Zurück nach Hause?:
Dirk Niebel (FDP) über das "robuste Mandat"
Interview: Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Was jetzt stattfindet, ist kein robustes Mandat, weil die
Bundeswehr nicht uneingeschränkt handlungsfähig ist, um das Mandat der
vereinten Nationen durchzusetzen. Es gibt ein gestuftes Mandat mit vier
unterschiedlichen Einsatzzonen vor der libanesischen Küste. Und das
widerspricht dem, was die Bundeskanzlerin vor der Abstimmung im Bundestag
gesagt hat. Sie hat eindeutig gesagt, es werde ein uneingeschränktes Mandat
in der ganzen 50 Meilen Zone geben. Hier hat sie das Parlament schlichtweg
falsch informiert. Und dass man dann faktisch versucht, in einer
Unterrichtung des Verteidigungsausschusses, in einer Broschüre, die
normalerweise wirklich kein Mensch liest, unterzubringen, dass dann
hinterher ganz was anderes ausgehandelt worden ist, das zeigt doch schon ein
gewisses Maß an Chutzpe. Wie sie mit dem Parlament umgeht, muss einem schon
zu denken geben.
Frage: Aber es gab doch auch die Aufgabe, die Regierung des Libanon zu
stärken und die Souveränität des Libanon wieder herzustellen.
Niebel: Das ist richtig. Das würde aber in letzter Konsequenz auch bedeuten,
jedes israelische Aufklärungsflugzeug über libanesischem Territorium
abschießen zu müssen. Das wollen wir nicht und ich sag Ihnen auch voraus,
das werden wir nicht. Und das zeigt wieder die Unsinnigkeit dieses Einsatzes
der Bundeswehr, wenn denn diese Mandat einerseits nicht dazu dient, zu
helfen - und die Israelis sagen, wir brauchen keine Hilfe, wir schützen uns
selber - dann muss das Mandat dazu dienen, den Waffenstillstand
durchzusetzen. Das bedeutet konsequenterweise, dass man gegen beide
potentiellen Vertragsverletzer agiert. Die Situation möchte ich mir nicht
vorstellen, wenn Israel seine entführten Soldaten befreit, völlig zurecht
befreit, und unsere Schiffe das selbstverständlich sehen, dann kann ich nur
hoffen, dass sie nicht auf die Israelis schießen werden. Dann würde aber die
UNO unglaubwürdig auf der arabischen Seite. Das ist eine loose-loose
Situation. Der sollten wir uns nicht aussetzen.
Frage: Was hätten Sie sich dann vorgestellt
Niebel: Uns geht es darum, dass wir mithelfen, die Region friedlich zu
gestalten und dass wir keinen direkten Konflikt zwischen deutschen und
israelischen Soldaten haben. Das wollen wir ganz bewusst nicht. Aber der
Versuch der Bundesregierung, so zu tun, als sei der Einsatz der Marine so
etwas wie eine Kieler Woche vor Beirut, und daher völlig ungefährlich, und
von einigen sogar zu sagen, es sei ausgeschlossen, dass deutsche und
israelische Soldaten aufeinandertreffen, das ist ja in den letzten Tagen
offenkundig belegt, dass es falsch ist. Wer sich hier auskennt: In dieser
Region ist nichts ausgeschlossen.
Frage: Also sollten die Schiffe wieder in die Kieler Bucht zurückkehren?
Niebel: Da es nicht auszuschließen ist, dass es zu weiteren Konflikten
zwischen deutschen und israelischen Streitkräften kommt, und da offenkundig
die Bundesregierung das Parlament getäuscht hat, und offenkundig das Mandat
nicht dazu dient, tatsächlich alles das durchsetzen zu können, was die
Vereinten Nationen erwarten, ist es das Vernünftigste, dass die Truppen
wieder nach Hause gehen, bis vielleicht andere Dinge geklärt sind. |