antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

  

Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus

Aktiv gegen Nazi-Propaganda!
Jüdische Weisheit
 

 

Und nach einem "Schweigen der Waffen"?:
Die Schmerzen des Friedens

Von Hans F. Schmidt

Über ein halbes Jahrhundert Nahostkonflikt führt tragisch vor Augen, dass Friedenshoffnung und Gewaltausbruch sich scheinbar zyklisch einander abwechseln. Verhält es sich womöglich so, dass jeder mühsam verhandelte und spektakulär verkündete Friedens-"Prozess", nicht etwa einem Frieden von Dauer auf die Sprünge helfen kann, sondern vielmehr immer schon die Saat zu neuer Gewalt in sich trägt – einfach deshalb, weil man sich über die Anforderungen eines echten Friedens überhaupt nicht im Klaren ist?

Fatalistisch wie sie klingt, kommt eine solche Ahnung der eigentlichen Situation, die hinter allen Friedensappellen und Beteuerungen des Willens zum Frieden steckt, doch eigentlich recht nahe. Denn obwohl es eigentlich entscheidend wäre, kommt es doch selten zur Sprache, dass (entgegen aller Wunschvorstellungen!) "Frieden" durchaus nicht der selige Zustand der Harmonie aller ist, in dem nur reine Eintracht unter den Menschen herrscht. Frieden ist ein Unternehmen, das genau besehen nicht weniger Opfer, Leiden und Enttäuschungen mit sich bringt, als der Krieg selbst, den der Frieden überwinden soll. Vielleicht weniger blutig, aber sicher nicht weniger schmerzhaft.

Frieden, vor allem wo er Konflikt überwinden soll, ist schließlich nichts weniger, als die höchst komplizierte Notwendigkeit, gegenläufige Erwartungen umzustellen und aufeinander abzustimmen. Und das bedeutet, wenn sie unversöhnlich scheinen, für alle Beteiligten zunächst nun einmal nichts anderes als die Zumutung von Verzicht und Opferbereitschaft. Und genauso auch: Kenntnis gewinnen über das, was bei einem selbst und beim Anderen vor sich geht, auch und gerade, wenn man es nicht so gerne sehen will.

Es gilt Fragen zu klären wie: Welche Erwartungen können wie umgeschichtet und durch andere ersetzt werden, seien sie auch noch so "heilig"? Welche Anreize können die Zumutung der Änderung kompensieren, beim anderen, bei sich? Vor allem aber ist auch etwas ganz anderes zu klären, das sich nicht so recht mit der festlichen Stimmung von Friedensfeiern vereinen lässt, aber doch für jeden "Friedensprozess" schier die Atemluft zum Überleben darstellt: wie können Enttäuschungen und Rückschläge in der Neukoordinierung von Erwartungen verkraftet werden, und Geduld und Weitsicht erhalten bleiben, wenn momentane Anstrengungen grausam frustriert werden?

Die Kunst der "Friedensführung" verlangt von den Menschen nicht nur Entschlossenheit im Handeln, sondern gerade auch das, was dem Handeln zunächst einmal gewissermaßen im Weg steht, nämlich das differenzierte Abschätzen der Ergebnisse des Handelns. Dass das dann auch einmal gerade den Verzicht auf Handeln bedeuten kann, das geduldige Umdisponieren bei Handlungsmöglichkeiten und Erwartungen, und auch das Inkaufnehmen von Verlusten, denen kein unmittelbarer Gewinn folgen kann, macht sie zu einem so schweren Geschäft.

Was die Rhetorik des Krieges der Rhetorik des Friedens schon immer voraus hatte, ist aber genau dies: die erfolgreichere, simpler einleuchtendere, weil kurzfristiger offensichtliche Opfer-Nutzen-Kalkulation. Krieg ist zwar bitter, bringt Not, Elend und Tod. Aber er kann nicht nur von seinen Befürwortern als notwendig im Angesicht der Perfidie des Feindes dargestellt werden, und so lange als erfolgreich, wie sich die Wut der Besiegten noch nicht wieder neu bewaffnet hat. Er verschafft im Stress der erlittenen Schädigungen vor allem rasche Genugtuung für erlittenen Schmerzen, wenn die Bomben gezündet und dem Feind Handlungsmöglichkeit und Lebensglück geraubt ist. Er bringt Männern an der Front und Müttern daheim die schnelle Ehre der Tapferkeit und Entbehrung, die den Todesschrecken vergessen macht und die größere Anerkennung bringt, als alle anderen Verdienste im täglichen Leben. Krieg verhilft zur Bestätigung von Männlichkeit und zur Lust am taktischem Spieltrieb. Die Armee oder die Freiheitskampforganisation stellt jeden auf seinen Platz, auf dem er wissen kann, was er zu tun hat und wo er hingehört.

