Dan Halutz:
Der erste blaue Generalstabschef Israels
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Was empfindet ein Pilot, wenn er eine tonnenschwere Bombe auf ein
dichtbewohntes Viertel abwirft, um einen langgesuchten Terroristen gezielt
zu töten? "Ich fühle da nur ein leichtes Zucken am Flügel meines Flugzeugs."
Und obgleich bei der Liquidierung des Bombenbauers der Hamas im
Gazastreifen, Salach Schehade, auch dreizehn Zivilisten getötet wurden,
sagte Dan Halutz zu den Piloten: "Jungs, schlaft gut in den Nächten. Ihr
wählt nicht die Ziele aus. Ihr tragt nicht die Verantwortung für die Inhalte
der Ziele. Eure Ausführung war perfekt. Großartig."
Diese Sprüche hätten dem Befehlshaber der israelischen Luftwaffe fast Kopf
und Kragen gekostet und ein Ende seiner beeindruckenden Karriere. Dreißig
Gruppen klagten beim Obersten Gericht (Akte 5757/04) gegen Halutz wegen
mangelndem Mitgefühl für zivile Opfer. Sie wollten die Ernennung von Halutz
zum achtzehnten Oberbefehlshaber der israelischen Armee unterbinden. Die
Richter kritisierten den "bedauerlichen Ton", wiesen aber die Klage zurück.
Sie bestätigten dem General, "Sensibilität für Menschenleben".
Dan Halutz, Vater von drei Kindern, studierter Ökonom, kam am 7. August 1948
in Hagor bei Tel Aviv zur Welt. Seine Familie ist aus Iran eingewandert.
1966 wurde er Kadett und flog zunächst französische Kampfflugzeuge wie
Mystère 4 und Vutour, ehe die Amerikaner ab 1970 zum Verbündeten Israels
wurden. Später war Halutz Pilot von F-4 und Phantom Jägern. Während des Jom
Kippur Krieges 1973 schoss er mit einem Phantom-Jäger bei 43 Kampfeinsätzen
drei feindliche Flugzeuge ab. 1982 stieg er auf F-16 Kampfjets um.
In den Empfehlungen, zum ersten Mal in der Geschichte Israels einen General
in der himmelblauen Uniform der Luftwaffe zum Oberbefehlshaber zu ernennen,
wird Halutz als charismatisch, überlegt, innovativ, intelligent, integer,
erfahren und kooperativ beschrieben, aber gelegentlich auch als aggressiv.
"Wir bekämpfen Terror überall, denn wenn wir ihn nicht bekämpfen wird er uns
bekämpfen", sagte Halutz. "Wir werden begrenzte Boden-Operationen
durchführen, um den Terror zu schädigen, der uns schädigt." Obgleich die
Luftwaffe zwei Drittel des Militärbudgets schluckt, galten bis dahin die
Hochflieger als ungeeignet, den Befehl über die gesamte Armee zu übernehmen.
Unter Halutz als Luftwaffenchef wurden die amerikanischen F-15 und F-16
eingeführt. Er forcierte den Einsatz von Drohnen für Aufklärung und präzise
Luftangriffe, eine Voraussetzung für die "Gezielten Tötungen". Unter ihm
wurden die Kampfhubschrauber zu einer wichtigen Waffe gegen Terroristen im
Gazastreifen. Als Generalstabschef trieb er die Integration aller
Waffengattung mitsamt den Geheimdiensten voran, was im Libanon deutlich zu
spüren ist, wo zunächst die Luftwaffe das Hauptgewicht bei den Kämpfen trug,
gleichzeitig aber Marine und Artillerie eingesetzt wurden und inzwischen
auch die Infanterie.
Ganz neu ist die komplette Übergabe des Kommandos an den verantwortlichen
General im jeweiligen "Operationstheater". So verschiebt jetzt Generalmajor
Udi Adam, Kommandeur des Nordabschnitts, in eigener Regie die Truppen,
Schiffe und Flugzeuge im Libanon.
Generalstabschef Halutz ist zwar immer noch im Bilde, jedoch eher damit
beschäftigt, die Militärpolitik festzulegen, auf der diplomatischen Ebene
aktiv zu sein und Israels andere "Kriegszonen" zu überwachen: Westjordanland
und Gazastreifen.
Militärsprecherin Miri Regev kennt Dan Halutz seit Jahren persönlich. Am
liebsten liest er Bücher, vor allem Gedichte von Altermann, Nathan Jonathan
und Chaim Guri, aber auch schöne Literatur. In seinen Reden lässt er deshalb
gerne ausgewählte Zeilen aus Gedichten einfließen. Er hört gerne
"israelische Musik", also die übliche Popmusik, wie man sie im Radio ständig
hört. "Aber genauso hat er auch ein Faible für orientalische Musik, was bei
seinem familiären Hintergrund nicht verwundert." Zu seinem musikalischen
Geschmack gehöre auch christliche Kirchenmusik! Regev beschreibt Halutz als
leutselig, offen, auf die Menschen zugehend und mit ihnen "auf Augenhöhe
redend". Vor fünf Monaten habe er das Rauchen aufgegeben. Regev: "Seine
Emailadresse ist für jeden Soldaten zugänglich. Jeder darf ihm schreiben.
Ein Offizier meinte, dass er mit seinen Zigaretten ein schlechtes Vorbild
abgebe. Daraufhin hat der Kettenraucher Halutz das Rauchen aufgegeben und
bis heute durchgehalten." Halutz spielt selber gern Korbball und ist ein Fan
der Fußballfans Makkabi Tel Aviv und Bethar Jerusalem, beides eher zum
konservativen Lager gehörende Sportklubs. Ob er auch politisch rechte
Ansichten hege? Regev: "Diese Frage geht zu weit. Ich kann nur noch
hinzufügen dass Hummous (Kichererbsenbrei) mit arabischem Fladenbrot seine
Lieblingsspeise ist." |