Einzug in den Landtag:
Kader im Plenum
Mit der NPD ziehen auch einige Kader der
"Freien Kameradschaften" ins Parlament in Mecklenburg-Vorpommern ein.
Von Andreas Speit
Jungle World 39 v.
27.09.2006
Ihre ersten Spuren im Landtag hinterließ die NPD auf der
Toilette. "NPD – Die Nationalen" war auf dem abgekratzten Aufkleber noch zu
lesen. Die Neonazis dürften ihn am Tag "Für Demokratie und Toleranz" des
Landtags in Mecklenburg-Vorpommern im Juni hinterlassen haben. Mit mehreren
"Kameraden" waren der Spitzenkandidat der NPD für die Landtagswahl, Udo
Pastörs, und Stefan Köster, der Landesvorsitzende der Partei, ins Schweriner
Schloss gekommen. "Zum Probesitzen", wie der 32jährige Köster meinte. Gut
drei Monate später schafft die NPD den Einzug in den Landtag.
Bei der Wahl in der vorletzten Woche gewann die Partei sechs Mandate. "Wir
sind die Gewinner der Wahl", sagte Pastörs siegesgewiss. In einem der
Wahlstudios im Schweriner Schloss wiederholte der bieder wirkende 54jährige
Juwelier später seine Bewertung von Adolf Hitler: "Er ist ja ein Phänomen
gewesen, dieser Mann, militärisch, sozial." Köster, demnächst auch
Abgeordneter, verkündete derweil, lässig ans Geländer gelehnt: "Wir wollen
das System überwinden."
Tino Müller, ein Kader des Kameradschaftsverbands Soziales und Nationales
Bündnis Pommern (SNBP) und bald auch Abgeordneter, hielt sich lächelnd
zurück. Erst auf der Wahlparty sagte der 28jährige Mauerer, der in seinem
Wahlkreis 35 Prozent der Erstimmen erhielt, der Presse: "Wir kümmern uns um
die Leute."
Keine zehn Minuten zu Fuß vom Schloss entfernt richtete die NPD in der
"Radeberger Bierstube" am Wahlabend ihre Party aus. Im Jahr 2004, als sie
mit 9,2 Prozent in den Landtag von Sachsen einzog, feierte sie noch an einem
abgelegen Ort. Nun versteckte sie sich nicht mehr. Ab 17 Uhr trafen die
Sympathisanten in dem gutbürgerlichen Lokal ein. Gelassen warteten die
Herren im grauen Anzug und die Damen im feinen Kleid auf die Hochrechnungen.
Auch die jungen Herren mit Kurzhaarfrisur aus den so genannten Freien
Kameradschaften hatten sich, wie die jungen Frauen mit Zopf, fein gemacht.
Großer Applaus kam in dem Lokal auf, als gegen 20 Uhr 30 die Abgeordneten
eintrafen. "Udo, Udo" skandierten Nationaldemokraten und Kameradschafter
und: "Hoch die nationale Solidarität!" Hände-schüttelnd schritt auch der
Wahlleiter der NPD, Holger Apfel, der zudem stellvertretender Vorsitzender
der Partei und ihr Fraktionsvorsitzender in Sachsen ist, durch den Saal.
Knapp über sieben Prozent lag die NPD zu dieser Zeit. 7,3 Prozent wurden es
am Ende. Nach Infratest Dimap haben 17 Prozent der 18- bis 24jährigen die
NPD gewählt.
"Wir haben eine Punktlandung hingelegt", sagte Pastörs zu den rund 100
Gästen. Hatte er doch auch als Ziel "Sieben plus X" ausgegeben. Er
versprach: "Wir werden eine harte Oppositionspolitik machen." Gemeinsam
wolle er weiter "für ein deutsches Deutschland in unseren Grenzen" kämpfen,
"die wir uns seit Jahrzehnten nicht haben ausreden lassen". Liebevoll lobte
er, "dass mich meine Frau so hervorragend bekocht hat, dass sie meine Wäsche
gewaschen hat, dass sie mir geholfen hat, die Kraft aufzubringen". Auch bei
den "vielen Frauen in unseren Kameradschaften" bedankte er sich.
