Rechte Bücherkost:
Wenn Lesen verblödet
Weitgehend ungestört können rechtsextreme
Verlage ihre Propaganda verbreiten. Manche treten auch auf der Frankfurter
Buchmesse auf.
Von Titus Lenk
Jungle World 40 v.
04.10.2006
Die Bücher, die sie veröffentlichen, tragen so illustre
Titel wie: "Die Chronologie des Luftterrors 1939-45", "Nürnberg – Tribunal
der Sieger", "Adolf Hitler, mein Jugendfreund", "Falsche
Fremdenfreundlichkeit" oder, eher kulturbeflissen: "Musik in der Waffen-SS".
Rund drei Dutzend Verlage für rechtsextreme Literatur gibt es in
Deutschland. Sie residieren vor allem in den alten Bundesländern, und hier
insbesondere im Süden. Die Stadt mit den meisten rechten Verlagen ist
vermutlich München. Hinzu kommen weitere, die nicht nur rechte und
antisemitische Werke im Sortiment haben. Und auch im Ausland gibt es noch
eine Reihe deutschsprachiger rechtsextremer Verlage, die auch die hiesige
Szene mit ihren Büchern beliefert.
Man kann diese Verlage grob in ältere traditionelle und jüngere, eher
neurechts orientierte unterteilen. Die erstgenannten wurden in der
Nachkriegszeit gegründet. Sie publizieren vor allem Erinnerungs- und
Rechtfertigungsliteratur in Form von beschönigenden Geschichten über
Kriegserlebnisse und legen völkische "Klassiker" wieder auf. Gründer waren
meist ehemalige hochrangige Nationalsozialisten. So rief der ehemalige
stellvertretende Reichspresseleiter der NSDAP, Helmut Sündermann, zusammen
mit seiner Frau Ursula im Jahr 1952 den rechtsextremen Druffel-Verlag ins
Leben.
Inzwischen aber ist der alte Kundenstamm, die Kriegsteilnehmer, die so gerne
lasen, wie tapfer sie waren und wie sie um ein Haar das Gartenhäuschen bei
Moskau bekommen hätten, größtenteils verstorben und vom ideologischen
Nachwuchs ersetzt worden. Von den traditionellen rechten Verlagen haben sich
der Druffel-Verlag, der Vowinckel- und der Türmer-Verlag im Jahr 1991 in
Berg am Starnberger See zur Verlagsgesellschaft Berg unter der Führung des
Verlegers Gert Sudholt zusammengeschlossen.
Im Normalfall aber werden die meisten rechten Verlage von einer Person
geführt. Etwa der Dresdner Kleinverlag Zeitenwende, einer der wenigen
rechten Verlage in Ostdeutschland. An dem mehrgeschossigen renovierten
Gebäude, das er als seine Postadresse angibt, ist kein großes Schild
angebracht. Lediglich ein kleiner handgeschriebener Zettel am Briefkasten
weist den Briefträger darauf hin, dass sich hier nicht nur die Privatadresse
des Geschäftsführers Sven Henkler, sondern auch der Sitz des neurechten
Kleinverlags selbst befindet. Bis Anfang des Jahres 2005 wurde im Verlag
Zeitenwende Hagal – Die Allumfassende, ein vierteljährlich erscheinendes
Magazin und Quasi-Organ des neurechten Forums "Synergon Deutschland",
herausgegeben; inzwischen wird es vom Regin-Verlag publiziert.
Dass rechte Verlage ein Magazin oder mehrere herausgeben, ist typisch. So
gehört zum Tübinger Grabert-Verlag das vierteljährlich erscheinende Magazin
Deutschland in Geschichte und Gegenwart, zum Münchner Castel del
Monte-Verlag die monatlich erscheinenden Staatsbriefe und zum
österreichischen Stocker-Verlag mit Sitz in Graz das ebenfalls
vierteljährlich erscheinende Magazin Neue Ordnung. Der Stocker-Verlag wird
im übrigen auch auf der Frankfurter Buchmesse vertreten sein, genauso wie
der Druffel&Vowinckel-Verlag und der Junge-Freiheit-Verlag.
