Geschickte Ablenkung:
Iran, Israel und die USA Von
Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 18. Juli 2006 "Ein
Termin für den Besuch von Condoleezza Rice ist noch nicht festgelegt." Die
beiläufige Äußerung der israelischen Außenministerin Zipi Livni nach einem
Treffen mit einer Delegation der UNO, die zuvor in Beirut war, bestätigt,
dass die offen sichtbare Untätigkeit der Amerikaner weder Hilflosigkeit noch
Desinteresse ist. Das ist eine klare Politik, wie die in Petersburg
aufgeschnappte Bemerkung von Präsident Bush über die "Sch... Hisbollah".
Wenn es wirklich irgendwo brennt in der Welt, sind amerikanische
Außenminister immer schnell zur Stelle. Niemand wird ernsthaft glauben, dass
Rice keine Zeit habe, während Europa einen "Flächenbrand" befürchtet, über
eine israelische Invasion in den Libanon spekuliert und glaubt, dass Syrien
in den Krieg verwickelt werden könnte.
Rice kommt nicht, weil sie nicht kommen will. Ihr Chef dürfte ganz zufrieden
mit Israel sein, wenn es jetzt mit Gewalt die Sch... im Libanon aufräumt.
Israel tut, was die Amerikaner in Afghanistan und Irak nicht geschafft
haben. Washington gibt Israel viel Zeit, mehr als jemals zuvor bei ähnlichen
kriegerischen Auseinandersetzungen in Nahost. Aus Washington verlautete
derweil, dass Rice "nicht vor Dienstag kommender Woche" kommen werde. Das
sei für Israel eine amerikanische "Licence to kill" (Lizenz zum Töten)
entrüstete sich Libanons Premierminister Siniora.
Jeder weiß, dass die Hisbollah von Iran gelenkt, finanziert und aufgerüstet
wird. Spätestens am Montag kam der Beweis, dass Iran die Hisbollah sogar für
strategische Schläge gegen Israel nutzt, ohne dafür von der Welt zur
Verantwortung gezogen werden zu können. Israel zerstörte bei Beirut eine
iranische Rakete mit Reichweite bis Tel Aviv. Teheran war nach Aussage von
Experten "überhaupt nicht erfreut über diese kostenlose Reklame für ihre
Rüstungsindustrie." Denn wenn Iran heute seine modernsten Raketen an die
Hisbollah liefert, könnte es morgen auch eine Atombombe aus Eigenproduktion
liefern. Und wegen der geringen Entfernungen könnte Israel solche Raketen
genau so wenig abfangen wie heute die 800 bisher auf Israel abgeschossenen
Katjuscharaketen. Entsprechend redete der Repräsentant der palästinensischen
Hamas im Teheraner Außenministerium vom bevorstehenden "Zusammenbruch des
zionistischen Regimes" und sagte: "Die Aktionen von Hamas und Hisbollah
basieren auf einem gemeinsamen Zeitplan."
Gab es da nicht Spannungen zwischen dem Westen und Iran wegen
Urananreicherung und dem möglichen Bau einer Atombombe?
Der "Zweifrontenkrieg" Israels hat das alles in den Hintergrund gedrängt.
Das war ein geschicktes Manöver des Iran. Aber so ergibt sich, dass Israel
nur an einer Front kämpft: des im Iran geplanten und koordinierten Terrors
und Islamismus. Die Stellvertreter des Iran agieren im Schutze der schwachen
libanesischen Regierung und der ebenso schwachen Autonomiebehörde. Eine
klare militärische wie politische Niederlage von Hamas und Hisbollah liegt
klar im amerikanischen Interesse und wurde mit der laschen Einigung beim G8
Gipfel sogar sekundiert.
Erstmals seit Jahrzehnten kommen weder aus Washington noch von europäischen
Regierungen ernsthafte Aufrufe zur Mäßigung Israels oder gar eines
sofortigen, bedingungslosen Waffenstillstands. Denn Israel führt einen
Stellvertreterkrieg gegen die Handlanger des Iran. Und die Amerikaner wollen
diesmal einen klaren Sieg der Israelis.
Weder Hamas noch Hisbollah und gewiss nicht Iran hatten Israels heftige
Reaktion vorhergesehen. Sie waren überzeugt, dass Israel nach der Entführung
von Soldaten einknicken und Verhandlungen zwecks Gefangenenaustausch
aufnehmen würde. Doch Israel reagierte mit einem großen Krieg, zerstörte
halb Libanon und den Gazastreifen. Am Ende werden nicht nur die Hamas und
Hisbollah den Bevölkerungen ihrer Länder erklären müssen, ob die Entführung
der israelischen Soldaten so viel Zerstörung und Elend wert waren. Als
ausländischer Drahtzieher wird auch Iran Rechenschaft ablegen müssen. Denn
die Gefangenen sind nur ein Vorwand. Iran geht es um den hehren Traum,
Israel von der Landkarte zu löschen. Die Absichtserklärungen dazu lieferten
jüngst Präsident Ahmadinidschad, Scheich Hassan Nasrallah und eine ganze
Riege von Hamas-Politikern. |