Krieg mag einem sinnlos erscheinen, wenn man seine schädliche Wirkung zu spüren bekommt. Aber am anderen Ende des Kanonenrohrs ist er durchaus nicht ohne allen Sinn. Dort ist er wie eine Droge. Er benebelt mit der Wucht der Emotion und der Logik des Naheliegenden.

Viel schwerer hat es da die Strategie des Friedens, die Entschlossenheit und den Heldenmut zu erzeugen, mit der sich regelmäßig die Mengen hinter den (Ver-)Führern in den Krieg scharen. Auf die Schmerzen des Zurückhaltens des eigenen Zorns, des Überlegens und Abwägens der Folgen von Widerstand oder Duldung, von Anreiz und Zugeständnis, auf die des Über-den-Schatten-Springens und des Abschieds von bequemen Wunschvorstellungen fließt nicht so schnell der wohltuende Balsam der Helden- und Märtyrerverehrungen, der Orden und der befriedigenden Explosionen in der Stadt des verachteten Feindes.

Kaum ein Wunder also, dass es angesichts solcher ganz anderen Schwierigkeiten nicht nur so mühsam ist, die Kombattanten des Nahost-Konflikts vom Sinn der Mäßigung zu überzeugen. Es ist wohl auch der Grund dafür, dass auch die diplomatischen und journalistischen Appelle und Bewertungen sich um kaum mehr drehen, als um die immergleichen Floskeln vom "Ende der Gewalt" und vom "Beginn von Verhandlungen", ohne dass je recht auf’s Tableau der Öffentlichkeit kommt, welche weiter führenden Konzepte, diesen Verhandlungen eigentlich zugrunde liegen sollen.

Aber auch wenn sich die Strategie des Friedens nicht immer das Gehör von Politikern und der breiten Bevölkerung verschaffen kann, so hat doch zumindest die westliche Welt in ihrer Geschichte eine ganze Reihe von "Friedenstechniken" entwickelt – wenn auch in vielen Rückschlägen eigener Kriege und Diktaturen blutig erkauft –, deren weitgehend reibungsloses Funktionieren ihr einen schon über 60jährigen inneren Frieden gesichert hat.

Zentrale Errungenschaften sind dabei nicht zuletzt die strikte Trennung von Politik und Recht, und damit einhergehend nicht allein die bekannte Monopolisierung der Gewaltanwendung. Denn nicht nur die Ausübung von Gewalt wird streng auf den Staat begrenzt. Auch die Entscheidung wer wann in welchem Ausmaß von Zwangsausübung betroffen werden darf, ist im Westen einem strengen, hochkomplexen juristischem Reglement unterworfen, einschließlich der Frage, wann es rechtskonform ist, den "Kriegs- bzw. Verteidigungsfall" festzustellen und wann nicht. Dass sich Zwangsausübung nur auf denjenigen beschränkt, der sich auch eines Normverstoßes schuldig gemacht hat, und dass sich diese Ausübung von Gewalt auch noch in einem Rahmen hält, der seine Rehabilitierbarkeit bei Irrtum oder nach Verbüßen der Strafe möglich macht – darüber wacht mit Polizei, Gerichten und deren Dienst- und Rechtsauffassungen ein sicheres Netz von Institutionen, das nicht zuletzt die Funktion hat, Emotionen, Vergeltungstriebe und kollektive Solidarisierungen bei Konflikte im Paragraphendschungel von Verfahren zu ersticken. Die kategorische Ablehnung des gezielten und nicht gezielten Tötens aufs Geratewohl, zu dem sich im Orient beide Seiten legitimiert fühlen, ist in Europa nicht "Luxus" des Friedens, sondern gerade das wichtigste (wenn auch gleichfalls nicht ganz schmerzfreie!) Mittel zu dessen Erhaltung.

