Weiterhin hohe Zahl rechtsmotivierter
Gewalttaten in den östlichen Bundesländern:
Recherchierte Gewalttaten
Halbjahresstatistik der
Beratungsstellen für Opfer rechtsextremer Straf- und Gewalttaten in
Ostdeutschland
In den ersten sechs Monaten des Jahres 2006 erlangten
die Opferberatungsstellen in den östlichen Bundesländern Kenntnis von
insgesamt 391 rechtsmotivierten Gewalttaten. Die meisten Fälle wurden in
Sachsen-Anhalt (110) gezählt, gefolgt von Sachsen (81) und Berlin (75). Von
den 391 in ihrer Intensität sehr unterschiedlichen Angriffen, waren nach den
Recherchen der Beratungsstellen mindestens 708 Personen betroffen. In nahezu
90 Prozent der Fälle handelte es sich um Körperverletzungsdelikte. In 177
Fällen richtete sich die Gewalt gegen junge Menschen aus linken und
alternativen Milieus. In 129 Fällen war Rassismus die vermutete primäre
Tatmotivation.
Hatten die Beratungsstellen in Sachsen-Anhalt im
Vergleichszeitraum des Jahres 2005 noch 77 Gewalttaten registriert, so
wurden in den ersten sechs Monaten dieses Jahres mit 110 Fällen insgesamt 33
Angriffe mehr gemeldet. Auch in Mecklenburg-Vorpommern stieg die Zahl der
Angriffe im Vergleich zu den ersten sechs Monaten des Vorjahres von 31
(2005) auf 49 (2006). In Berlin wurde ein Anstieg von 59 (2005) auf 75
Angriffe (2006) verzeichnet.
Die in Sachsen-Anhalt tätigen Beratungsstellen berichten,
dass die Zunahme vor allem auf Angriffe in der Harzregion, in Magdeburg und
im Landkreis Köthen zurückzuführen seien. Die Beratungsstelle in Berlin
verzeichnet eine Zunahme von Angriffen in den Bezirken Lichtenberg und
Friedrichshain. Aus Mecklenburg-Vorpommern wird von einer stärkeren
Einbindung der Kameradschaftsszene in NPD-Strukturen
im Vorfeld der Landtagswahlen berichtet. In der Folge würden rechtsextreme
Schläger mit einem größeren Selbstbewusstsein agieren. In Sachsen bleibt die
Sächsische Schweiz der Brennpunkt rechtsextremer Gewalt. Ein leichter
Rückgang der recherchierten Fallzahlen scheint sich lediglich in Brandenburg
abzuzeichnen, allerdings wurde hier eine Häufung von Angriffe aus dem
südlichen Landesteilen gemeldet.
Es muss betont werden, dass die veröffentlichten Zahlen
lediglich einen Trend abbilden. Generell ist von einer hohen Dunkelziffer
auszugehen. Diese wird für Thüringen dadurch erhöht, dass die dort tätige
Beratungsstelle durch eine geringere personelle Ausstattung nicht in allen
Landkreisen mit der gleichen Intensität nach Opfern recherchieren und diese
beraten kann. Für das ganze Land muss in Thüringen von einer höheren Zahl
ausgegangen werden.
Beratungsfälle
Die Beratungsstellen betreuten in den ersten sechs Monaten
des Jahres 2006 insgesamt 485 Opfer rechtsextremer Gewalttaten. Es handelte
sich dabei um 425 Männer und 60 Frauen. Mindestens 203 der beratenen
Personen waren Flüchtlinge, MigrantInnen und AussiedlerInnen. Zum
überwiegenden Teil wurden diese Opfer aus rassistischen Motiven angegriffen.
Bei 217 beratenen Personen handelte es sich um jugendliche Opfer, die sich
mehrheitlich einem alternativen Milieu zugehörig fühlen. In 70 Prozent der
Fälle erstreckte sich der Beratungs- und Begleitungsprozess über mehrere
Monate.
