter Gruß an die Basis:
Das Berliner "Denkzeichen für Rosa-Luxemburg" als geschichtspolitisches Projekt
Mit dem Eintritt der SED-Nachfolgepartei PDS in die Berliner Landesregierung vor fünf Jahren setzte wieder eine vorsichtige Verehrung kommunistischer Helden in der deutschen Hauptstadt ein...

hagalil.com 06-08-2007

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