Knapp über 7%:
Angekommen in der Gesellschaft
Nach ihrem Wahlerfolg in
Mecklenburg-Vorpommern feiert die NPD ganz erstmals offen mitten in
Schwerin, junge Neonazis und ältere Herren im Anzug Seite an Seite.
Nur den Umgang mit der Presse müssen die braunen Kameraden noch üben
Von Andreas Speit
"Udo, Udo", rufen die Kameraden. Strahlend betritt
der NPD-Spitzenkandidat Udo Pastörs den Saal. Mit einem
Siegerlächeln lässt sich der frisch gewählte Landtagsabgeordnete aus
dem Mecklenburgischen Lübtheen feiern. Mit starkem Applaus werden
die neuen Abgeordneten auf der Wahlparty in der "Radeberger
Bierstube" empfangen. An die 100 NPDler und Freie Kameradschaftler
sind gekommen. Unter Händeschütteln und Schulterklopfen schreiten
die neuen Abgeordneten wie der NPD-Landesvorsitzende Stefan Köster
und der Kameradschaftsführer Tino Müller durch den Raum. Zusammen
skandieren sie "Hoch die Nationale Solidarität".
Knapp über sieben Prozent lag die älteste
neonazistische Partei, als ihre neuen Abgeordneten gegen 20.30 Uhr
in dem Lokal eintrafen. Mit 7,3 Prozent, so später das Endergebnis,
zieht die NPD in den Landtag ein. "Sieben plus x" war das Ziel von
Pastörs und Köster. Dass das "plus x" nicht so hoch ausfiel, wie
einige Umfragen nahe legten, verstimmte an diesem Abend niemanden.
"Wir sind in Mecklenburg-Vorpommern fest verankert", stellte Pastörs
zufrieden fest.
Jenseits des Parks, keine zehn Minuten zu Fuß vom Schweriner Schloss
entfernt richtete die NPD ihre Wahlparty aus. Auf der Terrasse des
biederen Lokals wartete man bei Kaffee und Bier gelassen auf die
erste Hochrechnung. Herren im grauen Anzug mit Kurzhaarschnitt und
Damen im feinen Kleid genossen die Aussicht über den "Fauler See".
Als 2004 die NPD mit 9,2 Prozent in den sächsischen Landtag einzog,
hatte die Führung noch einen abgelegenen Ort für ihre Feier gewählt.
Doch an diesem Abend will sich die NPD nicht verstecken.
"Wir werden eine harte Oppositionspolitik machen", kündigt Pastörs
unter dem Jubel seiner Mitstreiter an. Mit sechs Mandaten haben sie
tatsächlich die Möglichkeit, im Landtag massiv zu wirken. Wirken,
aber nichts bewegen, wie Pastörs selbst sagt. Der 54-jährige
Juwelier hält nicht viel von "diesem System", das er ohnehin in
spätestens 15 Jahren überwunden haben will. So erklärt der neue
Parlamentarier, dass die "außerparlamentarische Kraft" entscheiden
werde. "Wir sogen dafür, dass Themen angesprochen werden, die die
rot-rote Regierung verschweigt", sagt der Juwelier.
Wieder einmal schimpft er über die Medien. Fernsehmoderatoren hatten
ihn im Landtag gefragt, ob er mit der Bezeichnung "Neonazi" leben
könne. Überrascht, aber abgeklärt antwortete der Spitzenkandidat:
"Wenn Sie damit meinen, dass ich ein Mann bin der national denkt,
dann fühle ich mich durchaus richtig mit so einer Bezeichnung
bezeichnet."
Landeschef Köster dagegen wiegelt lästige Presse-Nachfragen zum
Thema "Nazis" ab. "Was sind Nazis? Ich kenne keine", sagt er. Dabei
ist mindestens einer anwesend, der seine Gesinnung nicht versteckt:
In Siegerpose - beide Daumen hoch - zeigte sich der aus Hamburg
stammende Thomas Wulff, der als Direktkandidat nicht in den Landtag
einzieht. Der NPD-Sekretär und Kader der Freien Kameradschaften, der
sich vor der Wahl als Neonazi bekannte, wirkt nicht enttäuscht.
Die Medien waren von der Partei eigentlich eingeladen worden. Aber
die Atmosphäre wurde zunehmend ungemütlich. Auf einen
DPA-Fotografen, der nicht rechtzeitig das Weite suchte, schlugen
mehrere Neonazis ein. Schon zuvor, als Gegendemonstranten sich vor
der Auffahrt zur Gaststätte versammelten, gingen NPD-Ordner einen
Kameramann vom NDR an. Er wurde leicht verletzt, die Kamera
beschädigt. Abdruck mit
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20-09-2006 |