Rechte Vernetzung:
Der kleine Grenzverkehr
Neonazis aus den Niederlanden und
aus Deutschland arbeiten bestens zusammen. Bei antiisraelischen Aufmärschen
in Holland sind die Deutschen gern gesehene Gäste.
Von Andreas Speit
Jungle World 36 v.
06.09.2006
Der zionistische Aggressor ist von der Leine gelassen",
hetzt Constant Kusters, Parteivorsitzender der neonazistischen Nederlandse
Volks-Unie (NVU) auf der Website der Partei. Sollte die Gewalt gegen die
Hizbollah im Libanon zunehmen, will die NVU im Oktober "gegen die aggressive
Politik Israels" aufmarschieren. Es wird erwartet, dass an dem
antiisraelischen Aufmarsch auch deutsche Neonazis teilnehmen werden.
"Seit Jahrzehnten bestehen enge Kontakte zwischen dem niederländischen
Neonazispektrum und der deutschen Szene", sagt Anton West von der Anti
Fascistische Aktie (AFA). Anfang der neunziger Jahre stieg die Zahl
rassistischer Gewalttaten immer mehr an, berichtet West. An den Anschlägen
und Übergriffen sollen oft Aktivisten oder Sympathisanten der NVU beteiligt
gewesen sein. "Der Gründer der Partei, Joop Glimmerveen, bezeichnete sich
selbst als überzeugten Nazi", betont West. Im Jahr 1996 nahm die Polizei den
Altnazi in Den Haag fest, nachdem er bei einer Kundgebung gedroht hatte,
einen Chefredakteur der Tageszeitung Haagsche Courant umzubringen. Auch bei
dieser Kundgebung marschierten deutsche Neonazis mit.
Die enge Zusammenarbeit trieben vor allem die Vorsitzenden der NVU, Eite
Homan und Kusters, voran. Homan war, bevor er zu der Partei kam,
Europa-Koordinator der Nationalsozialistischen Deutschen
Arbeiterpartei/Auslands- und Aufbauorganisation (NSDAP/AO) und Kader der
Aktiefront Nationaal-Socialisten (ANS). Die niederländische ANS, der auch
Kusters angehörte, glich der deutschen ANS um Michael Kühnen und Christian
Worch. Kader der beiden Organisationen bauten die Zusammenarbeit West
zufolge aus, um den Verbotsmaßnahmen in Deutschland etwas entgegenzusetzen
und aktionsfähig zu bleiben. Auch nachdem die ANS im Jahr 1983 in
Deutschland und sieben Jahre später in den Niederlanden verboten worden war,
blieben die Kontakte bestehen. "Diese alten Vernetzungen laufen nicht über
hoch offizielle Parteikanäle", erläutert West. Vielmehr würden die
persönlichen Kontakte zwischen den Kadern gemeinsame Projekte ermöglichen.
In Kerkrade, Roermond und Venlo veranstalteten niederländische und deutsche
Neonazis denn auch regelmäßig gemeinsame Aktionen.
Vor vier Jahren trat der frühere Kader der ANS Christian Malcoci in der
Grenzstadt Kerkrade, in der 50.000 Menschen leben, für die NVU zur
Gemeinderatswahl an. Der Neonazi aus Grevenbroich in Nordrhein-Westfalen
erhielt als NVU-Spitzenkandidat nur 183 Stimmen, doch seiner Parteikarriere
schadete der Misserfolg nicht. Heute ist er Parteisekretär.
Auch bei den Gemeinderatswahlen im März dieses Jahres konnte die Partei
keinen Erfolg erzielen. Nach Informationen von West erhielt sie in fünf
Kommunen insgesamt 1.923 Stimmen. "Sie kam aber nirgends auf mehr als ein
Prozent." Er geht davon aus, dass die Partei vielen rechts orientierten
Jugendlichen "zu extrem" und zu "pro-deutsch" sei. Ihr Profil spiegele kaum
den "klassischen holländischen Nationalismus" wider. Diesen versuchten in
der Region Rotterdam vor allem die Nationale Alliantie (NA) um Jan Teijn und
Virginia Kapic zu vertreten. Die NA tritt West zufolge in der Öffentlichkeit
nicht mit scharfer antiisraelischer, sondern mit antiarabischer Propaganda
in Erscheinung. Sie wolle antiislamische Ressentiments bedienen, um mehr
Akzeptanz zu finden.
Am 1. Juli blieben Vertreter der NA daher auch dem Protestmarsch der NVU
"gegen US-Imperialismus und Zionismus" in Den Haag fern. Für West stehen
dahinter sowohl politische Motive als auch persönliche Querelen. Die rund 70
Teilnehmer zogen vor die US-amerikanische Botschaft. Mit dabei waren auch
wieder deutsche Kameraden. Worch aus Hamburg und Sven Skoda aus Düsseldorf
wetterten gegen die "aggressive amerikanische und zionistische Politik", wie
einer Presseerklärung Malcocis zu entnehmen ist.
Aber nicht nur mit den Kadern aus dem Netzwerk der Freien Kameradschaften
arbeiten die Niederländer zusammen. Der Bundesvorsitzende der NPD, Udo
Voigt, schickte eine Grußbotschaft nach Den Haag: "In diesen schweren Zeiten
stehen die Nationalisten der Völker Europas auf der Seite des freien Iran!"
ließ er verkünden, während die Kameraden eine iranische Flagge schwenkten
und eine durchgestrichene Israel-Fahne zeigten. Der "US-Wirtschafts-,
Kultur-, und Militärimperialismus" breite sich "wie eine Krake über Europa
und der ganzen Welt" aus. Zudem erklärte Voigt, "Vertreter der
amerikanischen Ostküste" wollten "unsere Völker" durch multikulturelle
Gesellschaften ersetzen. Die antisemitischen Stereotype und Metaphern kamen
bei den Anwesenden gut an.
Die NVU plant im Okober nicht nur einen antiisraelischen Aufmarsch. Für den
16. Oktober ruft die Partei dazu auf, zusammen mit der NPD in Nürnberg für
die "Revision der Nürnberger Prozesse" zu demonstrieren. Am 1. Oktober 1946
endete in der Stadt vor dem Internationalen Militärgerichtshof der Prozess
gegen die nationalsozialistischen Hauptkriegsverbrecher. Am 16. Oktober
wurden zehn Todesurteile vollstreckt.
hagalil.com 07-09-2006 |