Weniger nette Worte fand er hingegen für die Presse. Im Landtag hatte ihn
ein Moderator gefragt, ob er als Neonazi bezeichnet werden dürfe. "Wenn Sie
damit meinen, dass ich ein Mann bin, der national denkt, dann fühle ich mich
durchaus richtig mit so einer Bezeichnung bezeichnet", antwortete er. "Was
sind Nazis? Ich kenne keine", sagte Köster später auf dem Flur.
Der Schweriner Direktkandidat der NPD, Thomas Wulff, verstand sich selbst
lange als Nazi. Heute hält der NPD-Sekretär und Kameradschafter beide Daumen
zum Sieg hoch. "Die NPD hat sich gesellschaftlich verankert, wir sind längst
in der Mitte des Volkes angekommen", verkündete derweil Apfel. Und in der
Tat: In 33 der bestehenden 36 Wahlkreise kam die NPD über fünf Prozent. In
Ostvorpommern erreichte sie in einigen Dörfern über 30 Prozent. In Postlow
waren es 38,6 Prozent, in Blesewitz 32,2, in Bargischow 31,6 und in
Neu-Kosenow 31,1. In jener Region, wo die NPD auch in einigen Orten über 20
Prozent erzielte, sind vor allem die Kameradschaften stark verankert. Offen
hatte Pastörs in der NPD-Zeitung Deutsche Stimme eingeräumt, dass ein
"Schulterschluss mit den Freien Kräften" bestehe. Anders gesagt, die rund
300 NPD-Mitglieder hätten ohne die Kameradschaften keinen so ausgiebigen
Wahlkampf führen können. Bei der Aufstellung der 13 Kandidaten der
Landesliste musste die Partei so sieben Kameradschafter, wie etwa Birger
Lüssow, mitaufstellen. Der 31jährige zukünftige Abgeordnete soll die
"Aktionsgruppe Festungsstadt Rostock" lenken.
Aber auch im Westen des Landes, wo die Nationaldemokraten selbst als "gute
Nachbarn" wahrgenommen werden, erzielten sie gute Ergebnisse. In Groß Krams,
Kreis Ludwigslust, erhielt die NPD 26,3 Prozent. Pastörs gewann an seinen
Wohnort Lübtheen 16 Prozent.
Die "Verbürgerlichungsstrategie" der NPD, von der Karl-Georg Ohse vom
Mobilen Beratungsteam für Demokratie und Kultur spricht, ging offensichtlich
auf. Zu spät bemerkten die demokratischen Parteien, dass sie in den
ländlichen Gemeinden und kleine Städten kaum wahrgenommen werden. Noch
später räumten einige Politiker ein, vor Ort die Menschen mit ihren Sorgen
und Nöten allein gelassen haben zu sein. Die NPD trat schon seit langem
"bürgerfreundlich" auf: Sie half beim Ausfüllen des Hartz-IV-Antrags, sie
ging auf die Mittelschicht zu, sie bot Kinderbetreuungen an, sie half mit,
sich gegen die Schließung von Schulen zu wehren, und veranstaltete
Volkstänze und Ausflüge. Ganz jugendgemäß richteten die Kameradschaften
außerdem Partys, Fußballturniere oder Konzerte aus.
Der Wahlerfolg füllt nun die leere Parteikasse. Jährlich erhält die Fraktion
mindestens 500.000 Euro staatlicher Zuschüsse. Dank der 59.674 Zweitstimmen
kann die Partei mit 50.712 Euro rechnen. Mit dem Geld will die NPD
"Bürgerbüros" eröffnen. In Anklam will der zukünftige Abgeordnete Michael
Andrejewski in seinem neuen Büro wieder Hartz-IV-Empfängern helfen. So soll
die Erfolgsgeschichte weitergehen.
hagalil.com 28-09-2006 |