Sehr geehrte Frau Außenministerin Zippi Livni, ich erlaube mir, mich
auf diesem Wege an Sie zu wenden, in der Hoffnung, dass dadurch die
Behandlung einer Sache beschleunigt wird, die nicht länger aufgeschoben
werden darf: Die Vernachlässigung der Beziehungen zu Deutschland.
Der Zustand der Botschaft in Berlin ist ein Symptom, das Aufschluss über
die Krankheit gibt. Gemäß der Bedeutung der Beziehungen mit der
Bundesrepublik Deutschland, ist die israelische Botschaft in Berlin die
größte in Europa und nach derjenigen in Washington die zweitgrößte in der
Welt.
Doch schauen wir uns doch einmal wan, wie eine so wichtige Botschaft
aussieht? Die Amtszeit des Botschafters, Shimon Stein, wurde schon zweimal
verlängert, bis heute wurde kein Nachfolger für ihn gefunden, und so könnte
diese große Botschaft im Sommer ohne Botschafter dastehen.
Seit letztem Herbst gibt es keinen Sprecher an der Botschaft. Das Amt wird
vom Botschafter selbst ausgeübt, der sowieso schon sehr belastet ist. Erst
im Sommer wird voraussichtlich endlich einmal ein Nachfolger für den
Sprecher eintreffen. Die Verzögerung beim Amtswechsel resultierte daraus,
dass keine geeigneten, Deutsch sprechenden Kandidaten gefunden werden
konnten, die an dem Amt interessiert sind.
In den letzten Monaten gibt es an der Botschaft auch keinen politischen
Berater. Auch die Kulturabteilung ist fast völlig gelähmt. Für
Aufklärungsarbeit sind keine ausreichenden Mittel vorhanden - und all dies
in einer Zeit, in der Deutschland die Präsidentschaft sowohl über die EU als
auch über die G-8 führt und somit eine überaus zentrale Rolle in der
Weltpolitik ausübt.
Ich habe keine Ahnung, welche Berichte über den Zustand der
deutsch-israelischen Beziehungen auf Ihrem Schreibtisch landen und ob diese
Berichte angemessene Beachtung finden. Ich kann Ihnen nur sagen, dass in der
letzten Zeit eine bedeutende Verschlechterung in der Haltung der deutschen
Öffentlichkeit zu den Beziehungen mit Israel eingetreten ist, und alle
Versuche, unsere internationale Position zu verbessern, ohne Erfolg
geblieben sind.
Gerade in einer Zeit, in der es so einfach ist, um Unterstützung für Israel
zu werben - aufgrund der iranischen Atombedrohung und der anhaltenden
Aggression seitens der Palästinenser und der Hisbollah, nehmen in
Deutschland die Stimmen zu, die fordern, die Beziehungen zum Staat der
Juden, die sich auf die Holocausterinnerung stützen, nicht mehr als
einzigartig zu betrachten. Im deutschen Establishment gibt es einige, die
diese Entwicklung begrüßen und sie fördern. Für sie sind wir schon seit
langem eine Belastung.
Ende Januar fand in Berlin eine Demonstration statt, bei der die Solidarität
mit Israel und die Verurteilung des Iran zum Ausdruck gebracht wurden. Sie
zog nur einige hundert Teilnehmer an. Das schlechte Wetter und die
mangelhafte Organisation trugen sicher ihren Teil dazu bei, aber der wahre
Grund war, dass die deutsche Öffentlichkeit, einschließlich der jüdischen
Gemeinde, ganz einfach nicht ausreichend motiviert ist, für Israel auf die
Straßen zu ziehen, ganz zu schweigen davon, noch mehr für Israel zu tun.
Linke Stellen in der jüdischen Gemeinde veröffentlichen vor Kurzem eine
Petition namens "Berliner Erklärung", die die deutsche Regierung unter
anderem aufruft, "die Besatzungspolitik Israels nicht länger zu dulden" und
Israel zu verpflichten, "das Unrecht der Vertreibung der Palästinenser
anzuerkennen". Tausende haben die Petition bereits unterschrieben.
Wie lange kann man diesen Zustand noch ignorieren und so tun, als sei nichts
geschehen? Israel und seine Regierung haben sicherlich Wichtigeres zu tun,
aber vielleicht sollten den Beziehungen zu dem besten Freund Israels in
Europa ein wenig mehr Bedeutung und Inhalt beigemessen werden, bevor ein
weiteres staatliches Untersuchungs-komitee eingerichtet werden muss, das die
Fehlschläge der israelischen Außenpolitik überprüfen wird.