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Nur ein Vorspiel?
Politischer Islam im Milden Westen

Karikaturenstreit - Kofferbomben - Papstrede - Opernschreck - der politisch-extremistische Islam wurde im vergangenen Jahr zum Dauerbrenner, leider nicht nur publizistisch.

Von Chanah Esch

An den Anblick brennender israelischer oder amerikanischer Fahnen hatte man sich hierzulande fast schon gewöhnt. Die Fernsehnachrichten lieferten derartige Bilder mitunter täglich in deutsche Wohnzimmer, aber Israel oder der Mittlere Osten ist für die meisten auch heute noch weit weg - ganz im Gegensatz zu Dänemark, Norwegen und schließlich auch Deutschland selbst. Als deren Fahnen und Botschaften in Syrien, Libanon, Iran und weiteren muslimischen Staaten in Flammen aufgingen, stand Europa zunächst einmal unter Schock.

Auch die deutsche Öffentlichkeit reagierte verschreckt. Kirchenvertreter bemühten sich um Schadensbegrenzung, der Islam wurde als großartige Religion gelobt, und überhaupt sei es an der Zeit, wieder Respekt vor religiösen Gefühlen zu haben. Allenthalben wurde "Dialog" gefordert, so dass Innenminister Wolfgang Schäuble Ende September schließlich eine erste "Deutsche Islam-Konferenz" einberief, die wie aufs Stichwort den gewalttätigen Protesten gegen die umstrittene Papstrede folgte und zugleich vom medialen Trommelwirbel des Berliner Opernskandals begleitet wurde.

Eine verbesserte religions- und gesellschaftspolitische Integration der muslimischen Bevölkerung in Deutschland ist das erklärte Fernziel dieser Konferenz, aber bis dahin wird es laut Schäuble "ein steiniger Weg sein, für die Muslime und für den Staat." Wer hier mit Blick auf die Integration die größere Leistung zu erbringen hat, daran besteht für Schäuble kein Zweifel: "Ich glaube, dass der Islam im Vergleich zu Christen- und Judentum den größeren Weg zurückzulegen hat."

Ist es also vorrangig Sache der Muslime, den Dialog zu eröffnen? Sollten sich die Europäer einfach mal beruhigen und abwarten, bis sie zum Plaudern in eine muslimische Teestube eingeladen werden?

Die nicht-muslimische Mehrheit der Deutschen - abgesehen von der extremen Rechten - drückt sich vor einer Antwort. Man will keinen Ärger oder, wie der Soziologe Wolfgang Sofsky es kürzlich in einem Fernsehbeitrag beschrieb: "Im Grunde hätten viele Deutsche am liebsten, Deutschland sei wie die Schweiz: Neutral, könnte sich aus den außenpolitischen Konflikten heraushalten, bräuchte keine Kriege zu führen, bräuchte keine Armee, bräuchte auch keine Polizei, es ist nicht bedroht von Terror. Das ist ein Wunschbild, ein Ausstieg aus der Weltgeschichte - und zwar aus dem moralischen Bedürfnis der Selbstläuterung heraus. Aber das ist völlig unrealistisch, auch wir werden von der Weltgeschichte eingeholt."

Die deutsche Nationalgeschichte hat Spuren hinterlassen. So wie in den 50er Jahren der unpolitische Heimatfilm Konjunktur hatte, schwelgt man heute in Friedenspolitik. Man ist milde geworden, hat aus seiner Geschichte gelernt, will niemandem Böses und wenn das Wetter am Wochenende mitspielt, demonstriert man sogar auf der Straße gegen den Krieg.

Für Wolfgang Sofsky verbirgt sich hinter dieser friedseligen Attitüde ein moralisches Defizit: "Wie bescheiden die moralischen Ansprüche gegenwärtig sind, lässt sich schon daraus ersehen, dass Feigheit häufig zum Beweis von Klugheit umgedeutet wird. Auf dem aktuellen Markt der Moral muss ein Hasenherz kaum Verachtung fürchten. Es ist ein Vorwand, um sich bestimmten Konflikten nicht zu stellen, um sich herauszuhalten. Eine breite Bevölkerungsmehrheit ist für eine Politik des Heraushaltens, was Außenpolitik angeht, verbunden mit der Illusion, da wir ja die Guten sind, haben wir auch keine Feinde, wir sind nicht in Gefahr. Um so größer wird die Überraschung sein, wenn tatsächlich etwas passiert."


