In Jedioth
achronoth analysiert Seffi Hendler den derzeitigen Präsidenten Frankreichs
und dessen Einschätzung der Lage in Nahost.
Wenn es etwas gibt, worüber sich die vielen Kritiker und wenigen
Befürworter Jacques Chiracs einig sind, dann ist das die Tatsache, dass der
derzeitige "gaullistische" Präsident mit dem Original nicht viel gemeinsam
hat.
General De Gaulle war und ist ein Symbol für politischen Mut, während
Chirac ein Politiker ist, der schwere Entscheidungen wie das Feuer meidet.
De Gaulle trat zurück, als er in einem Referendum eine Niederlage erlitt.
Chirac, der an elektorale Misserfolge gewöhnt ist, denkt trotz seiner
offensichtlichen Unbeliebtheit nicht einmal im Traum an einen Rücktritt.
Aber wie zwei Diagonalen treffen sich jener General und dieser Präsident
dennoch an einem Punkt, und zwar in einem kleinen Land namens Israel. Vor 40
Jahren setzte De Gaulle den Flitterwochen Frankreichs und Israels ein Ende,
als er vor dem Sechs-Tage-Krieg ein Waffenembargo gegen Israel verhängte und
damit die Grundlagen zu der pro-arabischen Politik Frankreichs legte. Die
Logik hinter seinem Beschluss erklärte er dem damaligen Außenminister
Abba-Eban: "Wenn ihr angegriffen werdet, werden wir es nicht zulassen, dass
man euch vernichtet. Wenn ihr angreift, werden wir euch verurteilen." Dieser
Haltung lag die mit Ärger gemischte Bewunderung zu Grunde, die De Gaulle
gegenüber den Juden empfand, die er als "elitistisches, arrogantes Volk"
bezeichnete. Aus seiner Sicht waren die Israeli-Juden die stärkeren, und
deshalb sollten sie damit aufhören, sich vor Vernichtung zu fürchten und
ihre Stärke dazu nützen zu siegen, ohne zu erobern.
40 Jahre später lud Präsident Chirac eine Handvoll Journalisten zu sich in
den Elysee-Palast und ließ seine eigene Bombe explodieren: "Die Tatsache,
dass der Iran über eine Atombombe verfügen könnte, ist eigentlich nicht
besonders gefährlich", verblüffte er seine Zuhörer. Chirac erklärte: "Eine
Bombe, die nicht verwendet wird, ist auch nicht gefährlich. Wo sollen sie
die Bombe denn hinschicken? Nach Israel? Die Bombe wird doch noch nicht
einmal 200 Meter geflogen sein, und Teheran wird schon ausgelöscht."
Nach der Aufregung, die diese Äußerungen verursachten, beeilten sich seine
Leute, die (amerikanischen) Medien zu beschuldigen, mit der Begründung,
Chirac habe "off the record" gesprochen. Die NY-Times bestritt dies und
behauptete, sie seien Teil des Interviews gewesen. In Frankreich führte der
Ausrutscher zu einer neuen Diskussion über den Gesundheitszustand Chiracs,
der vor anderthalb Jahren einen Schlaganfall erlitten hat. Aber Stellen in
Jerusalem sind davon überzeugt, dass Chirac das sagte, was man in Frankreich
schon seit langem hinter geschlossenen Türen sagt, und der Präsident
versehentlich die inoffizielle französische Haltung im Zusammenhang mit der
nahöstlichen Kräftebilanz enthüllte.
Das Modell, dem es gelang, die Welt während des Kalten Krieges zu bewahren,
soll auch zwischen Teheran und Jerusalem funktionieren. Auf der einen Seite
Olmert mit dem Finger auf dem roten Knopf, auf der anderen Seite
Ahmadinedschad. Die ungesunde Logik, die durch die Äußerungen Chiracs
enthüllt wurde, beurteilt beide Seiten völlig gleich, ohne das
"Shahid-Element" der schiitischen Tradition zu berücksichtigen. Im Iran gibt
es ja Urteile, die es ermöglichen, Millionen Moslems zu opfern, nur damit
man sich ein für allemal von der jüdischen Präsenz in der Region befreit.
Obwohl Paris offiziell zu der früheren Linie zurückkehrte ("Der Iran darf
sich nicht nuklear aufrüsten"), befindet sich die neue Formel bereits auf
dem Tisch. Man kann annehmen, dass europäische Forschungsorganisationen sie
mit Begeisterung übernehmen werden. Wie De Gaulle in jenen Tagen, ist jetzt
auch Chirac der Überzeugung, dass Israel zu stark ist, um eine Vernichtung
befürchten zu müssen. Es ist nicht sicher, ob sich De Gaulle vor 40 Jahren
geirrt hat. Es ist jedoch ziemlich klar, dass Chirac falsch liegt.