Neues Konzept erfordert:
Contain or Constrain Iran?
Von Fritz W. Peter
"Containment" steht als politisches Konzept in gutem
Ruf. Das Konzept war seinerzeit erfolgreich. Es formulierte die Leitlinien
einer strategischen Defensivhaltung. Dahinter stand allerdings eine
entschlossene Politik – nicht weniger entschlossen als die der Gegenseite!
Die westliche Politik hatte einen klaren Nenner – Sicherung von Freiheit und
Demokratie.
Die westliche Defensivstrategie im Kalten Krieg ging auf:
die gegnerische Bedrohung implodierte nach vier Jahrzehnten. Der Westen
hatte die Bedrohungslage – bereit zur Gegenwehr – ausgesessen, teils
gekonnt, teils glücklich, stets in Wachsamkeit, angemessen militärisch
gerüstet und bereit und geneigt zum Gebrauch seiner soft power.
Diese bestand in der Attraktivität seiner ideellen Werte –
politisch und kulturell – genauso wie im materiellen Wohlstandsversprechen
seines Gesellschaftsmodells. Nicht die realsozialistische orwellsche
Bürokratie hielt 1984 globalen Einzug, sie hielt stattdessen wenig später –
klanglos – Auszug. Aus Sowjets wurden wieder Russen.
1989/90 war die weltpolitische Bühne vom teuren Spuk der
"Sowjetgesellschaft", dieses Irrtums der Geschichte, geräumt. Geblieben
waren die pluralistischen bürgerlichen Gesellschaften und jene Länder und
Regionen der Welt, die ihr Modell noch suchten, mal mehr im Rückgriff auf
die Tradition (oder vermeintliche Tradition), mal mehr in der Anpassung an
die Bedingungen der Gegenwart.
Iran: Kein Testfall einer "Containment"-Strategie
"Containment" steht in realpolitischem Ansehen. Der
Bezugsrahmen war allerdings ein anderer als heute. Als Anwendungsfall für
ein nukleargerüstetes Regime aus Mullahs und Revolutionsgardisten wirkt das
Konzept nicht gerade wie geschaffen.
"Eindämmung" unter den heutigen komplexen Bedingungen der
dortigen Region und angesichts eines aufgeladenen Radikalismus, dessen
Strategie bewusst darauf abstellt, Stärke durch Unberechenbarkeit zu
erzielen – dafür wären "Eindämmung" und "Abschreckung" als Antwort kein
ausreichendes Konzept.
In Wahrheit wäre es überhaupt kein "Konzept", sondern die
bloße Hinnahme von etwas – nämlich der extremen Gefahrenlage, die sich durch
A-Waffenbesitz des Iran ergäbe. Es wäre die Hinnahme des Nihilismus.
Ein aggressives Regime wie Iran, das seinen "legitimen"
Auftrag in der gewaltsamen Durchsetzung seiner Ziele sieht (andere Regime
der Region sollen durch subversive Gewalt destabilisiert werden und Israel
wird offen mit Vernichtung bedroht) und das seine Aktivitäten und seine
Stellvertreterkriege bald auch unter eigenen atomaren Schutz stellen kann,
wenn man es nicht daran hindert, ist mit "Containment" allein nicht zu
zivilisieren. Es muss eine Möglichkeit hinzukommen, Aggressionshandlungen
gezielt zu unterbinden und spezifische Optionen für Aggressionshandlungen
nicht entstehen zu lassen.
Insbesondere kann das Entstehen einer extremen
Spannungslage am Rande des Atomkonflikts im Verhältnis Israel-Iran nicht
hingenommen werden, denn damit würde ein Zustand auf Dauer gestellt, bei dem
kleinste und sogar zufällige Ereignisse bereits fatale Reaktionen auslösen
könnten – die internationale Diplomatie wäre mit einem derartigen Zustand
völlig absorbiert. Sie wäre entsprechend blockiert.
Null Toleranz gegenüber Vernichtungsabsichten und
-mitteln
Eine künftige Option Teherans, unter dem Schirm eigener
Atomwaffen Konflikte anheizen und Stellvertreterkriege führen zu können,
muss nicht nur eingedämmt, sondern unterbunden werden. Möglichkeiten des
Teheraner Regimes, ultimative Drohungen bereitzuhalten, müssen nicht
erschwert, sondern genommen werden. Für einen Vernichtungsschlag Irans
gegenüber Israel nur die Wahrscheinlichkeit sozusagen auf ein "erträgliches
Maß" herunter regeln zu wollen (durch Containment), wäre eine ausgewachsen
zynische Vorstellung. Teherans Möglichkeiten hierzu sind auf null zu setzen,
jede andere "Ziffernanzeige" würde die Existenz des kleinen Staats Israel
zur Disposition stellen. – Mehreren Staaten der Region bliebe zudem (wenn
"Ziffer" null gilt) ein Ressourcen verschlingender atomarer Rüstungswettlauf
erspart.
