Initiativen in Not:
Infos gegen rechts gehen vom Netz
Eines der am häufigsten
angefragten Internet-Lexika zum Thema Rechtsextremismus gibt auf.
Auch die Betreiber ähnlicher Onlinedienste klagen über mangelnden
Rückhalt und zeigen sich von Anfeindungen zermürbt
Von Daniel Schulz
Die Seite war eine Art Wikipedia über den
Rechtsextremismus, doch nun existiert das häufig angefragte
Nachschlagewerk nicht mehr. Die Webseite des "Informationsdienstes
gegen Rechtsextremismus" (IDGR) ist vom Netz gegangen.
Die Betreiberin der Seite, Margret Chatwin, gibt ihr unbezahltes
Engagement vor allem aus Zeitgründen auf. Seit Jahren habe sie
keinen Urlaub und kaum ein freies Wochenende genießen können, sagte
Chatwin am Wochenende der taz. Sie hatte den IDGR neben ihrem
Vollzeitjob betrieben. Außerdem häuften sich die juristischen Klagen
aus rechtsextremen Kreisen. Aufreibend war für Chatwin zudem, dass
sie von den Feinden ihrer Seite immer stärker mit "Bestellterror"
überzogen wurde: Die Betreiberin der Website erhielt
Zeitschriftenabos und Bücher, die sie gar nicht bestellt hatte.
Zudem wirft Chatwin dem Internetlexikon Wikipedia und anderen
Internetseiten vor, Texte von ihr kopiert und den
Urheberrechtsschutz nicht ausreichend beachtet zu haben. Dass die
IDGR-Gründerin alleine arbeitete, lag nach Aussagen einiger
Anti-rechts-Aktivisten angeblich auch an ihrer Persönlichkeit. Es
gab interne Streitigkeiten über das Projekt. Öffentlich äußern
wollte sich dazu allerdings niemand.
Das Einmalige des IDGR waren die ausführlichen Informationen über
Personen der rechtsextremen Szene und deren Verwicklungen
untereinander. "Dieses Wissen muss jetzt wieder mühsam erschlossen
werden", sagt David Begrich von der Anti-rechts-Initiative
Miteinander e. V. aus Halle. Bedauernd äußerte sich auch Anetta
Kahane von der Amadeu Antonio Stiftung. Positiv findet Begrich
jedoch, dass Journalisten nach dem Ende der Seite auch wieder bei
anderen Quellen rechieren müssten, denn sie hätten sich zu sehr auf
den Informationsdienst verlassen.
Das Aus von IDGR macht grundsätzliche Probleme der Arbeit gegen
Rechtsextremismus sichbar. "Die Müdigkeit, die sich nach ungezählten
Anfeindungen und juristischen Klagen einstellt, kennen wir alle",
sagt David Gall, der Gründer des Internetportals Hagalil. Auch an
Hagalil, das 2003 als erstes Medium die antisemitische Rede des
CDU-Abgeordneten Martin Hohmann veröffentlichte, schreiben laut Gall
fast täglich Anwälte. "Irgendwann zermübt das."
Zudem können Internetseiten gegen Rechtsextremismus ihren Schreibern
kein Geld zahlen und sie daher oft schwer zu Pünktlichkeit und
Genauigkeit anhalten, sagt Albrecht Kolthoff von der Webseite redok.
Für dieses neue Projekt arbeiten viele ehemalige Mitarbeiter des
IDGR, Kolthoff ist einer von ihnen. Als spezielles Problem des
nunmehr abgeschalteten Informationsdienstes sieht er dessen
Anspruch, ein gültiges Lexikon zu sein. "Gerade eine
personenbezogene Seite muss immer peinlich genau aktualisiert
werden, weil sonst Klagen drohen", sagt Kolthoff. "Das ist aufwändig
und personalintensiv." Stattdessen wollen Kolthoff und seine
Mitstreiter bei redok vorrangig ein aktuelles Nachrichtenmedium
machen.
Rechtsextreme Webmedien wie Altermedia feiern unterdessen das Aus
für die "jüdische Denunzierungsseite" und die verhasste "Tante
Margret". Demnächst könnten sie einen weiteren Grund zur Freude
haben, denn auch das Internetportal Hagalil läuft nur noch auf
Notbetrieb und muss laut Herausgeber David Gall aus Geldmangel
demnächst vielleicht dichtmachen.
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haGalil onLine
17-10-2006 |