Bilanz:
Sechs Jahre "El Aksa Intifada"
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Der zweite palästinensische Aufstand, die sogenannte El
Aksa Intifada, ist vor sechs Jahren an einem Freitag nach dem Mittagsgebet
auf dem Jerusalemer Tempelberg ausgebrochen. Als Auslöser gilt der
provokative Besuch des damaligen israelischen Oppositionschefs Ariel Scharon
auf dem Tempelberg am 28. September 2000. Doch ohne monatelange
Vorbereitungen unter der Leitung Palästinenserführers Marwan Bargouti, wäre
der Aufstand vermutlich nicht so schnell und umfassend zu einem sechs Jahre
andauernden Kleinkrieg ausgeartet.
Betzelem, eine israelische Menschenrechtsorganisation, und PHRMG
(Palestinian Human Rights Monitoring Group), ihr palästinensisches Pendant,
haben aus Anlass dieses Jahrestages Bilanz gezogen und die Toten auf beiden
Seiten gezählt. Laut Betzelem seien 3774 Palästinenser von Israelis getötet
worden, die meisten von Sicherheitskräften und 41 von "israelischen
Zivilisten". Etwa die Hälfte (1812) der getöteten Palästinenser seien nicht
an den Kampfhandlungen beteiligt gewesen.
Laut Betzelem hätten Palästinenser 697 israelische Zivilisten getötet und
314 Angehörige der israelischen Streitkräfte. Betzelem führt nicht an, ob
sich die israelischen Zivilisten, von denen die Meisten durch
Selbstmordattentäter in Bussen und Restaurants oder auf Marktplätzen getötet
worden sind, an Kampfhandlungen beteiligten.
Die palästinensische Menschenrechtorganisation, deren Angaben ebenso wie die
von Betzelem als sehr zuverlässig gelten, verfügt über ganz andere Zahlen.
So seien 2970 Palästinenser von den israelischen Streitkräften getötet
worden, fast 800 weniger als Betzelem angibt. Auch die Zahl der von
"Siedlern", also "israelischen Zivilisten", getöteten Palästinensern liegt
mit 36 niedriger als bei Betzelem. 96 Palästinenser seien an Straßensperren
gestorben, wobei nicht immer nachgewiesen werden konnte, ob ein Kranker ohne
die Sperre überlebt hätte.
PHRMG hat sehr genau die palästinensischen Opfer bei internen Streitigkeiten
registriert. So seien 663 Palästinenser von ihren eigenen Landsleuten
getötet worden, darunter 442 Zivilisten, die von Extremisten erschossen
wurden und 8 Gefangene in Gefängnissen. Die Polizei erschoss 28
Palästinenser. Ebenso wurden 20 sogenannte Ehrenmorde gezählt. 121
Palästinenser wurden als "Kollaborateure" verdächtigt und auf der Straße vom
Mob hingerichtet wurden. Drei wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet.
So entspricht die Zahl der Palästinenser, die von Palästinensern getötet
wurden fast der Zahl der israelischen Zivilisten, die palästinensischen
Attacken zum Opfer fielen.
Die palästinensische Menschenrechtsorganisation hat auch 78 Fälle von
Entführungen von Palästinensern oder Ausländern gezählt.
Zu den israelischen und palästinensischen Toten kommen noch 53 von
Palästinensern getötete Ausländer hinzu.
Das israelische Außenministerium führt mit 1,123 israelischen Toten etwa
hundert mehr getötete Israelis an als Betzelem. Aber auch offizielle
palästinensische Angaben, etwa des palästinensischen Roten Halbmonds weichen
teilweise erheblich von den Zahlen ab, die die beiden
Menschenrechtsorganisationen als Bilanz veröffentlicht haben.
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com
Zahlen und Statistiken:
Bilanz der
Intifada
Die Intifada, wörtlich "Abschütteln", war ein
"Aufstand der Palästinenser gegen die Besatzung", ein "Freiheitskampf für
Unabhängigkeit" oder der Versuch, "mit Gewalt politische Ziele
durchzusetzen"...
Fünf Jahre:
Die
Intifada - ein Krieg in Phasen
Die seit fünf Jahren tobende Intifada wird oft nur mit Begriffen wie
"Kreislauf der Gewalt" oder "Eskalation" beschrieben. Tatsächlich bestand
sie aus sehr unterschiedlichen Phasen...
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