Ein Thema, zwei Meinungen
Die "Linke" und ihr Verhältnis zu Israel:
"So erzeugt man Feindbilder"
Bodo
Ramelow
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http://www.bodo-ramelow.de
Herr Ramelow, um mit einer Berliner
Boulevardzeitung einzusteigen: Wie nah sind sich Linkspartei und
NPD?
Gar nicht. Die NPD versucht, mit einem Wechsel der
politischen Strategie, ihr Gewicht zu vergrößern. Sie hängt sich an
uns dran und beschreibt Dinge, die eine politische Gemeinsamkeit
vorgaukeln. Die Strategie besteht schon länger und heißt
«Querfront», was sich auf die Zusammenarbeit von Rechten und Linken
in der Weimarer Republik bezieht. Das war die Strategie, die direkt
in die KZs geführt hat. Indem sie behauptet, einen
antikapitalistischen Kurs zu fahren, versucht die NPD jedoch
hauptsächlich, ihrem Verbot zu entgehen.
«Wer solche Freunde hat, sollte sich überlegen,
ob er nicht etwas falsch macht» ist ein Satz, der an Ihre Partei im
Zusammenhang mit den Annäherungsversuchen rechter Gruppierungen
gerichtet wird - insbesondere was die Position im Nahost-Konflikt
angeht...
Wenn die Nazis Teile unseres Programms übernehmen
und mit ihrer eigenen Ideologie vermischen, dann ist das deren
bewusste Strategie. Es sind nicht unsere Freunde und ich kann eine
solche Frage nicht beantworten. Auch bei den Demonstrationen gegen
Hartz IV sind die hinter uns hergelaufen und haben unsere Plakate
verfälscht und hochgehalten. Ich selbst habe in zwei Fällen die
Polizei aufgefordert, die Rechten von den Demonstrationen zu
entfernen, weil sie nicht willkommen sind. Aber unser Protest gegen
Hartz IV wird davon nicht weniger richtig oder wichtig. Warum stellt
man uns im Zusammenhang des Nahost-Konflikts nicht die Hauptfrage:
Wie verhaltet Ihr Euch zu der Situation, die Israel seit seiner
Existenz aushalten muss, dem permanenten Versuch, das Land mit
militärischer Kraft zu zerstören? Diesem permanenten Druck
widersteht der Staat Israel gemeinsam mit seinem Bürgern, indem er
sich militärisch zur Wehr setzt. Das ist für mich eine
Selbstverständlichkeit, die sich aus den Entscheidungen der UNO
ableitet. Ich muss bei der Linken manchmal daran erinnern, dass die
Sowjetunion damals diesem Beschluss zugestimmt hat. Die
UNO-Entscheidung zur Entstehung des Staates Israels ist unantastbar.
Deshalb sind auch alle anderen Fragen im Nahen Osten auf der Basis
dieser UNO-Beschlüsse zu debattieren.
Und wie viel Antizionismus aus der DDR hat sich
an die «Linke» weitervererbt?
Ich glaube, der lebt nicht nur in der «Linken»
weiter. Insofern ist die Frage von Antizionismus und Antisemitismus
immer zu stellen. Wir müssen unglaublich wachsam sein, weil beides
oft mit großer Selbstverständlichkeit daher kommt. Ich war gerade in
Prag, um mit dortigen Linken Fragen zu besprechen, die ich als
Deutscher zur Debatte gestellt habe. Denn wenn davon die Rede ist,
dass die meisten der heutigen Oligarchen Russlands Juden seien,
kommen schnell antisemitische Klischees ins Spiel. Dem
entgegenzutreten, ist für mich Teil der deutschen Verantwortung für
unsere Geschichte. Dennoch hat es überhaupt keinen Sinn zu sagen:
Die «Linke» ist der Hort des Antizionismus. Denn den finden Sie
überall, gerade in der Bevölkerung der ehemaligen DDR. Mich als
Westdeutschen hat es immer verwundert, dass man bei aller
Erinnerungsarbeit, die man in der DDR für die Opfer des Faschismus
geleistet hat, die Juden als größte Opfergruppe meist außen vor
gelassen hatte. Es gab hier eine Leerstelle, die bewusst nicht
besetzt wurde. Da muss man aber über die DDR als Ganzes reden. Es
hilft nichts, dass man das instrumentell einer einzelnen Partei
vorhält.
Woher kommt es, dass führende linke Politiker
von Hugo Chavez bis Oskar Lafontaine vorsichtig formuliert ihre
Probleme mit Israel zu haben scheinen, was wiederum den Zentralrat
der Juden in Deutschland, insbesondere dessen Vizepräsidenten Dieter
Graumann, zur pauschalen Ablehnung der neu gegründeten Linkspartei
veranlasste?