Aber das allein ist es noch nicht, das den Erfolg brachte im friedlichen Kampf gegen Konflikteskalationen. Damit Institutionen gedeihen können, bedarf es auch anderer Entwicklungen, die im Westen nicht nur zum politischen, sondern zum kulturellen Wert geworden sind – und deren wirkliche Durchsetzung der ganze Nahe Osten noch vor sich hat. Dazu gehört die Idee der abstrakten "Gleichheit" aller Menschen, und zwar mit all ihren Konsequenzen. Religiöse Werte, kulturelle Modalitäten, familiäre Rücksichtnahmen, also Bereiche, mit denen sich kollektive Exklaven ("Parallelgesellschaften" etc.) bilden könnten, treten in den Bereich des Privaten zurück, und sollen nicht mehr zum Gesichtspunkt der Inklusion oder Exklusion in die "pluralistische" Gesamtgesellschaft werden. Aus Konfliktexzessen wird gewissermaßen nur die Gewalt herausgeschmolzen und nur als solche juristisch bekämpft. Und: Alle Menschen sollen von politischen Entscheidungen gleichermaßen profitieren können, aber auch gleichermaßen deren Verpflichtungen wahrnehmen. Und damit nun das wiederum nicht an den Barrieren von kulturellen Gegensätzen scheitert, ist schließlich auch der Erwerb "interkultureller Kompetenzen" zum Gegenstand des allgemeinen Konsenses und Strebens geworden: Erlernen von Sprachen, Erwerb von Wissen über das Fremde und seiner Handlungsweisen.

Ohne Zweifel: die Folgerisiken, die das hat, sind unübersehbar. Von den Schwierigkeiten der Integration, die man anstrebt, über schwer zu optimierenden Wohlstands- und Gerechtigkeitserwartungen, bis zur notwendigen Akzeptanz der Tatsache, durch strenge Konditionierung der staatlichen Gewaltausübung manche Verbrechen in Kauf nehmen zu müssen. Aber trotzdem sind die Vorzüge dieses westlichen "Pragmatismus des flexiblen Konsenses" weltweit unübertroffen. Und der Weg des Nahen Ostens zu einem Frieden, welcher nicht immer nur als eine Friede der Unzufriedenen den nächsten Gewaltexzess hinauszögert, wird nur mit den Schritten des Erwerbs dieses "Konsenspragmatismus" in dieser Region geebnet werden können, der Religion, Politik, Kriminalität strikt trennt, und verschiedene soziale Prägungen aneinander integriert, statt abschottet.

Das aber kann definitiv nicht heißen, sich immer nur von Waffenstillstand zu Waffenstillstand zu hangeln. Es müsste heißen, zunächst einmal den irrealen Erwartungen beider Kombattanten, Israels und seiner arabischen Umwelt, auf den Grund zu gehen. Und die lassen sich erst dann umstellen und aufeinander hin optimieren, wenn sie durch die westliche Strategie des Friedens überhaupt erst einmal auf den (Verhandlungs-)Tisch kommen.

Der Krieg im Nahen Osten ist kein Krieg der Kulturen, sondern ein Krieg der Illusionen und Undurchdachtheiten – auf beiden Seiten. Und das vor allem in Bezug auf die trügerischen Vorstellungen von den Möglichkeiten und der Realisierbarkeit der eigenen politischen Vorstellungen.

Da wären auf der einen Seite die der Palästinenser, die in ihrer verfahrenen Situation auch noch das Pech haben, sich nur fragwürdige, eigennützige Nothelfer einzuhandeln. Zu viele unter ihnen sind weniger Gefangene der "jüdischen Okkupanten" als ihrer Wut, die in ihnen die Illusion sich hartnäckig am Leben sich halten lässt, dass man eines Tages dem "Staat Israel" (aber wer ist das, wo wohnt er?) die erlittenen Demütigungen heimzahlen müsste und könnte. Aber auch wenn es gelingt diesen Teil der Palästinenser nicht direkt militärisch, sondern eher durch Änderung der politischen Rahmenbedingungen therapieren, und sie auch bei weitem nicht die Mehrheit unter diesen darstellen: gleichermaßen illusionär dürfte wohl auch die Vorstellung sein, dass der so vehement geforderte und zur Bedingung des Friedens gemachte "eigene Staat" das große Simsalabim für die Lösung aller Probleme sei. Jedem, der nur ein bisschen über die Oberfläche eines solchen Projekts hinausdenkt, dürfte doch klar sein, dass ein solcher Staat angesichts der erwiesenen Unzuverlässigkeit der arabischen Bruderstaaten, des Mangels jeglicher nennenswerter Industrie, der völligen Abhängigkeit von der israelischen Wirtschaft und angesichts einer noch im patriarchalischen Macho-Sumpf der arabischen Befindlichkeiten steckende Pseudo-Demokratie, wohl schon fast buchstäblich kaum den Abend des Tages seiner Proklamation erleben würde. Da ist es immer noch leichter, in der israelischen Okkupation den Grund allen Übels zu sehen und zu bekämpfen.