Die Einschränkungen der Aggressionsgefahr müssen
weitgehender sein als durch bloßes "Containment"; sie müssen mindestens den
atomaren Grenzfall zuverlässig unterbinden. "To constrain" (einschränken,
erzwingen) gibt den Gedanken besser wieder als "to contain" (eindämmen).
Das "Containment" ist um Möglichkeiten zu ergänzen, die
Teheran den Weg zur atomaren Erpressung und zur Anwendung von
Massenvernichtungswaffen versperren. Dabei geht es im Übrigen nicht um
"Bestrafung". Auch mögliche Sanktionen erfolgen nicht mit der Absicht der
Bestrafung. Sie erfolgen strikt sachgebunden zur Verhinderung einer
Nuklearoption des Iran. Es geht um die nötige Konsequenz und Effizienz, mit
der dieses berechtigte Ziel erreicht wird. Diplomatie oder andere mögliche
Handlungsweisen werden gleichermaßen an diesem Ziel und Maßstab gemessen
werden.
Die iranische Herausforderung (durch aggressive Politik
und drohenden Erwerb von Atomwaffen) verlangt als Antwort Containment plus
der gezielten Verhinderung des Entstehens einer atomaren Option – a policy
of containment and constraint, wie die Formel vielleicht lauten könnte
[constraint: Einschränkung, im strikten Sinne Verhinderung, Unterbindung].
A policy of containment and constraint gegenüber Iran
Eine Politik des containment and constraint – in dieser
Formulierung – unterstreicht ihre Ausrichtung und Entschlossenheit, dem
spezifischen Gefahrenmoment (A-Waffenbesitz des Iran) entgegentreten zu
wollen.
Atomwaffenbesitz aufseiten des Teheraner Regimes bedeutet
gesteigerte Proliferationsgefahr, erweiterte Optionen für den Terrorismus,
Drohpotential für Einschüchterungsversuche und den Anreiz für Nachbarstaaten
wie die Türkei, Ägypten oder Saudi-Arabien, ebenfalls in den Besitz von
Atomwaffen zu kommen; bedeutet Stellvertreterkriege mit höchster
Eskalationsgefahr sowie eine weitgehend blockierte internationale
Diplomatie; bedeutet den potenzierten Steuerungsverlust für die
Welt-Energielage!
Wäre eigene politische Entscheidungsschwäche es wert,
dieses alles in Kauf zu nehmen? Wäre der unbefristete Aufschub einer
Gegenwehr das angemessene Vermächtnis an die jetzt Jüngeren – in Iran,
Israel und der übrigen Welt? Muss ihnen – im kommenden Jahrzehnt – nicht
auch eine Chance für Frieden und Zukunft gelassen werden? Dem nihilistischen
Wahn entgegen zu treten, ist ein Erfordernis, das jetzt keine Alternative
erlaubt!
Es gab einen einzigen guten, Sinn machenden Grund, warum
der Iran in den vergangenen Jahrzehnten es für ratsam oder erforderlich
halten konnte, nach einer eigenen atomaren Option zu streben, nämlich der
wenig beruhigende "nachbarschaftliche" Umstand, dass Saddam und das
irakische Baath-Regime (mit Querbezügen zum syrischen Baath-Regime) einen
Vormachtanspruch im Mittleren Osten stellten und dies auch von Beginn an mit
dem Versuch des Erwerbs einer atomaren Option verbanden. Der Grund ist
entfallen – und dies sicherlich auf Dauer.
Ein Aufbau der iranischen Gesellschaft erfordert nicht
Nuklearisierung und Militarisierung (wie es Saddam im Irak in den siebziger
und achtziger Jahren versucht hatte), sondern gesellschaftliche Öffnung und
Diversifizierung sowie außenpolitische Mäßigung und Kooperation.
Einige Titel zu den Themen Iran, Nahost, Islamismus
Iran-Konflikt:
www.wadinet.de/news/peter.php
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