Die rechtsextreme Buchbranche scheint auch die Entwicklungen der
herkömmlichen Branche mitzumachen. Mit der wachsenden Popularität von
Hörbüchern entstand auch ein rechter Hörverlag, Vox Libri, mit Sitz in
Nettetal. Im Jahr 2001 erschien dort ein Hörbuch zum 100. Geburtstag des
ehemaligen Freikorpsmitglieds Ernst von Salomon. Dieser ermordete im Jahr
1922 Walther Rathenau, den damaligen deutschen Außenminister, der Jude war.
Außerdem erschien bei Vox Libri die Doppel-CD "Hajo Herrmann. Kleine Odyssee
– der Luftangriff auf den Hafen von Piräus", auf der Herrmann, ein Veteran
der Legion Condor, selbst das Vorwort spricht.
Während Naziläden und Nazikneipen immer wieder das Ziel von
antifaschistischen und zivilgesellschaftlichen Kampagnen sind, fristen
rechte Verlage ein recht beschauliches und ungestörtes Dasein. Und das,
obwohl ihre Autoren ihre Thesen teilweise bis tief in die Mitte der
Gesellschaft tragen. Das Buch "Das Heerlager der Heiligen" von Jean Raspail,
dessen deutsche Fassung im Grabert-Verlag erscheint, ist derzeit der
rechtsextreme Bestseller. Es wurde nach Angaben des Verlages in fünf
Sprachen übersetzt und weltweit zwei Millionen Mal verkauft. Es handelt, wie
der Verlag schreibt, von der drohenden "Überwältigung Europas durch die
explodierenden Menschenmassen der Dritten Welt".
Von Vorteil für rechte Verlage ist es auch, wenn größere
Versandbuchhandlungen, wie etwa der katholische Weltbild-Versand aus
Augsburg, bereitwillig ihre Literatur im Angebot führen. Weltbild ist durch
die Aufnahme von Lektüre aus dem Stocker-Verlag, dem Arndt-Verlag aus Kiel
oder dem Bublies-Verlag aus Schnellbach ein Multiplikator für rechte Thesen.
Problematisch sind zudem Verlage, die nicht eindeutig als rechtsextrem
erkennbar oder einzuordnen sind. Ein prägnantes Beispiel hierfür ist das
Verlagsimperium von Herbert Fleissner. Dem Alten Herrn der Burschenschaft
Suevia Innsbruck, der nach Angaben des Informationsdienstes gegen
Rechtsextremismus Mitglied des revisionistischen Witikobundes ist, gehört
ein großes Verlagsimperium, zu dem derzeit u.a. die Verlage Langen, Müller,
Herbig, Universitas, Bechtle, Amalthea, Limes, Nymphenburg bzw. Anteile an
diesen gehören.
Die große Mehrheit der in diesen Verlagen verlegten Literatur ist nicht
rechtsextrem, aber auch Autoren wie dem Holocaustleugner David Irving, dem
von Hitler hoch dekorierten ehemaligen Wehrmachtspiloten Hans-Ulrich Rudel,
dem ehemaligen Pressereferenten von Joseph Goebbels, Wilfred von Oven, oder
dem südafrikanischen Rechtsextremen Claus Nordbruch wird ein Forum geboten.
Das macht Fleissners Verlagsimperium umso gefährlicher, weil auf diese Weise
relativ unbemerkt rechtsextreme Lektüre ins normale Sortiment gelangt.
Zudem stützen Werbeanzeigen von Fleissners Verlagen in der Deutschen
Rundschau, der Jungen Freiheit, Deutschland in Geschichte und Gegenwart und
dem Republikaner auch die eindeutig bzw. offen rechtsextremen Verlage und
andere Segmente der rechten Szene. Ein Teil des mit normaler Literatur
verdienten Geldes wird so in die Bewegung investiert.
hagalil.com 05-10-2006 |