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Vorüberlegungen zu einer Tagung:
Herrschaft und Antisemitismus/Antizionismus in der kapitalistischen Weltgesellschaft

Von Heinz Gess

Antijudaismus und Antisemitismus sind mehr und anderes als nur ein gewöhnliches Vorurteil gegenüber dem Fremden und Anderen, das durch Aufklärung und Prüfung an der Erfahrung widerlegt werden könnte. Der Antisemitismus wohnt, wie Adorno es für die Ideologie, den realen Schein von Freiheit und Gleichheit in der spezifisch kapitalistischen Produktionsweise, generell behauptet, dem gesellschaftlichen Sein selbst inne und wird von ihm bewusstlos immer wieder neu genährt.

Beides gilt es zu beachten, nämlich (1) dass der Antisemitismus/Antijudaismus so etwas ist wie eine "objektive Gedankenform" im Marxschen Sinne und (2) dass die antisemitischen Assoziationen, in deren Zentrum der Hass steht, weitgehend im Unbewussten ablaufen. Was an die Oberfläche kommt, sind zumeist nur vom Über-Ich und Ich durchgelassene Rationalisierungen des Hasses auf die Juden und der mit diesem Affekt gekoppelten Assoziationen. Das Unbewusste aber kennt nach Freud keinen Widerspruch. In ein und derselben Symptomhandlung kann sowohl das Verdrängte als auch das Verdrängende zugegen sein. Sie ist die bewusstlose Einheit eines unaufgelösten Widerspruchs. (...)

In Freudschen Begriffen ließe sich der Antisemitismus/Antijudaismus am ehesten eine kollektive Zwangsneurose nennen. Er ist der opfernden Religion oder dem religiösen Opferritual strukturell verwandt. In der antisemitischen Revolte, die je nach der spezifischen Konstellation, auf die sie reagiert, wie ein Chamäleon die Farbe wechselt, wird der revolutionäre Impuls, der den Exodus aus dem Gehäuse der Hörigkeit will, in sein Gegenteil, nämlich die Identifikation mit dem Gehäuse verkehrt, dem der rebellische Impuls anfänglich entrinnen wollte. (...)

Nach Auschwitz gibt es Deutschland und Kerneuropa keine Antisemiten und keine Nazi-Faschisten mehr, sondern nur noch "aufgeklärte" Liberale und Linke, die gegen den Zionismus kämpfen, weil sie gegen jeden Nationalstaat und deshalb auch gegen die Existenz Israels sind oder die Israel wegen seines 'inhumanen, völkerrechtswidrigen' Umgangs mit den palästinensischen Arabern kritisieren und bei jeder Gedenkveranstaltung ritualistisch ihren Abscheu vor den Nazi-Deutschen bekunden, die sie "gewissenhaft" von der Mehrheit der "anständigen Deutschen" unterscheiden, die sie zu Opfern" der Nazis und der Alliierten erklären. An dieser Unterscheidung wollen die Deutschen, allen voran ihre lebenden politischen "Leitbilder", die Weizsäckers, Schmidts, Kohls und Schröders nicht rütteln lassen. Sie bekunden regelmäßig ihre Abscheu vor den Nazis und erklären, dass das demokratische Deutschland von Grund auf geläutert sei, aber insistieren ebenso beharrlich darauf, dass die große Mehrheit der Deutschen an den Taten des totalitären Naziregimes unschuldig und, wenn überhaupt, nur widerwillig, der Not und dem Zwang gehorchend beteiligt gewesen sei. (...) Die Schuld Nazideutschlands wird in ritualisierter Form öffentlich eingestanden, aber stets so, dass erstens mit dem Eingeständnis zugleich der "Freispruch" für die überwiegende Mehrheit der Deutschen oder das "gute Deutschland" eingefordert wird, mit dem sich der kritische deutsche Kritiker identifiziert, und zweitens zugleich die antisemitischen Rackets in der vom Islam beherrschten Region der Welt, die an Deutschland gerade schätzen, dass es den Mut zum "Außerordentlichen" aufgebracht und mit der "Endlösung" ernst gemacht habe, dadurch nicht allzu sehr abgeschreckt werden, sondern ihren die deutschen Exporte fördernden Glauben an Deutschland als Verbündeten im Ernstfall aufrecht erhalten können. (...)

W.F. Haug hat vor vielen Jahren den Begriff des "hilflosen Antifaschismus" geprägt, um die problematische Art und Weise zu kenneichnen, wie in der BRD der NS-Faschismus aufgearbeitet wurde. Ich halte diesen Begriff für ungeeignet und Adornos Wort vom "Faschismus in der Demokratie" oder einer demokratisch modulierten faschistischen Mentalität für treffender. Als unschuldige Opfer oder "hilflose Antifaschisten" gilt den deutschen Flakhelfern, die die später als Historiker ihre Deutungshoheit über den Nazifaschismus durchsetzten, nicht erst die Mehrheit der Deutschen in der BRD, sondern auch schon der überwiegende Teil der deutschen Bevölkerung, die in der faschistischen Epoche Europas willige Helfer des eliminatorischen NS-Faschismus tätig waren. (...)