Die acht Beratungsstellen für Opfer rechtsextremer Straf-
und Gewalttaten arbeiten seit dem Herbst 2001 ausschließlich in den
östlichen Bundesländern. Neben den Mobilen Beratungsteams gegen
Rechtsextremismus bilden sie das zweite Standbein der sogenannten
Strukturprojekte, die im Rahmen des Bundesprogramm »Civitas – initiativ
gegen Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern« durch das
Bundesfamilienministerium gefördert wurden. Kernbereich der
Opferberatungsprojekte ist die aufsuchende Beratung und langfristige
Begleitung von Opfern rechtsextremer Gewalttaten.
Nach den vorliegenden Plänen des Bundes werden die
Strukturprojekte ab dem kommenden Jahr keine Förderung mehr erhalten. Damit
wird es in den östlichen Bundesländern kein Beratungsangebot für Opfer
rechtsextremer Gewalttaten mehr geben.
Statistisches Material
Tabellen 1 und 2: Recherchefälle
Tab. 1: Recherchierte rechtsextreme Angriffe in
den östlichen Bundesländern und
Berlin in den Jahren 2003/2004/2005
und 01-06/2006
Land |
2003 |
2004 |
2005 |
01-06/2006 |
Berlin |
73 |
73 |
115 |
75 |
Brandenburg |
116 |
136 |
139 |
52 |
Mecklenburg-Vorpommern |
64 |
58 |
62 |
49 |
Sachsen |
141 |
146 |
154 |
81 |
Sachsen-Anhalt |
78 |
109 |
129 |
110 |
Thüringen |
91 |
48 |
38 |
24 |
Gesamt |
563 |
551 |
637 |
391 |
Stärker noch als in anderen Ländern dürfte in Thüringen
die tatsächliche Anzahl rechtsmotivierter Gewalttaten höher liegen. Aufgrund
fehlender Ressourcen kann seit 2004 nicht mehr im ganzen Land mit derselben
Intensität recherchiert werden.
Tab. 2: Recherchierte Fälle in den östlichen
Bundesländern und Berlin nach vermuteter Tatmotivation
in 2005 und 01-06/2006
Rassismus |
188 |
129 |
Antisemitismus |
7 |
2 |
Homophobie |
10 |
3 |
Behindertenfeindlichkeit |
6 |
2 |
Gegen linke Aktivisten |
73 |
48 |
Gegen nicht-Rechte (meist Jugendliche) |
297 |
177 |
Sonstige |
13 |
9 |
Unklar |
43 |
21 |
Gesamt |
637 |
391 |
Tabellen 3, 4 und 5: Beratungsfälle
Tab. 3: Beratene Opfer nach Opfergruppen in 2005
und 01-06/2006
Rassismusopfer |
331 |
203 |
Nicht-Rechte (meist Jugendliche) |
316 |
217 |
Linke Aktivisten |
71 |
43 |
Behinderte |
10 |
3 |
Sozial Benachteiligte |
4 |
2 |
Antisemitismusopfer |
6 |
3 |
Homophobieopfer |
4 |
0 |
Sonstige |
21 |
4 |
Unklar |
31 |
10 |
Gesamt |
794 |
485 |
Tab. 4: Beratene Opfer nach Altersgruppen in 2005
und 01-06/2006
O bis 13 Jahre |
10 |
6 |
14 bis 17 Jahre |
156 |
95 |
18 bis 26 Jahre |
362 |
224 |
27 bis 40 Jahre |
169 |
105 |
Über 41 Jahre |
74 |
51 |
Unbekannt |
22 |
4 |
Gesamt |
794 |
485 |
Tab. 5: Beratene Opfer nach Geschlecht in 2005
und 01-06/2006
Männer |
675 |
425 |
Frauen |
118 |
60 |
Gesamt |
794 |
485 |
|