Ami Ayalon:
Marine-General und Favorit der israelischen Arbeitspartei
Drei
Tage vor der Stichwahl um den Vorsitz der israelischen Arbeitspartei sieht
es so aus, als ob nicht Ex-Premier Ehud Barak das Rennen machen würde,
sondern sein Widersacher Ami Ayalon. Nachdem sich Noch-Parteichef Amir
Peretz für den kleinen, rastlosen Ayalon ausgesprochen hat, sagen Umfragen
ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus. Bereits im ersten Wahlgang hatte Ayalon mit
rund 32 Prozent der Stimmen einen beachtlichen zweiten Platz hinter Barak
erzielt, der auf 36 Prozent kam.
Mit Argwohn betrachtet Regierungschef Ehud Olmert Ayalons
Aufstieg. Denn sollte dieser gewinnen, will er die Arbeitspartei aus der
Regierungskoalition zurückziehen - es sei denn, Olmert trete freiwillig
zurück. Ayalon wünscht sich Außenministerin Tzipi Livni als neue
"Kadima"-Parteichefin. Die beiden harmonieren miteinander.
Ebenso wie Livni setzt Ayalon auf eine Zwei-Staaten-Lösung mit den
Palästinensern und auf Diplomatie, aber weniger auf die Allmacht der Armee.
Gemeinsam mit dem palästinensischen Intellektuellen und Direktor der
Al-Kuds-Universität in Ost-Jerusalem, Sari Nusseibeh, hat Ayalon 2002 den
"Nationalen Appell" gegründet und bislang mehr als 200 000 Unterschriften
für die Friedensinitiative gesammelt, die der jüngsten arabischen ähnlich
ist. Die Palästinenser sollen demnach einen Staat im Gazastreifen und im
Westjordanland erhalten, mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Im Gegenzug
sollen sie Israel anerkennen. Sogar mit der Hamas würde Ayalon reden.
Im Nahost-Konflikt steht der 61-Jährige für frischen Wind und Flexibilität,
vor allem auch deshalb, weil seine Vita ihn nicht als Friedenstaube
ausweist. Zwar hat er Sozialwissenschaften studiert und Management in
Harvard; fast 32 Jahre lang aber diente Ayalon der Marine, als Kommandeur
und anschließend als deren Befehlshaber. Nach dem Mord am früheren
Premierminister Jitzchak Rabin übernahm er die Führung des
Inlandsgeheimdienstes Shin Bet. "Ich habe sehr viele Araber getötet,
womöglich mehr als Hamas-Kämpfer Juden getötet haben", hat Ayalon kürzlich
gesagt. Dennoch sei er stets vom Credo seiner Ehefrau geleitet worden,
wonach "Juden nur dann sicher leben werden, wenn die Palästinenser Hoffnung
haben".
Mit dieser Losung und der Empfehlung, den palästinensischen Nationaldichter
Mahmud Darwisch zu lesen, um die Palästinenser zu verstehen, will Ayalon nun
die Vorstandswahl gewinnen und die sozialdemokratischen Wurzeln seiner
Partei wieder stärken. Er gilt als direkt und ehrlich. Aber als politischer
Neuling mit nur 14 Monaten Abgeordnetenerfahrung wirkt er mitunter auch
naiv. Gleichwohl hat er das politische Spiel schon begriffen. Der
Sportschwimmer und Fußballspieler schließt nun auch einen Verbleib in
Olmerts Koalition nicht mehr völlig aus. Dahinter steckt vermutlich die
Furcht, dass bei einem Rückzug der Arbeitspartei aus der Regierung Neuwahlen
ausgerufen werden müssten. Und deren Gewinner wäre dann wohl nicht etwa der
unbekannte Palästinenserfreund Ayalon, sondern der rechtsnationale Likud von
Oppositionschef Benjamin Netanjahu, der die Besatzung aufrechterhalten will.
Thorsten Schmitz
(Von Thorsten Schmitz, Süddeutsche Zeitung
v.
9.6.2007)
Mit freundlicher Genehmigung der
Süddeutschen Zeitung und der
DIZ München
GmbH
hagalil.com 10-06-2007 |