Für die Werte der Kinder:
Im Namen Allahs
Von Riad Ali, Haaretz, 9.8.2006,
Übersetzt aus dem Englischen von Karl Pfeifer
Die Bilder, die aus dem Libanon kommen, zerreißen einem
das Herz und lassen den Atem stillstehen. Das gleiche gilt für Israel und
das schreibe ich nicht um der Ausgewogenheit.
Aber Kummer und Leid wegen der Opfer des Krieges sollten
nicht seine Hauptziele, sowohl im Libanon als auch in den palästinensischen
Gebieten, verwischen. Als die Palästinenser in der West Bank und in Gaza
Selbstmord-Attentate zu ihrer Strategie machten, um Israel zu bekämpfen, zog
ich den Schluss, dass ihr Krieg gegen die Besatzung vorbei ist und ein
wahlloser Krieg gegen Juden begonnen hat.
Ich war damals überzeugt, so wie ich es heute bin, dass die
Palästinenser in diesem Moment den Krieg verloren haben, wenigstens im
moralischen Sinn.
In einem meiner Berichte aus Gaza, sprach ich mit einem
palästinensischen Knaben namens Haled. Er war damals zehn Jahre alt. Er
sagte, er wolle Lehrer werden. Als wir auf das Thema der Intifada zu
sprechen kamen, sagte Haled, er hätte noch einen Traum – ein Shahid, ein
Märtyrer zu werden. Ich fragte ihn, wie er gleichzeitig Lehrer und Shahid
werden könne. Der zehnjährige Haled hatte kein Antwort. Er war ja nur ein
Kind.
Damals habe ich erkannt, dass das palästinensische Volk
seinen inneren Kompass verloren hat. Eine ganze Generation von Kindern ist
geboren und wurde in ihrer Mitte erzogen, und ihre Hoffnung und Streben ist,
einen heiligen Tod zu sterben.
Eine palästinensische moralisch-ethische Debatte über den
Status der Selbstmord-Attentäter hat niemals stattgefunden. Der Saboteur war
und blieb ein Shahid, mit all den positiven Merkmalen, welches dieses Wort
in der islamischen Terminologie hat. Palästinenser, die gegen diese
Attentate waren und sind, tun dies aus taktischen Gründen, das heißt, würde
es ihrer Sache nützen, dann fänden sie nichts falsches daran.
Ähnlich entwickelte sich auch Hizb Allah. Wenn diese
Organisation vor 2000 behaupten konnte, sie kämpfe gegen die israelische
Besatzung des Libanons, eine zweifelhafte Behauptung, so ist es heute klar,
dass dieser Krieg gegen Juden geführt wird, wo immer sie sich befinden.
Man muss taub sein, um nicht die Stimme von Mahmud
Ahmadinejad zu hören, die aus dem Mund von Nasrallah kommt, und man muss
naiv sein, um zu glauben, dass der Zweck, des akkumulierten Waffenlagers,
das Nasrallah angelegt hat, die Entlassung von Gefangenen und die Befreiung
der Sheba-Farmen ist.
Jetzt ist die Zeit, die arabischen Bürger Israels
anzusprechen, und ihnen zu sagen, dass die Zeit für sie gekommen ist, zu
entscheiden, wo sie stehen. Und sie sollten dies für ihr eigenes Wohl und
nicht zum Wohl der Juden tun. Sie sollten das für die Werte tun, die sie
ihren Kindern beibringen wollen, um ihre intellektuelle Würde zu wahren. Es
ist allen klar, dass eine von Hamas geführte palästinensische Regierung und
ein von Hizb Allah kontrollierter Libanon keine demokratischen
Gesellschaften mit blühenden politischen und sozialen Pluralismus
zustandebringen. Es ist klar, dass in solchen Systemen, die Herrschaft des
Rechts, die Menschenrechte, Frauenrechte, die Freiheit der Kunst, die
Bewegungsfreiheit und die Religions- und Gedankenfreiheit – fremd und
verspottete Konzepte sein werden. Das ist das wenigste, was man darüber
sagen kann.
Der ideologische Islam beherrscht schon lange die Agenda der
palästinensischen Gesellschaft in der West Bank und Gaza. Aber was mir Sorge
macht, die gleiche islamische Agenda die dort herrscht, herrscht auch hier
in Israel und sie geht durch alle [arabischen] Parteien und Bewegungen,
inbegriffen diejenigen die sich als säkular begreifen. Der Geist des Kampfes
hat die Gläubigen ereilt, und alle die sich als Teil der islamischen Nation
begreifen, müssen an diesem Kampf teilnehmen. Wenn nicht mit Gewehren, dann
mit Geld, und wenn nicht mit Geld, dann mit Wörtern, und wenn nicht mit
Wörtern dann im Herzen, so wie die muslimischen Prediger das den Massen
sagen.
Ich führe weder mit den Juden noch mit dem Staat Israel
Krieg. Ich habe eine Auseinandersetzung mit den Juden und führe ein
Streitgespräch mit dem Staat Israel. Eine Sache bestreite ich nicht, und das
ist das Recht des jüdischen Volkes zu einem eigenen unabhängigen Staat. Nach
meinem besten Verständnis, muss dieser Krieg, so wie die Intifada, von
dieser Perspektive aus beurteilt werden.
Arabische Bürger des Staates [Israel], die wirklich an das
Prinzip von zwei Staaten für zwei Völker und an eine demokratische, liberale
Gesellschaft glauben, müssen sich selbst fragen, ob die islamische
Ideologie, die den Krieg gegen Israel und den Westen hinter der Maske eines
Krieges gegen Besatzung und Heidentum führt, ihre Ambitionen vertritt. Wir
müssen den Schmerz und Kummer für die unschuldigen Opfer des Krieges vom
Kriegsziel trennen, wie dieser von denjenigen gesehen wird, die ihn – in der
West Bank, Gaza, Libanon, Irak, Iran, Afghanistan und an anderen Orten –
führen, um ein Land im Namen Allahs zu befreien.
Riad Ali ist Reporter des Ersten Israelischen
Fernsehens.
hagalil.com 10-08-2006 |