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Barenboim in Sevilla:
Wir und der Dirigent
Eli Ashkenazi berichtet für haArez
5000 Personen waren beim Konzert des "West-Eastern Divan Orchesters"
in Sevilla anwesend, dessen Mitglieder junge Musiker aus Israel, arabischen
Staaten und Spanien sind. Unter der Leitung von Daniel Barenboim, der es
gemeinsam mit dem palästinensischen Intellektuellen Eduard Sa'id gegründet
hat, spielte das Orchester die neunte Symphonie Beethovens.
Das war der erste von 15 Konzerten, das das Orchester im nächsten Monat in
ganz Europa spielen wird. Die Konzerte im Nahen Osten - Ägypten und
Jordanien - wurden wegen des Kriegs im Libanon abgesagt. Und aus demselben
Grund wurde dem Konzertprogramm eine seltsame Erklärung des Dirigenten und
der Musiker hinzugefügt, mit der nicht alle israelischen Musiker
einverstanden waren, obwohl sie sie unterschrieben haben.
Die Erklärung, eine Initiative des Dirigenten, erklärte die Prinzipien des
Projekts: es sei humanitär, nicht politisch; seine Aufgabe sei es, als Forum
für Treffen israelischer und arabischer Musiker zu dienen; es stütze sich
auf Musik, die keine Worte verwendet; es könne die Beteiligten lehren,
anders zu denken; seine Mitglieder sehen sich als Pioniere, die erste
Schritte in Richtung Frieden unternehmen.
Neben diesen Dingen, die von allen akzeptiert werden, beinhaltete die
Erklärung einen Satz, der Ablehnung hervorrief: "Die Zerstörung der
Infrastrukturen im Libanon und Gaza durch Israel, der Weg, auf dem Israel
Millionen von Menschen zu Flüchtlingen macht und Hunderte tötet, und die
Angriffe der Hisbollah auf Zivilisten im Norden Israels stehen in krassem
Widerspruch zu allem, an das wir glauben und widersprechen den Absichten des
Projekts."
Einer der israelischen Musiker, der nicht namentlich genannt werden wollte,
sagte in einem Telefongespräch aus Sevilla: "Alles führte zu diesem Satz,
den ich ablehnte. Ich war nicht bereit, Israel durch meine Unterschrift zu
verurteilen. Aber man konnte es nicht zurücknehmen. Barenboim bot uns an,
Alternativen vorzuschlagen. Das haben wir getan, aber er nahm sie nicht an.
Aber bei der Aufnahmeprüfung für das Orchester wurde ich aufgefordert, Musik
zu machen, nicht politische Meinungen zum Ausdruck zu bringen. Das ist nicht
Sinn der Sache. Wenn ich von Anfang an gewusst hätte, was die Erklärung
beinhaltet, hätte ich mir noch überlegt, ob ich komme oder nicht, und
genauso andere Musiker aus Israel."
Als Reaktion sagt Barenboim in einem Telefongespräch, ebenfalls aus Sevilla:
"Über alles, was in dem Orchester passiert, angefangen von dem Beschluss,
wann eine Pause eingelegt wird, bis hin zu der Entscheidung, ob man in
Ramallah auftritt, wird nach demokratischer Abstimmung beschlossen, an der
alle Orchestermitglieder beteiligt sind. Niemand wurde aufgefordert zu
unterschreiben, bevor die Erklärung allen vorgelegt und darüber abgestimmt
worden war. Dem Orchester gehören 95 Musiker an, nur sechs stimmten
dagegen."
Einige davon sagten, sie hätten Angst gehabt, dagegen zu stimmen.
"Ich schlug ihnen vor, Alternativen anzubieten. Das waren kosmetische
Vorschläge, und ich befasse mich nicht mit Kosmetik. Ich habe hier eine
israelisch-arabische Einrichtung, nicht eine israelische und eine arabische,
und deshalb ist es schwer, es allen recht zu tun".
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hagalil.com 14-08-2006 |
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