Zum Tod von S. Yishar:
Wie es wirklich war
Von Karl Pfeifer
Während eines Auslandaufenthaltes las ich die traurige Nachricht über das
Ableben des 90jährigen israelischen Schriftstellers S. Yishar. Seither wurde
er in vielen Zeitschriften gewürdigt.
1949, als er seine Erzählung "Chirbet Chisa"* veröffentlichte, war ich
21jähriger Soldat der israelischen Armee und las diese Erzählung mit
Erschütterung. Eine Gruppe von zumeist unsympathischen israelischen Soldaten
vertreiben Araber aus einem Dorf. Eine Geschichte die in einem Krieg
stattfand, in dem wir die Angegriffenen waren und wussten, dass es um unsere
Existenz ging.
Ich war fasziniert vom Inhalt und der Sprache dieses Buches. Yishar zeigte
uns im Spiegel einer Moral, die uns im Militär beigebracht wurde und die mit
den Wörtern "Tohar haneschek", "Sauberkeit der Waffe" beschrieben werden
kann, dass sich leider nicht alle daran hielten. Und es ist kein Trost, dass
die andere Seite sich selten an diese Werte hielt.
Diese Erzählung Yishars, der Lieblingsschriftsteller von David Ben Gurion
war, wurde später Prüfungsthema für israelische Maturanten. Und schon das
zeigt, wie verlogen, die antiisraelische Propaganda ist, die den jüdischen
Staat als ein nationalistisches, ja chauvinistisches Bollwerk darstellt.
Die in Europa immer wieder laut werdenden Antisemiten, die meistens darauf
bestehen lediglich Antizionisten zu sein, und sich ob ihrer jüdischen oder
gar israelischen Freunde brüsten, versuchen uns einzureden, dass man von
Israel und von seinem Volk doch hätte erwarten können, nach dem Holocaust
"die Lektion gelernt" und die moralische Perfektion erreicht zu haben.
Gleichzeitig werfen sie Israel vor, die eigene Geschichte – so wie das hier
in Österreich lange Zeit üblich war – nur einseitig und bruchstückhaft
darzustellen.
Yishar kann von ihnen nicht instrumentalisiert werden, denn gerade sein
Beispiel zeigt auf, wie vielschichtig Israel ist und das die Stimme der
universalen Moral im jüdischen Staat wohl gehört wird.
S. Yishar: Geschichten von Krieg und Frieden, Suhrkamp, 1997
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