Deutsche Beteiligung an UN-Truppe:
Eine sinnvolle Aufgabe
Eine von allen Seiten akzeptierte
UN-Truppe trägt zur Entspannung im Libanon bei. Deutschland kann und
sollte sich um diese Herausforderung nicht herumdrücken
Von Stefan Reinecke
An die Vorstellung von einer UN-Truppe im
Südlibanon knüpfen sich abenteuerliche Angstfantasien, aber auch
Vorstellungen von Omnipotenz, die nur wenig mit der Wirklichkeit zu
tun haben. Dass deutsche UN-Blauhelme auf israelische Soldaten
schießen müssten, ist so ein dramatisches Bild, das gerne bemüht
wird. Realistisch betrachtet, wäre wohl eher das Gegenteil zu
befürchten, wie der Angriff der israelischen Armee auf UN-Soldaten
während des Libanonkriegs gezeigt hat.
Es mag banal sein, aber: Diese UN-Truppe wird auch mit robustem
Mandat nicht zur Kriegspartei werden: Sie wird weder die Hisbollah
gegen deren Willen entwaffnen - eine Aufgabe, an der die israelische
Armee gerade gescheitert ist - und schon gar nicht gegen
israelisches Militär kämpfen. Ihr Sinn besteht darin, zur
Deeskalation beizutragen und im Südlibanon eine Pufferzone zu
schaffen. Dort herrschte seit dem Abzug Israels 2000 die Hisbollah.
Wenn dort nun 15.000 libanesische und 15.000 UN-Soldaten einziehen
und die Vorherrschaft der Hisbollah brechen, ist das keine Garantie
für Entspannung an der Grenze. Aber es eröffnet Möglichkeiten, die
Lage zu stabilisieren.
Sinnvoll wird dieser UN-Einsatz nur sein, wenn er von einer
politischen Deeskalationsstrategie begleitet wird. Der Libanon pocht
zu Recht auf die Freilassung von Gefangenen, eine Lösung des Streits
um das Gebiet der Sheeba-Farmen (mit der die Hisbollah ihren Kampf
gegen Israel legitimiert) und darauf, dass Israel zur Räumung der
Minen beiträgt, die es einst im Südlibanon hinterlassen hat. Israel
pocht zu Recht darauf, dass die Hisbollah keine Raketen mehr auf
sein Gebiet abfeuert.
Es gibt Chancen für einen Kompromiss. Israel hat versucht, mit einem
überaus brutalen Krieg die Hisbollah zu vernichten, und ist damit
kläglich gescheitert. Im Libanon war die Integration der vom Iran
massiv unterstützen Hisbollah in den nationalen Rahmen bereits auf
dem Weg. Man muss kein Traumtänzer sein, um an eine Chance zur
Entspannung zu glauben.
Diesen Prozess kann eine UN-Truppe fördern und schützen - nicht mehr
und nicht weniger. Jede Katjuscha-Rakete, die nicht in Israel
detoniert, weil die UN im Südlibanon präsent ist, ist ein Beitrag
zur Deeskalation. Und gerade wenn der politische Prozess gelingt,
kann eine robuste militärische Präsenz der UN nötig sein. Es ist ein
Muster in Nahost, dass jede politische Lösung Terror provoziert.
Falls sich die Hisbollah politisch im Libanon integriert, ist es
möglich, dass sich extremistische Splittergruppen abspalten die mit
Gewalt versuchen, die Entspannung zu zerbomben. Wer, wenn nicht eine
von allen Seiten grundsätzlich akzeptierte UN-Truppe, könnte solche
Gruppen entwaffnen?
Es gibt berechtigte Bedenken: Das UN-Mandat ist unscharf, die
Aufgaben müssen noch präziser geklärt werden. Aber das ändert nichts
an der grundsätzlichen Notwendigkeit dieser Truppe, die Israel und
Libanon akzeptiert haben. An dieser Mission sollte sich auch
Deutschland beteiligen. Warum gerade wir? Weil Deutschland in Israel
und vielen islamischen Staaten den Ruf genießt, ein glaubwürdiger
Vermittler zu sein: wegen des historisch begründeten proisraelischen
Konsenses der deutschen Politik in Israel; in den muslimischen
Ländern, weil Deutschland durch den Irakkrieg und seine Iranpolitik
nicht als Handlanger der USA gilt. Dieser Ruf mag gelitten haben,
weil sich Deutschland an dem törichten Boykott der Hamas beteiligt
und die maßlosen Zerstörungen Israels kaum kritisiert hat. Trotzdem
ist Deutschland, mehr als viele andere Staaten, für eine
moderierende Rolle prädestiniert: diplomatisch und als Teil der
UN-Blauhelme.
Diese Mission wird aber scheitern, wenn die EU-Staaten lediglich
Fregatten schicken und sich ansonsten vor der Aufgabe drücken.
Allein Soldaten aus Bangladesch diesen Job tun zu lassen ist
jedenfalls nicht Ausdruck einer sonderlich tugendhaften Haltung. Im
Gegenteil. Abdruck mit
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21-08-2006 |