Anschlagsreihe:
Rechtsradikaler Terror vertreibt Politiker
Uwe Adamczyk (Linkspartei.PDS) legt
nach vier auf ihn verübten Anschlägen seine politischen Mandate in Sachsen
nieder und verlässt den Ort des Geschehens
Von Olaf Meyer,
Telepolis, 06.10.2006
Es ist ein Vorgang, der in der jüngeren politischen
Geschichte der Bundesrepublik ohnegleichen sein dürfte. Ein Politiker sieht
als letzte Konsequenz aus wiederholten rechtsradikalen Angriffen auf sein
Hab und Gut – und nicht zuletzt sein Leben – nur noch die Aufgabe seiner
politischen Ämter sowie einen Ortswechsel als Lösung.
Bereits zum vierten Mal in nur gut einem Jahr erfolgte vor
wenigen Tagen auf das Haus von Uwe Adamczyk in Meerane wiederholt ein
Brandanschlag. Der durch Körperbehinderungen auf den Rollstuhl angewiesene
Adamczyk selbst konnte sich "nur mit Müh und Not" in Sicherheit bringen. Die
Polizei konstatierte "Brandstiftung". Der Staatsschutz ermittelt in dieser –
offensichtlich gegen den Politiker gerichteten - "Anschlagsreihe".
Uwe Adamczyk war von 1994 bis 2004 Abgeordneter des Sächsischen Landtages.
Bekanntheit erlangte er vor allem durch seine Arbeit als antifaschistischer
Sprecher vormaliger PDS-Fraktionen. Innerfraktionell schien er allerdings
dort zuweilen ob seines Engagements mehr gelitten und geduldet, als
hilfreich unterstützt gewesen zu sein. Nach seinem Ausscheiden aus dem
Landtag erwarb Adamczyk den Gebäudekomplex in Meerane zur längerfristigen
eigenen Existenzsicherung mit geplanter gastronomischer Einrichtung,
Internet-Cafe, Billard sowie Wohnungen und Büroräumen in Funktion als
alternatives Begegnungszentrum. "Von Anfang an war jedoch klar und auch
gewollt, dass rechtsorientierte Personen für diese Räumlichkeiten keinen
Zutritt erhalten." Noch nach den Anschlägen im Dezember 2005 erklärte
Adamczyk: "Ich selbst aber auch die Jugendlichen hier im Gebäude lassen uns
von diesen Rechten nicht einschüchtern."
Nach dem vierten Anschlag im September 2006 legt Uwe Adamczyk nunmehr seine
politischen Mandate als Stadtrat in Meerane und Kreistagsabgeordneter im
Chemnitzer Land nieder und wird sich geografisch verändern (vgl. Wozu soll
die Polizei noch gut sein?). "Ich gebe auf. Auch wenn meine Feinde damit
erreicht haben, was sie wollten", sagte er Medien gegenüber. Das
rechtsextremistische Störtebeker-Netz stellte noch im Nachgang kaum
misszuverstehende Drohungen in den virtuellen Raum: "Und bevor er friedliche
Menschen in anderen Regionen belästigt, sollte er nicht nur die Gabel
abgeben!"
Am 4. Oktober demonstrierten gut 150 Menschen im
sächsischen Meerane unter der Losung "Courage zeigen - Nazis widerstehen -
Solidarität mit Uwe Adamczyk!" Vorab erklärte die Linkspartei.PDS: "Die
Konsequenzen, die Uwe Adamczyk nun zieht, sind für uns bitter, wenngleich
auch sehr nachvollziehbar." Politikerinnen und Politiker aus anderen
Parteien übten sich gleichfalls in verbaler Betroffenheit.
Am Abend dieser Kundgebung in Meerane wussten die dann
anrückenden Einsatzkräfte allerdings ziemlich genau um die Prioritäten ihres
dortigen Einsatzes. Nach Augenzeugenberichten wurden die rund 40
Gegendemonstranten aus dem rechtsextremistischen Spektrum am Rand der
Veranstaltung von der Polizei kaum beachtet – im Gegensatz zu den
Versammlungsteilnehmern auf dem Meeraner Teichplatz. Man wolle "den Rechten
in Meerane nicht das Feld überlassen", verlautbarte jedenfalls der
Vorsitzende des Kreisverbandes der Linkspartei.PDS im Chemnitzer Land. Warum
nur klingt dies merkwürdigerweise ein wenig wie Pfeifen im dunklen Wald?
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