Letzte Woche kehrte ich von einer Vortragsreihe in der Schweiz zurück,
bei der ich unter anderem von der Odyssee des Flüchtlingsschiffs "Exodus" im
Jahre 1947 erzählte. Im Verlauf meines Aufenthalts wurde ich von einigen
Zeitungen interviewt, auch von der wichtigsten im Land und einer der
wichtigsten Europas, der "Neuen Züricher Zeitung".
Mein Gesprächspartner, einer der Redakteure der Zeitung, sprach mit mir
natürlich auch über das heutige Israel und den Nahost-Konflikt. Er zeigt mir
einige Artikel, die ich in den letzten Monaten veröffentlicht habe, und
fragte mich, ob ich nicht übertreibe, wenn ich behaupte, dass der
Antisemitismus in fast der ganzen Welt ständig zunehme. "Vielleicht irren
Sie sich?", fragte er. "Vielleicht handelt es sich nicht um Antisemitismus,
sondern um Anti-Zionismus und Ablehnung der Palästinenserpolitik Israels,
könnte das nicht sein?"
Und darin liegt die Wurzel des Problems. Seit Jahren verstecken sich die
diversen Antisemiten hinter dem Argument der Ablehnung des Zionismus und der
Palästinenserpolitik Israels. "Wir haben nichts gegen die Juden", erklären
sie immer wieder. "Aber wir lehnen die Politik Israels ab."
Das ist eine grobe Lüge. Sind die Angriffe auf Synagogen und jüdische
Einrichtungen, die Schändung von Friedhöfen und der Angriff auf religiöse
Juden Ausdruck von "AntiZionismus"? Fanden die Ermordung eines jungen Juden
und der versuchte Lynchmord eines anderen (beide Fälle in Frankreich) im
Rahmen der "Ablehnung der israelischen Politik" statt? Im letzten Monat
erklärten über 50% der ukrainischen Bürger, in ihrem Land gäbe es zu viele
Juden und man müsse dafür sorgen, "ihre Zahl einzuschränken". Ist auch das
"Anti-Zionismus"?
Vor einigen Tagen wurde eine Umfrage
veröffentlicht, die ein wichtiges deutsches Institut zu den
deutsch-israelischen Beziehungen abhielt. Die Ergebnisse waren beunruhigend:
44% der Befragen haben eine negative Meinung von Israel, und eine
entscheidende Mehrheit der Deutschen (78%) sind der Meinung, Deutschland
müsse Israel wie jedes andere Land behandeln. So als seien die Großväter
oder Väter der Befragten nicht an der Ermordung von sechs Millionen Juden
beteiligt gewesen. So als gäbe es heute keine Juden mehr, die durch ein
Wunder die deutsche "Endlösung" überlebt haben. Diese erklärte
Gleichgültigkeit von 78% der neuen Deutschen gegenüber dem jüdischen Staat,
der auf den Trümmern des europäischen Judentums entstanden ist, ist nichts
anderes, als ein Ausdruck des latenten Antisemitismus. Ansonsten hätten sie
geantwortet, dass Deutschland durchaus eine Verpflichtung gegenüber den
Überlebenden und den Nachkommen der Opfer hat, sich jedoch von der Politik
Israel distanzieren kann. Aber sie sagten ganz einfach "nein" zu Israel.
"Nein" zum Staat der Juden.
Wenn der iranische Präsident immer wieder öffentlich erklärt, Israel
müsse von der Weltkarte gelöscht werden, dann sagt er nicht, dass "die
Zionisten" ausgelöscht werden müssen. Er will den ganzen jüdischen Staat
vernichten. Die Tatsache, dass bisher kein einziger Staat aufgestanden ist
und gefordert hat, den Iran aus der UNO zu entfernen, ist der beste Beweis
für den Sinneswandel und die Haltung der Welt gegenüber dem jüdischen Staat.
Der Mangel an Protest zeigt, dass der Verrückte aus Teheran mit seiner
Meinung nicht alleine ist.
Nein. Es gibt keinen Anti-Zionismus und keinen Anti-Israelismus. Es gibt
nur Antisemitismus, auch wenn er heute anders genannt wird.