Doch auch auf der anderen Seite sieht es nicht weniger verheerend aus, was das Bewusstsein um die eigentlichen Probleme angeht. Israel ist bis zur Stunde fest in der babylonischen Gefangenschaft der fixen Idee eines rein "jüdischen" Staates, obwohl eigentlich niemand so genau sagen kann, wie der eigentlich in der modernen Welt aussehen könnte. Kaum lässt sich erkennen, wie die weitgehend auf 5000 Jahre alten Schriften beruhende "jüdische Identität" die tiefen Klüfte miteinander verbinden sollte, die sich aller Orten auftun: zwischen russischen, äthiopischen, amerikanischen, europäischen Einwanderern und deren verschiedenen konfessionellen und kulturellen Differenzen. Und noch gravierender zeigt sich die zwischen den religiös Orthodoxen bzw. den fanatischen Zionisten in Jerusalem und den Software-Ingenieuren und der hedonistischen Disco-Jugend in Tel Aviv. Viel mehr als die prähistorischen Papyrusrollen im "Schrein des Buches", ist es da die verhängnisvoll-bequeme kollektive Vorstellung von den unterentwickelten destruktiven Arabern rings um das bedrohte Völkchen der verfolgten, aber entschlossenen und einträchtigen Juden, die noch als universeller Bezugspunkt taugen kann, der die auseinanderdriftende Nation in der einzig noch gleich machenden grünen Armee-Uniform noch wirklich zusammenhält. Wie kann man da noch zwischen echtem und insgeheim lebenswichtigem Bedrohungsszenario unterscheiden?

Insgesamt nährt sich der Konflikt mit all seinen kurzfristigen und mal mehr und mal weniger heftig ausschlagenden Vergeltungszirkeln von der generellen illusionären Wunschvorstellung, dass man sich doch noch irgendwie gegenseitig loswerden oder zumindest gefügig machen könnte (was dasselbe ist), ob mit Hilfe von Selbstmordattentätern, Katjuscha-Attacken, Apache-Hubschraubern oder von hohen Mauern - oder welche Schildbürgerstreiche man sich sonst noch in der Zukunft aushecken wird. Die Wunden, die der Krieg zufügt und die man der ratlosen Welt demonstrativ als Legitimation des jeweils eigenen Handelns entgegenstreckt, sind da bei allen Schmerzen doch immer noch einfacher zu ertragen, als schmerzhafte Gedanken über die 'unzufriedenstellende Gesamtsituation' ("Der Schuh des Manitu").

Wer aber am Ende aller wie auch immer legitimierten oder naheliegenden Gewaltaktionen echten Frieden will, und nicht nur kurzfristige Affektregulierung, die ihm die simple Logik der Gewalt verschafft, wer ihn ernsthaft will, der muss sich auf einen anderen Weg machen als den, der erwiesenermaßen im Kreis führt. Nicht den, der mit der Waffe ins ruhmreiche Feld führt. Sondern mit den Errungenschaften der westlichen "Friedensstrategien" auf den längeren, beschwerlicheren Weg in eine unbestritten nie ausrechenbare Zukunft, in der aber das Aushalten und wechselseitige Optimieren von Differenzen als heroischer angesehen wird, als das heldenhafte Besiegen des Feindes zur Bewahrung der eigenen Einheit und Tradition (oder eher: kultivierten Ignoranz).

Oder besser gesagt: auf den Weg in eine solche ohnehin schon längst reale Gegenwart. Denn warum sollte denn nicht in Kirjat Arba und Hebron das gleiche möglich sein, was in Haifa und Nazareth ohnehin schon längst Realität ist? Juden und Araber Haus an Haus und die Unterschiede an Religion und Sprache nicht so wichtig, weil nun einmal: erlernbar! Der Krieg im Nahen Osten ist kein Krieg der Kulturen, sondern der Privat-Krieg von nur Einigen.
Nur welche Seite sollte sich zuerst auf diesen Weg machen, auf dem man einiges an Identität zurücklassen muss, aber am Ende in der Moderne ankommt? Diese Frage dürfte zur Abwechslung einmal recht einfach zu beantworten sein: diejenige, die für sich den Anspruch erhebt, Bastion der besagten "westlichen Moderne" zu sein! Oder nicht?

Kommentare? h-f-s@gmx.de
Zur Diskussion: [Forum]

hagalil.com 07-08-2006

Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!

 

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved