Peinlich, Peinlich:
Alle Skandale Israels Von
Ulrich W. Sahm, Jerusalem Solange die Kanonen
donnern, schweigen die Musen. 34 Tage lang schwiegen in Israel auch die
Boulevardblätter zu Skandalen israelischer Promis, von Staatspräsident
Mosche Katzav, über Minister bis hin zum Oberbefehlshaber der israelischen
Armee, Generalmajor Dan Halutz. Genau drei
Stunden nach Ausbruch des Krieges im Libanon, am 12. Juli, um 12 Uhr
Mittags, als im Norden Israels die ersten Katjuscharaketen explodierten, die
israelische Luftwaffe erste schwere Bombenangriffe flog und gerade erst die
Entführung von zwei Soldaten bekannt geworden war, ein Panzerkommando in
schwere tödliche Kämpfe verwickelt wurde, als es versuchte, sich den
Entführern auf die Fersen zu setzten, just in dem Augenblick betätigte sich
der Herr Oberbefehlshaber nach seinen eigenen Worten als
"verantwortungsvoller Familienvater" und "normaler Bürger Israels". Er rief
seinen Broker bei der Bank Leumi an und gab die Weisung, alle seine
Wertpapiere an der Börse zu verkaufen. Ganze 120.000 Schekel, rund 20.000
Euro, hatte der höchste Militär Israels angespart und angelegt.
Die Zeitung Maariv hatte die Geldgeschichten von Halutz veröffentlicht und
einen Israel-weiten Skandal ausgelöst. Peggi Sidor: "Ich bin die Mutter
eines Soldaten. Wie kann ich dem Armeechef vertrauen, dass er sich voll auf
den Krieg, die Kämpfe und die Sicherheit meines Sohnes konzentriert, wenn
ich höre, dass sich er drei Stunden nach Kriegsausbruch um seine Geldbörse
kümmert. Ich werde mich morgen an die Armee wenden und die sofortige
Entlassung meines Sohnes vom Militärdienst fordern."
Der Reporter, der die Geschichte mehrere Tage lang recherchierte, erhielt
nicht nur eine volle Bestätigung vom Generalstabschef. Vielmehr beklagte
Halutz auch noch, durch den Verkauf der Aktien 25.000 Schekel (5.000,- Euro)
Verlust gemacht zu haben. Vor der Presse sagte Halutz: "Das war eine fiese,
ekelhafte Veröffentlichung. Irgend jemand wollte eine Schmutzkampagne gegen
mich eröffnen." Ein Reporter meinte: "Wie ein Autist merkt der gar nicht,
dass er da einen öffentlichen Skandal ausgelöst hat und dem Volk, den
Soldaten und der Heimatfront so nicht als Vorbild dienen kann." Genau auf
diesen Vorwurf reagierte Simcha aus Naharija. Ihre halbe Wohnung wurde durch
eine Katjuscharakete zerstört. "Jetzt muss ich mich mit den Herren von der
Steuer herumplagen, damit die mir die Reparatur von jedem einzelnen
geborstenen Fensterrahmen genehmigen, während der Generalstabschef mitten im
Krieg seine Aktien in Ordnung bringt."
Von allen Seiten kamen Rufe, den hochdekorierten ehemaligen Luftwaffenchef
und heutigen Generalstabschef fristlos zu entlassen oder zum Rücktritt
aufzufordern. Die letzten gefallenen Soldaten des Libanonkrieges waren noch
nicht begraben, als in Israel nur noch die gefallenen Aktien des
Generalstabschefs alles überschatteten.
Etwas stiller wurde es um die Schäferstündchen des Staatspräsidenten Mosche
Katzav während seiner täglichen Mittagspause. Er verlangte, ungestört zu
bleiben, doch Beamte des Präsidialamtes beobachteten, wie die Mitarbeiterin
R. regelmäßig die Schlafstunde des Präsidenten verschönte. Der Seitensprung
des Staatsoberhauptes mag dessen Privatangelegenheit sein. Die israelische
Presse - anders als in England, Frankreich oder Deutschland - ist diskret
und veröffentlicht keine privaten Eskapaden der Politiker. Doch die Dame R.
beließ es nicht bei heimlichen Streicheleinheiten. Sie forderte vom
Staatspräsidenten, ihr einen guten Job zu verschaffen. Wenn nicht, so solle
er ihr eine stattliche Summe in US-Dollars "Schweigegeld" auszahlen. Der
Präsident beriet sich mit dem Staatsanwalt. Den interessierte weniger, was
der Präsident in der Mittagspause trieb, als der klare Strafbestand einer
Erpressung. Katzav geriet ins Kreuzfeuer der Kritik, als er erklärte, dass
die junge Frau es doch so nicht gemeint habe. Wie kann er noch unbestechlich
über den Dingen stehen, etwa im Falle der Begnadigung eines
Gefängnisinsassen, wenn er sich schon durch eine Frau derart unter Druck
setzen lässt?
Unter Druck geriet auch Justizminister Chaim Ramon. Dem wird ein
"unanständiger Akt gegenüber einer Frau" vorgeworfen. Die Straftat bestand
aus einem allzu herzlichen Kuss, als er sich von einer scheidenden
Mitarbeiterin verabschiedete. Ramon sagte zu seiner Verteidigung, dass die
namentlich nicht genannte Dame ihn sogar um seine private Telefonnummer
gebeten habe. Am Dienstag beschloss die Polizei, der Staatsanwaltschaft ein
Verfahren gegen Ramon zu empfehlen.
Ganz andere Probleme hat Zachi Hanegbi, Minister im Ministerpräsidentenamt
und engster Vertrauter von Premierminister Ehud Olmert. Hanegbi war einst
das "enfant terrible" der Siedleropposition. Nun in Amt und Würden, schon
mehrmals Minister, soll er an Parteifreunde Pöstchen verteilt haben.
Oberstaatsanwalt Meni Masus beschloss, den Minister wegen "Amtsmissbrauch"
umgehend vor Gericht stellen zu lassen. |