Ein filmisches Denkmal zur richtigen Zeit:
"Der letzte Zug"
Am 9. November, dem Jahrestag der
"Reichspogromnacht", wird in den deutschen Kinos ein neuer Film aus der
Produktionsstätte von Artur Brauner anlaufen, der ein bewegtes und ein
bewegendes filmisches Denkmal für die Opfer der Shoa ist: "Der letzte Zug".
Von Jörg Fischer
Dieser Film ist auch deshalb etwas besonderes, weil er
sich der seit einigen Jahren in der bundesrepublikanischen Filmszene zu
beobachtenden Verschiebung der Parameter, der "neuen Bewertung und
Annäherung" an die Zeit der nationalsozialistischen Barbarei entgegensetzt –
diese besorgniserregende Entwicklung zeigte sich u.a. in Zumutungen wie "Der
Untergang", in der versucht wurde, den Unmenschen zu vermenschlichen und
fast schon als bemitleidenswert darzustellen, und gleichzeitig wurden die
Opfer des Barbarei gerade noch zu einer Randbemerkung im Filmabspann
degradiert.
Unter der Regie von Joseph Vilsmaier und Dana Vavrova
entstand ein 123minütiger Film, der im Kriegsjahr 1943 spielt. Die Nazis
wollen die "Reichshauptstadt" Berlin endlich "judenrein" machen. Bis zu
diesem Zeitpunkt waren bereits über 70.000 Juden aus Berlin deportiert
worden, entweder unter tatkräftiger Mithilfe, zustimmendem Jubel oder
billigende Inkaufnahme fast aller nichtjüdischen Deutschen. Im April jenen
Jahres rollt vom Gleis 17, im Bahnhof Grunewald, ein Zug mit 688 Juden –
zusammengepfercht in Viehwaggons – Richtung Auschwitz. Ob jung oder alt, ob
studierter Akademiker, Künstler, einfacher Arbeiter oder Boxer – alles das
spielt keine Rolle mehr.
Die Reise in das Vernichtungslager soll sechs Tage dauern
– unerträgliche Hitze, Hunger und Durst sind allgegenwärtig im rollenden
Gefängnis. Dagegen kämpfen die Verzweifelten an, doch die Zeit drängt und
die Hölle von Auschwitz kommt näher und näher. Einige von ihnen entschließen
sich, einen Fluchtversuch zu wagen – darunter ein Ehepaar und eine junge
Frau.
Die Regisseure haben diese erschütternde Schicksalsreise
in eindringlichen, die Realität ungeschönt wiedergebenden Bildern und mit
einer ungeheueren, tiefgehenden emotionalen Kraft festgehalten und somit vor
vergessen, verdrängen und leugnen geschützt. Er erzählt die Geschichte so,
wie sie heute nicht mehr oder nur kaum noch erzählt wird: ungebrochen,
ungeschminkt. Und das dürfte auch sehr stark in der Person des Produzenten
begründet sein. Artur Brauner produziert diesen Film nicht nach
marktwirtschaftlichen Kriterien der Gewinnerzielung. Für den jetzt
88jährigen Brauner schließt sich nach 60 Produzentenjahren mit dem
Shoa-Drama "Der letzte Zug" ein Kreis. Mehr als 21 Filme über die Untaten
des Nationalsozialismus produzierte Brauner, einer der bekanntesten war
zweifellos "Hitlerjunge Salomon".
"Der letzte Zug"
Deutschland / Tschechien 2006 - Regie: Joseph Vilsmaier, Dana Vávrová
Darsteller: Sibel Kekilli, Gedeon Burkhard, Roman Roth, Marco Hofschneider,
Brigitte Grothum, Juraj Kukura
FSK: ab 12 - Länge: 123 min. - Start: 9.11.2006
|