Mahner der Gesellschaft:
Die Prüfung der zionistischen Linken
Von Yossi Beilin, Haaretz, 08.08.2006
Da sind jene, die von der zionistischen Linken
erwarten, dass sie sich dem Kriegsgeheul, den pathetischen Slogans
wie "Wie werden gewinnen" und den aufrührerischen Kommentaren wie
"Nasrallah wird sich erinnern, wer Amir Peretz ist" anschließt. Und
da sind jene, die von uns erwarten, dass wir uns der
nicht-zionistischen Linken anschließen, die einen einseitigen
Waffenstillstand befürwortet, Israel der Kriegsverbrechen
beschuldigt, fordert, dass Hamas und Hezbollah gegeben wird, was
diese wollen und alle Form von Gewalt ablehnt. Beide Seiten sagen,
dass dies die Prüfung für die zionistische Linke ist - und sie haben
recht.
Wir haben einen tiefen Glauben an das Recht des
jüdischen Volkes auf einen demokratischen und sicheren Staat, der
eine stabile jüdische Mehrheit hat: der Staat des jüdischen Volkes
und all seiner Bürger. Wir sind davon überzeugt, dass es unser
nationales Interesse ist, die Schritte zum Frieden mit den
Palästinensern, Syrien und Libanon zu vollenden, und dass es keine
Alternative zu einem Abkommen gibt.
Wäre es nach uns gegangen, hätten wir im Mai 1991
ein Friedensabkommen mit den Palästinensern erarbeitet, wie es im
Interimsabkommen mit ihnen vereinbart war. Wäre es nach uns
gegangen, hätten die Shepherdstown Friedensgespräche zwischen Bill
Clinton, Ehud Barak und Farouk Shara im Dezember 1999 mit einem
israelisch-syrischen Friedensabkommen geendet, das zu einer
israelisch-libanensischen Abmachung geführt und die Erfordernis
eines einseitigen Rückzugs sechs Monate später verhindert hätte.
Wäre es nach uns gegangen, hätten wir die Friedensverhandlungen
erneuert nachdem Mahmud Abbas 2005 zum Präsidenten der
Palästinensischen Autonomiebehörde gewählt worden war, was die
Erfordernis eines einseitigen Rückzugs aus dem Gazastreifen nur
wenigen Monate später verhindert hätte.
Aber unsere Empfindung, dass man Frieden bereits
vor Langem hätte erreichen können und dass Israel keine unerhebliche
Rolle dabei spielte, dass dies nicht geschehen ist, rechtfertigt in
unseren Augen nicht das Verhalten unserer Feinde. Es rechtfertigt
nicht die Kassam-Raketen, die Palästinenser weiter auf uns schießen,
nachdem wir die Siedlungen aufgelöst haben, oder die massive
Aufrüstung der Hezbollah, oder die Unterbringung von Raketen in den
Häusern unschuldiger libanesischer Zivilisten, oder die
verantwortungslose Ereiferung und die jeder Grundlage entbehrende
territoriale Forderung Hassan Nasrallahs, obwohl wir uns aus dem
Libanon bis auf den letzten Millimeter zurückgezogen haben.
Die militärische Antwort in Gaza ist in unseren
Augen angebracht, und die Antwort in Libanon ist nicht weniger
gerechtfertigt - aber das ist nicht Grund genug, alle Aspekte des
Krieges zu unterstützen. Eine kurze militärische Aktion, gefolgt von
einem Ultimatum zur Freilassung der entführten Soldaten, wäre in
unseren Augen wesentlich angemessener gewesen. Es war auf jeden Fall
nicht richtig, sich in die Falle der Hezbollah ziehen zu lassen - in
einen verlängerten Abnutzungskrieg, anhaltender Raketenbeschuss auf
die israelische Heimatfront und eine Zehntausende von Soldaten
umfassende Bodenoffensive, zu einem sehr hohen finanziellen Preis.
Eine formale Änderung in der Haltung zu nicht am
Kampf Beteiligter hat zu Hunderten libanesischen Zivilopfern
geführt. Wir können so eine Änderung nicht rechtfertigen, auch wenn
sie aus dem Munde von jemandem kam, der nicht aufhört, sich als Mann
des Friedens zu preisen. Amir Peretz's Tauben-Vergangenheit
garantiert ihm keine Lizenz, ethnische Normen, die uns viele Jahre
geleitet haben, zu verletzen.
Einige Tage nach dem Ausbruch der Kampfhandlungen
haben wir einen gegenseitig annehmbaren Waffenstillstand gefordert,
um die Ziele, die sich Israel gesetzt hat, zu erreichen: die
Rückkehr der entführten Soldaten, ein vollständiges Ende aller
feindlichen Aktivitäten und der Einsatz der libanesischen Armee im
Südlibanon. Wir haben keinen Moment daran geglaubt, dass diese
legitimen Ziele durch einige weitere Tage des Kämpfens, durch die
Kontrolle von einigen weiteren Kilometern, die massive Mobilmachung
von Reservisten oder schwere Bombardierungen einer arabischen
Hauptstadt erreicht werden könnten.
Folglich waren wir die einzigen in der Knesset,
die sich enthalten haben, sowohl im Misstrauensvotum als auch in der
Abstimmung über die Ankündigung der Regierung über den weiteren
Kriegsverlauf. Wir waren die einzigen im Außenpolitischen und
Sicherheitsausschuss der Knesset, die eine Mobilmachung von
Zehntausenden für einen Notfall-Reservedienst ablehnten. Wir waren
die einzigen, die am Obersten Gerichtshof Beschwerde gegen den
Premierminister wegen der unterlassenen Kriegserklärung der
Regierung, trotz der entsprechenden Bestimmungen im Grundrecht,
eingereicht haben. Wir sehen unsere Rolle während des Krieges als
Mahner, davor dass Israel nicht in Situationen abgleitet, die zu
Beginn des Krieges nicht absehbar waren, sowie vor Handlungen, die
den Werten der israelischen Gesellschaft widersprechen, während wir
gleichzeitig fordern, dass wir den Verhandlungstisch so früh wie
möglich erreichen, um über einen Waffenstillstand zu sprechen.
Nach dem Krieg, wenn Ehud Olmert erneut über einen
einseitige Konvergenzplan als eine Wunderdroge spricht und sich die
Rechte sowohl gegen Abkommen mit unseren Nachbarn als auch gegen
einseitige Schritte äußert, müssen wir, mit all unserer Macht, die
Option eines Abkommens als den Weg präsentieren, der gerade nach dem
Konflikt in Gaza und dem Krieg im Libanon, nötig ist.
Die Prüfung der zionistischen Linken wird in ihrer
Fähigkeit liegen, aus diesem Krieg herauszukommen ohne ihre
Bestimmung als Gruppe, die die Öffentlichkeit mahnt und realistische
Lösungen vorschlägt, zu verlieren. Als Gruppe, die nicht gegen die
Welt unempfindlich ist oder sich als Richter im Konflikt zwischen
uns und unseren Nachbarn aufstellt, sondern die ihre Positionen aus
dem Herzen der israelischen Gesellschaft vertritt, um deren
Sicherheit und Wohlstand willen.
Unangenehme Wahrheiten:
Wir sollten den
Sieg erklären und Gespräche beginnen
Am Beginn der dritten Woche der Kämpfe
scheint der Krieg trotz aller Entschlossenheit und
Einsatzbereitschaft der angreifenden Soldaten gerade erst
anzufangen. Deshalb sollten wir einen Waffenstillstand erreichen
bevor der Krieg außer Kontrolle gerät...
al /
hagalil.com 08-08-2006 |