Alarmierender Anstieg um 28 Prozent:
Rechte Gewalt in Deutschland
Von Jörg Fischer
Auf Anfrage der Bundestagsfraktion der Linkspartei
teilte das Bundesinnenministerium mit, von Januar bis August dieses Jahres
seien insgesamt 7994 rechtsextreme und fremdenfeindliche Straftaten
registriert worden. Gegenüber 2005 bedeutet dies einen Anstieg um 21
Prozent, gegenüber 2004 sogar um 56 Prozent. Bei den von Nazis begangenen
Gewalttaten gab es gegenüber 2005 in den ersten neun Monaten diesen Jahres
mit einen Anstieg von 28 Prozent eine überdurchschnittliche Zunahme – die
Gewaltbereitschaft und die Brutalität der braunen Szene nimmt dramatisch zu.
Bis zum August meldete die Polizei 452 rechte Gewalttaten mit 325
Verletzten. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau rechnete mit einem noch
stärkeren Anstieg, da manche Zahlen unvollständig oder interessengeleitet
seien. So habe Mecklenburg-Vorpommern für August nur rund zehn rechtsextreme
Delikte gemeldet, sie wisse aber, dass es weit mehr gegeben habe. Zudem soll
die Polizei noch nicht alle einschlägigen Delikte weitergemeldet haben.
Besonders stark ist die Zahl rechtsextremer Gewalttaten von Juli zum August
diesen Jahres angestiegen – die Steigerungsrate beträgt 34 Prozent. Es ist
also nicht nur eine deutliche Steigerung der rechtsextremen Gewalt, sondern
auch eine Beschleunigung dieses Anstieges zu beobachten. In diesem
Zusammenhang räumte auch das Bundesinnenministerium ein, das die Zahlen nur
vorläufig seien und noch korriegert werden müssen – in der Regel nach oben,
da die Polizei Straf- und Gewalttaten noch nachmelden würde.
Dennoch haben die Zahlen und der erschreckende, aber vorhersehbare Anstieg
der rechten Gewalt zum Teil heftige und aufgeschreckte Reaktionen von Seiten
der Politik hervorgerufen. Während Politiker der Union eher verhalten
reagierten und den Schwerpunkt auf die Strafverfolgung als primäre Lösung
des gefährlichen Problems legen, fordern Vertreter von Grünen und SPD einen
"Demokratiegipfel", bei dem freilich nicht ganz klar ist, was dieser konkret
in der Arbeit gegen Rechts vor Ort bewirken soll. Beobachtern drängen sich
Erinnerungen an ähnliche "Gipfel" wie dem "Bündnis für Arbeit" oder dem
"Pakt für Ausbildungsplätze" auf, die allesamt zwar wohlklingend, aber
auswirkungslos waren.
Von mehr Kompetenz ist die erste Reaktion der Polizeigewerkschaft
gekennzeichnet: Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) beklagte die "verheerende
Kürzungspolitik" von Bund, Ländern und Kommunen. GdP-Vorsitzender Konrad
Freiberg sagte, das "kurzsichtige Streichen wichtiger Gelder" etwa für
Jugendprojekte oder der Abbau von Sozialarbeit würde für Rechtsextremisten
eine ideale Plattform schaffen. Auch Initiativen wie die Opferperspektive,
die sich um die Opfer rechter Gewalt bemühen, oder die Mobilen
Beratungsteams, die vor Ort die zivilgesellschaftliche Arbeit stärken und
Koordinieren, droht durch die Streichung finanzieller Grundlagen das
faktische Ende ihrer Arbeit. Dabei sind sich Experten einig, das gerade die
Stärkung der Zivilgesellschaft und vor allem die Präventions- und
Aufklärungsarbeit unverzichtbar sind.
Die Bundestagsvizepräsidentin Pau hierzu in einer Pressemitteilung: "Bei der
Beurteilung ist zu berücksichtigen, das die rechtsextreme Szene zuletzt
durch die NPD-Erfolge bei den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin
einen enormen Schub bekommen hat und ihr Selbstbewußtsein weiter gestiegen
ist. Vor allem weil die NPD nicht nur ideologisch auf gleicher Linie mit den
neonazistischen Gewalttätern ist, sondern weil die Nazi-Partei auch
personell sehr eng mit den gewalttätigen "Freien Kameradschaften" verbunden
ist, fühlen sich die braunen Gewalttäter durch Wahlerfolge der NPD bestärkt
und bestätigt."
Zum Thema:
Anfrage an die Bundesregierung zum Thema "Antisemitische Straftaten
im zweiten Quartal 2006" und Antwort
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