Anschuldigungen von links und rechts:
Wer hat den Krieg gewonnen?
Auszüge aus einer Analyse von Ze’ev Schiff, Ha'aretz,
15.08.2006
Übersetzung Daniela Marcus
Die Frage, die in Israel am Ende dieses Krieges gestellt
wird, heißt: Wer hat gewonnen? Diese Frage wurde auch am Ende des
Jom-Kippur-Krieges und am Ende des Libanon-Krieges von 1982 gestellt und
außerdem in Folge der letzten, begrenzten Auseinandersetzung mit den
Palästinensern. (…)
Zweifellos gab es im jetzigen Libanonkrieg einige Errungenschaften für die
Israelis, jedoch nicht genug. Nach dem Jom-Kippur-Krieg, in welchem die
israelische Verteidigungsarmee (IDF) den Suezkanal überquerte und die
ägyptische Armee einkesselte, erklärten sowohl Israel wie Ägypten den Sieg.
Damals fühlten sich die Israelis niedergeschlagen und die Ägypter stolz. In
Folge einiger weiterer Kämpfe wurde ein Zwischenabkommen unterzeichnet, und
diesem folgte ein Friedensabkommen mit Ägypten. Mit der Hisbollah sollte
kein Friedensabkommen erwartet werden. Doch es ist möglich, dass dieser
Krieg in bedeutenden Änderungen im Libanon und in Israels Kampf gegen den
Iran endet.
In den nächsten Tagen wird es einen Strom von Anschuldigungen bezüglich der
Demütigung der IDF geben. Auf der politisch rechten und linken Seite hat
sich eine seltsame Koalition hinsichtlich der Schlussfolgerung gebildet,
dass Israel eine Niederlage erlitten hat. Israel braucht kein
Untersuchungskomitee, das aus Politikern besteht, deren einziges Ziel es
ist, den Niedergang ihrer politischen Rivalen mit anzusehen. Stattdessen
braucht Israel Experten für die Untersuchung, deren Schlussfolgerungen im
Fall von zukünftigen Konflikten angewandt werden können. (…)
Der Krieg sollte in militärische und politische Aspekte untergliedert
werden. Militärisch gewann die IDF nach Punkten. Alle logistischen und
Kommandopositionen der Hisbollah erhielten schwere Schläge, obgleich ihre
Eliteeinheiten gut und mutig kämpften und das Terrain besser kannten. Die
jungen IDF-Wehrpflichtigen zeigten Bereitschaft, dem Feind gegenüber zu
treten, sie brachten Opfer und retteten verwundete Kameraden. Andererseits
erhielten Israels nördliche Städte einen schweren Schlag und die IDF
schaffte es nicht, die Anzahl der Raketen, die auf Israel abgeschossen
worden, einzuschränken. Nur die Langstreckenraketen der Hisbollah wurden
wirklich zerstört.
Während des ganzen Krieges versagte Israel darin, die Hisbollahführung zu
töten. Die Luftwaffe zeigte nördlich des Flusses Litani ihre Bestform, doch
sie versagte in ihren Bemühungen gegen die Kurzstreckenraketen im Süden. Die
fortschrittliche Technologie der Luftwaffe genügte nicht, um jedes operative
Problem, mit der sie konfrontiert war, zu lösen.
Israels Abschreckung liegt in seiner Luftwaffe und in der Bereitschaft,
sofort und hart gegen große Ziele wie Beirut zu reagieren. Dies ist eine
Lektion für Damaskus. Es gibt diejenigen im israelischen Kabinett, die der
Meinung sind, die Luftwaffe habe zu viel Schaden angerichtet. Und es gibt
diejenigen, die glauben, die IDF hätte sich aggressiver zeigen sollen.
Immerhin weiß Nasrallah jetzt, was seiner Organisation und dem Libanon
passieren könnte, wenn Israel erneut herausgefordert wird.
Die Bodentruppen der IDF haben nicht den gleichen Abschreckungswert wie die
Luftwaffe. Vielleicht liegt das daran, dass sie von den Panzerabwehrraketen
der Hisbollah geschädigt wurden, und vielleicht am logistischen Versagen,
die Truppen ausreichend zu versorgen. (…)
Das Durchhaltevermögen der Heimatfront ist ebenfalls eine Errungenschaft,
insbesondere wenn man daran denkt, dass andere in der Zukunft versuchen
könnten, Raketen auf Israel zu schießen. Denn diese Stärke wurde von den
Bürgern gezeigt und nicht von irgendwelchen Ministerien.
Politisch betrachtet gelang es Premierminister Ehud Olmert und
Außenministerin Tzipi Livni, in den USA und bei den Vereinten Nationen die
volle Unterstützung für Israels Bemühungen zu erhalten. Ein weiterer Erfolg
war das breite internationale Bewusstsein, dass der Iran in diesem Krieg
mitmischte. Teheran unterstützte die Hisbollah finanziell und rüstete sie
aus. Hier zeigt sich die dringende Notwendigkeit, bezüglich Irans nuklearer
Ambitionen zu handeln.
Die Resolution des UNO-Sicherheitsrates zeigt auch positive Aspekte. Hierzu
gehören das Entfernen der bewaffneten Hisbollahtruppen aus dem Südlibanon
und ein Embargo für den Waffentransfer an diese Organisation.
hagalil.com 15-08-2006 |