Bei diesen Bemerkungen möchte ich es aus Zeitgründen vorerst belassen. Was folgt daraus nun für die Tagung im nächsten Jahr?

1. Zunächst sind die Themen klären, die auf der Tagung behandelt werden sollen.

Erstes Thema: Die Wandlungen des Antisemitismus im Postfaschismus. Hier sollten wir all den Rationalisierungen nachgehen, die der antisemitische Affekt im Postfaschismus erfahren hat. Hierzu gehört vor allem
- die Geschichte der 68er Bewegung: das rasche Umschlagen der revolutionär gemeinten Aktivität in eine völkisch antisemitische Revolte
- Wiederaufleben des christlichen Antijudaismus: Toynbee
- Judenhass in der deutschen Ökologie und Friedensbewegung.
- Antisemitische Mütter, antizionistische Töchter. Judenhass in der deutschen Frauenbewegung
- Sozialstaat (Volksstaat) und Antisemitismus
- Islamischer Antisemitismus und seine ideologischen Verbindungen mit der antisemitischen/antijudaistischen deutschen Ideologie und dem Nazifaschismus. Globalisierung des Antisemitismus
- Christlicher und islamischer Antijudaismus. Gemeinsamkeiten und Differenzen.
- Die "neue Rechte" und die "neue Linke", verschieden Variationen ein- und desselben antijudaistischen Paradigmas?
- Israelkritik und Antisemitismus
- Die deutsch-französische Linke und ihr Verhältnis zum antisemitischen iranischen Gottesstaatsregime (Foucault und andere)
- Zionismus und Antisemitismus
- Bocksgesänge von Martin Walser und andren deutschen Ideologen im Postfaschismus
- Der Dresdenmythos

Zweites Thema: Die Aufarbeitung all dieser Wandlungen des Erscheinungsbildes des Antisemitismus im Postfaschismus ist mit einer verzerrten, Schuld abwehrenden, "Bewältigung" der national-sozialistischen Vergangenheit des "geläuterten Deutschlands verbunden Dieser deutsch-ideologischen Form der Vergangenheitsbewältigung muss nachgegangen werden und ihr Zusammenhang mit den gegenwärtigen Rationalisierungen herausgestellt werden:

- Schuld und Abwehr (Adornos Untersuchungen 1954)
- "Vergangenheitsbewältigung" der christlichen Kirchen
- Vergangenheitsbewältigung der deutschen Linken. Das unschuldige "revolutionäre
Proletariat"? Die Klasse und ihr Kampf im Faschismus
- Deutscher Sozialismus - Hitlers Volksstaat
- Goldhagen und die deutsche Linke
- jüdische Zeitzeugen (die aus der Vergangenheit gelernt habe, dass die nationale
Emanzipation der Juden unter kapitalistischen Produktionsbedingungen das sine qua non
ist, das sie auch öffentlich gegen Antizionisten zu vertreten bereit sind)

Drittes Thema: Bei all dem muss gegenwärtig bleiben, dass, wer von der Form der gesellschaftlichen Herrschaft, von Kapitalismus und seinen Wandlungen nicht reden will, zum Faschismus und (eliminatorischen) Antisemitismus schweigen muss. In diesem Themenbereich ist dieser Zusammenhang von Kapitalismus (in der Krise) und autoritärer, barbarischer Reaktion auf die Krise /(Erlösung durch Vernichtung und Untergang) zu reflektieren.
Hierzu liegen aus dem ISF/Ca-Ira Verlag (Bruhn ("Vernunft und Barbarei", "Was deutsch ist") Grigat, Scheit, Dahlmann, Enderwitz (Antisemitismus und Volksstaat), Postone (Nazismus und Antisemitismus), Detlev Clausen ("Grenzen der Aufklärung" u.a.) Götz Aly ("Hitler Volkstaat) bereit. Es wären auch noch einmal die Untersuchungen von Adorno/Horkheimer/Marcuse´/Neumann in Erinnerung zu bringen. Dazu gehören: "Elemente des Antisemitismus" in: "Dialektik der Aufklärung", "Freud und die Struktur der faschistischen Propaganda" etc. Neumanns Behemoth, Marcuses Untersuchungen über die Deutschen (im Zu Kampen Verlag) Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch eine kritische Würdigung von Hannah Arendts Untersuchungen über "Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft.
Es reicht in diesem Zusammenhang nicht aus, nur die strukturellen Bedingungen zu diskutieren. Es muss auch die sozialpsychologische Seite der Sache bearbeitet werden und begriffen werden, was diese in den Subjekten, die sich ihnen unterstellen, anrichten und wie Menschen dieser Zurichtung durch Selbstunterstellung entgehen können. Wie muss Erziehung beschaffen sein, um diese Stärke hervorzubringen oder zu bekräftigen?
Hier wäre anzuknüpfen an die frühen Untersuchungen von Fromm über den autoritär masochistischen Charakter im Rahmen der Untersuchungen über "Autorität und Familie" (1936), die große Untersuchung von Adorno et al. über die "autoritäre Persönlichkeit" (1944), sodann an die Untersuchung "Schuld und Abwehr" und die sozialpsychologischen Erwägungen in "Freud und die Struktur der faschistischen Propaganda". Schließlich wäre die Debatte über den "Narzissmus" der jungen Generation, die in den 80er Jahren sehr vehement geführt wurde, (Ziehe, Latsch, Sennett u. a.) kritisch aufzugreifen und mit Adornos Überlegungen zum "kollektiven Narzissmus" der Deutschen als kollektiven Kitts und wesentlichen Elements des Funktionierens der faschistischen Propaganda bis heute zu verknüpfen. Mit anderen Worten: Es müsste so etwas wie eine "kritische Sozialpsychologie der New-Age-Generation in Deutschland der achtziger und neunziger Jahre" entwickelt werden.