© Greser&Lenz, Frankfurter Allgemeine Zeitung

"Wie hältst Du's mit dem Islam?" scheint zur Gretchenfrage dieser Tage zu werden. Innerhalb von zwei Wochen hat das große Hamburger Wochenblatt DIE ZEIT gleich zwei Prominente um Auskunft gebeten, den TV-Moderator Harald Schmidt und den als "Linkes Gewissen" geltenden Künstler Hans Haacke: "Das Verhältnis zum Islam erscheint mir so komplex und explosiv, dass ich mich da nicht heranwage", erklärte Haacke. "Auf allen Seiten hat sich zu viel Sprengstoff angelagert. Es lässt sich nicht vorhersehen, wer da vielleicht plötzlich verrückt spielt."

Auch Harald Schmidt, dem noch vor Jahren kein Polenwitz zu billig war, hält sich mit Späßen über den Islam bewußt zurück: "Mein Bekanntheitsgrad liegt bei 95 Prozent. Es geht nicht um Diskussionen mit Islamwissenschaftlern in der Evangelischen Akademie Tutzing, ich rede von Einkaufsstraßen mit einem hohen Prozentanteil an Menschen, die sich dieser Religion nahe fühlen und nicht so genau hinhören. Beiträge werden verkürzt, es wird nur ein bisschen zitiert, es geht in 'Leute heute', es geht in 'Brisant', in 'RTL explosiv'. Dazu die Vervielfältigung im Internet. Nein, es ist nicht zu steuern."

Soll heißen: Hätten ein paar pyrotechnisch begabte Feministinnen Herrn Schmidt beizeiten das Auto vom Studioparkplatz gesprengt, gefolgt von Drohbriefen an die einschlägigen Magazine, er hätte sich seine frauenfeindlichen Klosprüche verkniffen. - Ach, Schmidtchen!

Aber auch in weniger prominenten Kreisen übt man sich in vornehmer Zurückhaltung: Während einerseits leicht Tausende zusammenkommen, um ein deutliches Zeichen gegen Neonazis zu setzen, fällt der Protest gegen islamistische Umtriebe bescheiden aus.

Eine blauäugige Stadtverwaltung erlaubt seit einigen Jahren die feierliche Begehung des Al-Quds Tages in Deutschland. Dieser 1979 von Ayatollah Khomeini erstmals ausgerufene "Feiertag" erfreut sich nicht nur bei Islamisten in Teheran wachsender Beliebtheit sondern neuerdings auch auf dem Kurfürstendamm in Berlin, geht es doch um die Ehrung der muslimischen Hauptstadt: Al-Quds alias Jerusalem.

Der Protest gegen diese fundamentalistisch-islamistische Inszenierung hält sich trotz Unterstützung durch namhafte Politiker wie Cem Özdemir und Petra Pau in überschaubaren Grenzen. Initiiert und organisiert wird er im wesentlichen von Exil-Iranern, oppositionellen Muslimen, die hier Asyl gefunden haben, ein paar lokalen liberal-muslimischen Verbänden, und nicht zuletzt jüdischen Initiativen.

Die nicht-muslimische und nicht-jüdische Mehrheit der Deutschen hält sich raus. "Ja", räumt auch Cem Özdemir bedauernd ein, "Das stimmt. Es liegt wahrscheinlich daran, dass die Mehrheit der Bevölkerung fälschlicherweise denkt, dass es sie nichts angeht."

Die Mehrheit der Bevölkerung - laut einer Umfrage 56 % der Europäer - sieht im Staat Israel die größte Bedrohung für den Weltfrieden und erklärt sich in Sachen politischer Islam für nicht zuständig. Sollen doch die Israelis das Problem lösen. Das altersmilde christliche Abendland redet lieber vom Wetter: Der Klimawandel ist schließlich auch eine Bedrohung.

