Naive Vorstellungen:
Steinmeiers KSZE-Sicherheitskonferenz für Nahost
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Die Idee einer ständigen Nahost-Sicherheitskonferenz nach dem Modell der
KSZE, von Frank-Walter Steinmeier vorgetragen, wirkt nur auf den ersten
Blick überzeugend und dann nur, wenn man europäische Verhältnisse auf den
Nahen Osten projiziert. Die KSZE ist eine Konferenz von 56 funktionierenden
Staaten mit diplomatischen Beziehungen und gegenseitiger Anerkennung.
Im Nahen Osten jedoch endete gerade jetzt erst ein "asymetrischer Krieg"
zwischen einem Staat und einer Miliz, die als Staat im Staate eine reguläre
Armee mit großem Zerstörungspotential errichtet hat. Ihr Gaststaat, Libanon,
hat vor 30 Jahren auf seine Souveränität verzichtet, zugunsten dieser und
anderen Milizen, die wiederum von ausländischen Mächten ausgestattet,
bewaffnet und gestützt werden, als sei der Libanon eine herrenlose Masse
Land irgendwo im Pazifik, von jeder Nation beliebig als Abschussrampe für
kriegerische Aktivitäten verwendbar. Eine nahöstliche Sicherheitskonferenz
nach europäischem Modell würde nur Sinn machen, wenn die eigentlichen
Kriegsparteien und natürlich ihre heimlichen Drahtzieher mit am Tisch säßen.
Mit am Tisch der Nahost-KSZE müssten folgende Politiker sitzen: Osama bin
Laden, Scheich Nasrallah, Präsident Mahmoud Ahmadinidschad, die jeweiligen
Hamas-Chefs wie Chaled Maschal und Isrmail Hanije, die Vertreter des
islamischen Dschihad, mutmaßlich in Haft sitzende ägyptische Moslembrüder
und die Clanchefs der bewaffneten Banden im Gazastreifen. Es würde wenig
Sinn machen, nur Fouad Siniora als Vertreter des Libanon einzuladen, nachdem
der sich beklagt hat, mit seiner schwachen Armee die Hisbollah nicht
entwaffnen zu können. Gleiches gilt für den PLO-Chef und Präsidenten der
palästinensischen Autonomie-Behörde Mahmoud Abbas, dessen Fatah-Truppen, die
selber auf eigene Faust Krieg führen und im Gazastreifen um ihr Überleben
gegen Hamas-Milizen kämpfen.
Es ist wohl ein ziemlich naiver Wunschtraum, Herrn Ahmadinidschad mit
Premierminister Ehud Olmert über den besten Weg debattieren zu lassen,
Israel von der Landkarte zu löschen.
Steinmeiers Vorschlag einer "Annäherung zwischen Israel und Palästina nach
Kräften fördern, denn das ist der Kernkonflikt der Region" verfehlt
ebenfalls die nahöstliche Wirklichkeit. Der Palästinakonflikt wird von
Islamisten wie dem saudischen Osama bin Laden nur vorgeschoben, um die
Kreuzfahrer des Westens, die USA und ihre europäischen Vasallen zu
bekämpfen. Irans Bestreben um eine Atombombe hat herzlich wenig mit den
Palästinensern zu tun, denn eine Atombombe auf Israel würde auch die
Palästinenser auslöschen. Und die Hisbollah hat den jüngsten Krieg gewiss
nicht allein aus Liebe zu den Palästinensern provoziert.
Es gibt da noch andere "Kernkonflikte", die Steinmeyer wohl lieber nicht
beim Namen nennt, weil er sonst vielleicht auch gewisse Kofferbomber oder
gewisse Studenten in Hamburg, die sich am 11.9. mit ihren Flugkünsten
hervorgetan haben, als außenpolitisches Problem Deutschlands aufgreifen
müsste. Einen ersten mutigen Schritt hat er vor einigen Tagen in diese
Richtung schon getan, als er sich nach Präsident Baschar Assads Rede
weigerte, Syrien zu besuchen. |