Vierter Themenbereich: In diesem Themenbereich soll die deutsche und europäische Frauenbewegung unter dem leitenden Gesichtspunkt "Antisemitische Mütter – ‚emanzipierte’ antizionistische Töchter" untersucht werden. Insbesondere die feministische Theologie und jene ideologische Linie der Frauenbewegung, die sich auf die Lehre C. G. Jungs vom kollektiven Unbewussten stützt, gehörten in diesem Zusammenhang auf den Prüfstand. Denn es ist häufig so, dass feministische Theologinnen in dem "patriarchalischen Gott" des alten Testamentes, dem Judentum also, den Ursprung allen Übels sehen und es ist ferner eine unbestreitbare Tatsache, dass der Begründer der heute in alternativen und esoterischen Kreisen wieder beliebten "Tiefenpsychologie" von den Archetypen des kollektiven Unbewussten ein Antisemit war, der sich in den Anfängen der nationalsozialistischen Herrschaft vehement an Kampagnen gegen die Juden beteiligt hat. Ich selbst habe in meinem Buch "Vom Faschismus zum Neuen Denken. C.G. Jungs Theorie im Wandel der Zeit" nachgewiesen, dass diese antisemitischen Attacken C.G. Jungs und Jungs Liaison mit dem Faschismus zu seiner Lehre von den Archetypen des kollektiven Unbewussten und seiner Auffassung von Gesundung passen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass überall dort, wo an diese autoritäre, die Menschen zur Selbstunterstellung mahnende und erziehende Lehre unkritisch wieder angeknüpft wird, auch die in ihr wirksamen latenten antisemitischen Gehalte wieder neu erwachen und eine Sicht auf den Faschismus sich etabliert, die sich zart antifaschistisch gibt, unter dem Deckmantel des bekundeten Antifaschismus aber faschistische Denkfiguren in der Demokratie neu belebt. Als Referentinnen kämen für diesen Themenbereich in Frage Charlotte Kohn-Ley, Anita Natmeßnig., Ilse Korotin, Susanne Heine, Hannelore Schröder, Susanna Heschel u .a.

Fünfter Themenbereich: Schließlich sollte in einem vierten Themenbereich reflektiert werden, in welcher Weise unter der Bedingung des unerhörten Rationalisierungsdrucks des unbearbeitet und unbegriffen gebliebenen antisemitischen Ressentiments auf die Traditionsbestände der deutschen Ideologie zurückgegriffen wird, um diesem Ressentiment eine annehmbare Form zu geben, die es mit der Forderung Adornos an alle Erziehung, "dass nie wieder Auschwitz sei" dem Augenschein nach vereinbar macht. Diesen Themenbereich könnte man betiteln: "Deutscher Geist und Antisemitismus" (s. Brumliks Buch mit dem gleichnamigen Titel) In diesem Zusammenhang wäre vor allem auf Luther als "großen deutschen Reformator", Fichtes völkische Nationalstaatskonzeption und seine Konzeption eines "deutschen Christentums", auf Wagner und Nietzsche, und vor allem auf die viel zu wenig beachtete Linie des antijüdischen/antisemitischen (protestantischen) deutschen Christentums (die Linie Stöcker, Hirsch, Knittel – Toynbee auf der einen, die Linie C.G. Jung – Drewermann auf der anderen Seite) einzugehen. Das aber sind nur einige, mir für die aktuelle Rezeptionslage besonders wichtig erscheinende "deutsche Ideologen". Sicher ließe sich diese Liste sehr leicht verlängern (s. dazu Brumliks Buch)

Für die Tagung werden dringend noch weitere finanzielle Mittel benötigt.

Weitere Informationen:
www.kritiknetz.de
Kompletter Text als pdf

hagalil.com 23-10-2006

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