Ich habe bislang keine Position des Zentralrats
gesehen, in der man uns pauschal kritisiert hätte. Ich habe
lediglich die Position von Herrn Graumann gesehen. Er wiederholte
das, was er auf erbärmliche Art in der Paulskirche gesagt hat.
Damals führte dies dazu, dass unsere Vertreter die Veranstaltung
verlassen haben. Man hat ihn aufgefordert zu belegen, was er da von
sich gab. Er kann nicht über andere Menschen etwas sagen, um seine
eigenen Feindbilder zu bedienen und das Behauptete nicht belegen.
Dieter Graumann hat von Oskar Lafontaine unmittelbar einen Brief
bekommen und es erfolgten Einladungen zum Gespräch. Graumann selbst
hat Lafontaine ja deshalb scherzhaft als seinen neuen «Brieffreund»
bezeichnet. Ich finde es wirklich grauenvoll, dass Graumann
anschließend einfach dieselben Sachen wiederholt hat. Dass er eine
Mischung aus SED und Lafontaine macht, ist dabei einfach verquer: So
erzeugt man Feindbilder.
Der Zentralrat hat also keine Probleme mit
Ihrer Partei?
Mit dem Zentralrat arbeiten wir bislang, etwa als
sich die Deutsche Bahn bezüglich der Ausstellung über deportierte
Kinder so erbärmlich verhielt, gut zusammen. Wir sind auf die
Vertreter jüdischer Organisationen zugegangen und haben dazu
eingeladen, uns kritisch zu begleiten. Insofern ist es absolut in
Ordnung, dass es Fragen vom Zentralrat gibt, wie wir mit Hamas und
Hisbollah umgehen. Das American Jewish Committee hat mich das auch
gefragt. Ich bin mit dieser Frage in die Fraktion gegangen und wir
haben angefangen, darüber zu diskutieren. Als die so genannte
Holocaust-Konferenz in Teheran stattfand, war sie der Grund dafür,
dass Oskar Lafontaine seine Reise in den Iran abgesagt hat. Wir
haben gesagt: Wir dürfen uns noch nicht einmal im Entferntesten in
die Nähe solcher Umtriebe begeben.
Aber in der Partei gibt es starke Vorbehalte
gegen israelische Politik, was oft mit Sympathie für Hisbollah und
Hamas einhergeht.
Es wird in der Tat in der Partei viel darüber
diskutiert und wir stellen uns diesen Streitgesprächen, die im Jahr
2006 vor der Berliner Wahl begannen, als ein Kandidat der «Linken»
meinte, er müsse die Hamas als «Volksbefreiungs-bewegung»
bezeichnen. Das hat auch parteiintern zu heftigen Reaktionen aller
derjenigen geführt, die sagen, dass es inakzeptabel ist, wenn
Organisationen, die die Vernichtung Israels fordern, unterstützt
werden. Die Raketen, die Nacht für Nacht auf Israel niedergehen,
beweisen, dass es von der Rhetorik zur Tat nur ein kleiner Schritt
ist. Dies kann man weder verharmlosen noch tolerieren. Das darf auch
nicht mit einer Diskussion über bestimmte israelische
Vorgehensweisen vermischt werden. Die möchte ich dann allerdings
auch ausschließlich mit Vertretern des israelischen Staates führen -
nicht mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland. Denn das sind
Fragen an die Staatsvertreter Israels: Was macht Ihr da militärisch?
Habt Ihr immer die richtige Antwort? Das sind für mich aber zwei
völlig verschiedene Sachen. Eine Logik, die sagt, das eine ist
Volksbefreiung und das andere Staatsterrorismus, kann ich nicht
akzeptieren. Wer davon redet, dass Israel Unrecht tut, blendet die
Raketen der Hisbollah aus. Mein Eindruck ist, dass diese Meinung
auch in meiner Partei eine überzeugende Mehrheit hat und nicht, dass
ich hier eine Minderheit vertrete.
Sind Linke sicher vor antisemitischen
Tendenzen?
Was mich nachdenklich stimmt, ist eine
wissenschaftliche Analyse über Antisemitismus im linken Spektrum.
Darin wird auch die Organisation «Linksruck»
benannt, die innerhalb der neuen «Linken» kooperiert. Ich habe die
Vertreter dieser Gruppe mit den entsprechenden Analysen
konfrontiert, woraus ein Diskurs entstand, der nicht unbedingt nur
angenehm war. Aber auch diese Diskussion wird geführt. Es sind uns
daher kritische Fragen sehr willkommen. Die «Linke» stellt sich
dieser Verantwortung!
Die
"Linke" und ihr
Verhältnis zu Israel:
"Eine empörende Feindseligkeit"
meint Dieter Graumann
Die Gespräche führte Moritz Reininghaus für die
"Jüdische Zeitung" im
07-2007 |