So gesehen überrascht es kaum, dass die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung den türkisch-stämmigen grünen EU-Parlamentarier Cem Özdemir und den amerikanischen Politologen Daniel Goldhagen zur Diskussion über den politischen Islam eingeladen hatte, eine Art interkontinentaler muslimisch-jüdischer Gedankenaustausch.

Cem Özdemir und Daniel Jonah Goldhagen diskutieren auf Einladung der Bundeszentrale für politische Bildung in Berlin.
© Chanah Esch

Was die Definition des politischen Islam betraf, waren Goldhagen und Özdemir sich weitgehend einig. Beide sehen darin eine totalitäre Bewegung, die die Trennung zwischen Religion und Politik aufheben und die Gesellschaft nach den Vorstellungen eines fundamentalistischen Islam verändern will.

Doch während Özdemir die Unterschiede zwischen den Muslimen der einzelnen Länder betonte, auf die vergleichsweise friedlichen Muslime in Deutschland während des Karikaturenstreits verwies und vor allem den globalen Vormachtsanspruch der politischen Islamisten bestritt, macht Goldhagen sich über letzteres keine Illusionen.

Die jüngsten Reden Ahmadinedschads, die Charta der Hamas und weitere Verlautbarungen von hierzulande als gemäßigt geltenden muslimischen Politikern, sind von den antisemitischen Hasstiraden und Weltmachtsphantasien nazistischer Prägung kaum zu unterscheiden.

Nicht nur Israel und der Mittlere Osten stehen auf dem Spiel, sondern Europa und wenn die Europäer eines aus ihrer Geschichte gelernt haben sollten, dann, dass man fanatische Diktatoren, die den Massenmord offen androhen, beim Wort nehmen muß. Für Goldhagen steht daher außer Frage, wie die Reaktion auf eine atomare Bewaffnung des Irans auszusehen hat. Es sei unverantwortlich, dies zuzulassen; im Zweifelsfall müsse man die atomaren Anlagen des Iran zerstören.

Die Diskussion zwischen Özdemir und Goldhagen ist symptomatisch für die aktuelle europäische Befindlichkeit. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, etwa dem Hamburger Politologen Matthias Küntzel oder der Frankfurter Soziologin Ulrike Ackermann, sind es vor allem liberal-muslimische und jüdische Stimmen, die offen und öffentlich vor der realen Gefahr des politischen Islam warnen, am spektakulärsten wohl Henryk Broder mit seinem jüngsten ebenso bitteren wie provokativen Ausruf: Hurra, wir kapitulieren!

"Wer als Reaktion auf Geiselentführungen und Enthauptungen, auf Massaker an Andersgläubigen, auf Ausbrüche kollektiver Hysterie mit der Forderung nach einem "Dialog der Kulturen" reagiert, der hat es nicht besser verdient."
Die Frage, wer überhaupt mit wem und worüber reden soll, kann weder Cem Özdemir noch die Deutsche Islam-Konferenz konkret beantworten. Wie also soll der Dialog in der politischen Praxis aussehen? So richtig weiß es keiner und will's auch keiner wissen, jedenfalls nicht, solange die Geschäfte florieren.
Während die Veranstalter von Buchmessen in Teheran und Frankfurt mit iranischen Intellektuellen und Autoren den kritischen Dialog der Kulturen üben, hat sich die realpolitische Situation der Verlage im Iran dramatisch verschlechtert. Nach Aussage einer iranischen Verlegerin kommen immer weniger Bücher durch die Zensur.

Von der Buchzensur zur Bücherverbrennung ist es nur ein kleiner Schritt, wie der Dichter Salman Rushdie erfahren mußte, dessen "Satanische Verse" 1988 im Iran als gotteslästerlich verbrannt wurden, begleitet von Khomeinis öffentlichem Mordaufruf gegen den Autor, der seitdem in ständig wechselnden Verstecken lebt.

"Dies war ein Vorspiel nur, dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen", schrieb Heinrich Heine schon 1817 und sollte recht behalten - auch heute noch.

hagalil.com 30-11-2006

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