Ansichtserklärungen und Aufgabenverteilungen:
Ein robustes Mandat zum Wegschauen
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Die Aufregung der FDP Verteidigungsexpertin Birgit Homburger über die
angeblich wahren Inhalte des Mandats der deutschen Marine vor der Küste des
Libanon, ist bis nach Israel noch nicht vorgedrungen.
"Operationen auf Anforderung Libanons in den TTW
(territorialen Gewässern) zwischen null und sechs Seemeilen sowie
Boarding/Beschlagnahme durch libanesische Kräfte oder in deren Beisein",
heißt es in dem Bericht des Bundesverteidigungsministeriums, der
Abgeordneten vorliegt. Das widerspricht deutlich den Behauptungen der
Bundesregierung über ein "robustes Mandat" und sogar führender
CDU-Politiker, die bei Hintergrundsgesprächen in Israel gegenüber deutschen
Journalisten erklärten: "Die deutsche Marine darf auch in den
Territorialgewässern des Libanon bis zu Strand eigenständig handeln, um
Waffenschmuggel zu verhindern. Forderungen des Libanon zu einem
eingeschränkten Handeln der Marine in den Küstengewässern sind für
Deutschland nicht akzeptabel." Von libanesischen Offizieren an Bord der
deutschen Kriegsschiffe oder gar der Notwendigkeit, sich vor jeder
Durchsuchung eines verdächtigen Bootes eine Genehmigung aus Beirut
einzuholen, war da keine Rede.
Als die deutschen Fregatten Anfang Oktober in Limassol auf Zypern einliefen,
kannten die deutschen Offiziere noch nicht ihren Einsatzbefehl. Der wurde
laut Bundesverteidigungsministerium erst am 12.10. 2006 in einem Protokoll
mit dem Libanon festgelegt. Jenseits der territorialen Gewässer könne die
Marine frei handeln. In der Zone von 6 bis 12 Seemeilen gebe es "gemeinsame
Operationen mit Libanon". Im Bereich zwischen Strand und 6 Meilen gebe es
nur Operationen "auf Aufforderung Libanons". Beschlagnahme oder Besteigen
verdächtiger Schiffe in der küstennahen 6-Meilen Zone dürfe nur durch
libanesische Streitkräfte oder in deren Beisein geschehen.
Mark Regev, Sprecher des israelischen Außenministeriums sagte auf Anfrage:
"Die "neue UNIFIL" im Libanon hat die Aufgabe, die Resolution 1701
umzusetzen, darunter auch Waffenschmuggel an die Hisbollah zu unterbinden,
in Absprache mit der libanesischen Regierung. Das ist ihre Aufgabe." Ein
anderer israelischer Sprecher sagte: "Solange die UNIFIL den Waffenschmuggel
unterbindet, ist es uns recht. Wie sie es tut, ist deren Angelegenheit. Auf
hoher See schon Schiffe mit Schmuggelwaffen abzufangen, wäre doch auch sehr
nützlich." Weiter sagte der Israeli: "Wir hatten nie angenommen, dass die
deutsche Marine vor der Küste des Libanon den Polizisten spielen sollte."
Auch im Libanon ist man über die Aufregung im Bundestag eher überrascht. Ein
Gewährsmann aus Libanon sagte: "Bei der Resolution 1701 geht es doch darum,
die Staatsautorität der libanesischen Regierung wieder herzustellen. Da kann
doch nicht sein, dass die Deutschen kommen und gegen Vorstellungen der
Regierung in Beirut handelt." Solange die israelische Luftwaffe täglich den
Luftraum des Libanon verletze, sei es doch ohnehin legitim, wenn sich die
Hisbollah zwecks Selbstverteidigung wieder Waffen besorge.
Zwischen den ursprünglichen Absichtserklärungen der Bundesregierung und der
tatsächlichen Aufgabenverteilung, wie sie erst nach Ankunft der Schiffe mit
der libanesischen Regierung abgesprochen wurde, gibt es eine tiefe Kluft.
Israel hat seine Truppen aus Libanon im Vertrauen auf Versicherungen der
UNIFIL völlig abgezogen. Da ging es um ein Vorrücken der libanesischen Armee
bis zur internationalen Grenze unter Vermittlung und Beistand der UNIFIL.
Das ist tatsächlich geschehen.
Der Einsatz der deutschen Marine und zuvor anderer Kriegsschiffe war die
Voraussetzung für eine Bereitschaft Israels, seine ohnehin wenig wirksame
Seeblockade gegen Libanon aufzuheben.
Israel traut offenbar nicht dem Willen und der Fähigkeit der libanesischen
Regierung oder der internationalen Truppen, Waffenschmuggel an die Hisbollah
zu unterbinden. Genau deshalb nimmt sich Israel das Recht heraus, weiterhin
unter Verletzung des libanesischen Luftraums seine Aufklärungsflüge
fortzusetzen. Wie empfindlich Israel da reagiert, zeigt auch der
Zwischenfall am Dienstag Morgen, als ein deutscher Hubschrauber offenbar
ohne Absprache mit den Israelis aufstieg. Sofort waren zwei israelische
Kampfflugzeuge zur Stelle. Ob sie zwei Warnschüsse abgegeben haben, wie
deutsche Stellen versichern, oder aber, ob sie abgedreht sind, nachdem sie
den Hubschrauber identifiziert hatten, wie die Israelis jetzt sagen, lässt
sich kaum prüfen. |