Widersprüchliche Angaben:
Blutige Bilanz des Libanonkrieges
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Ausgerechnet bei den Toten gibt es im Libanon keine absoluten Zahlen,
nicht einmal bei Begräbnissen. So wurden am Samstag nach übereinstimmenden
Angaben verschiedener Medien die 28 Toten des "Massakers von Kana" begraben,
doch Reuters zählte nur 27 Särge. Und obgleich bei dem israelischen
Luftangriff angeblich nur Zivilisten, überwiegend Frauen und Kinder, getötet
wurden und sich keine Hisbollahkämpfer in der Nähe aufhielten, waren drei
Särge in gelbe Flaggen der Hisbollah eingehüllt, ein Zeichen, dass da
Hisbollah-Kämpfer zu Grabe getragen wurden.
Bei der Gesamtbilanz des Krieges gibt es noch mehr Widersprüche. Bei Beginn
des Waffenstillstandes war die Rede von 892 Kriegsopfern im Libanon. Die
Zahl sank dann bei ap auf "mindestens 845". Seit Beginn des
Waffenstillstands, schnellte die Zahl wieder erheblich in Höhe.
Dpa beruft sich auf nicht näher angegebene "offizielle libanesische Stellen"
und berichtet von fast 1300 getöteten Menschen, darunter mehr als 1100
Zivilisten. Fast jedes dritte zivile Opfer sei ein Kind unter zwölf Jahren
gewesen, hieß es in einer "vorläufigen Opferbilanz".
Ap liefert etwas genauere "offizielle Zahlen": 1287 Tote, "fast alles
Zivilisten", um im nächsten Satz von 1140 Zivilisten zu berichten, wovon 30
Prozent Kinder unter 12 seien. Hinzu kämen 43 libanesische Polizisten und
Soldaten. Nach Angaben der Hisbollah seien 74 ihrer Kämpfer ums Leben
gekommen und 17 der Schiitenmiliz Amal.
Bei Reuters liegt die Gesamtzahl der Toten des Krieges um hundert niedriger
bei 1181 Toten.
Der erste große Libanonkrieg 1982, von den Israelis zynisch "Operation
Friede für Galiläa" genannt, dauerte nur vom 6. bis 12. Juni an, also
lediglich eine Woche, im Gegensatz zu 34 Tagen, die der jüngste Libanonkrieg
andauerte. Bei jenem Krieg, den Israel damals gegen die PLO und Syrer im
Libanon führte, starben 17.825 Araber und 675 israelische Soldaten.
Auf der israelischen Seite sind die Toten namentlich bekannt. Sogar die
Begräbnisse werden einzeln angekündigt. Während der 34-tägigen "Operation
Richtungswechsel" sind 117 Soldaten gefallen und 39 Zivilisten getötet
worden, insgesamt 156.
Gemäß einem Bericht der Zeitung Haaretz habe die Hisbollah 3970 Raketen auf
den Norden Israels abgeschossen. Die israelische Luftwaffe habe etwa 15.000
Luftangriffe auf 7000 Ziele im Libanon geflogen, hauptsächlich auf
Stellungen der Hisbollah und Raketen-Abschussrampen aber auch auf Brücken,
Flughäfen und andere Einrichtungen der libanesischen Infrastruktur. Dabei
seien zwischen 64 Hisbollahkämpfern (deren Angabe) und 500 (israelische
Schätzung) ums Leben gekommen.
Auch bei den wirtschaftlichen Schäden auf beiden Seiten klaffen die Angaben
weit auseinander. So seien je nach Quelle zwischen 30.000 und 50.000
Wohnungen im Libanon zerstört worden. In Israel ist die Rede von etwa 1000
Wohnungen. |